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Kultur-Neustart: Wiener Philharmoniker spielten vor kleiner Runde

Ein großer Moment vor einer kleinen Runde.
Ein großer Moment vor einer kleinen Runde. ©APA/MUSIKVEREIN/DIETER NAGL
Am Freitag haben die Wiener Philharmoniker vor 100 Personen erstmals wieder gespielt. Es war ein großer Moment vor kleiner Runde.

Es war ein denkwürdiger Abend im altehrwürdigen Musikverein: Vor 100 Zuschauern spielten am Freitag die Wiener Philharmoniker unter Daniel Barenboim im Goldenen Saal. Fünf Prozent Auslastung im sonst rund 2.000 Personen fassenden Prachtbau wäre eine miserable Quote - in Normalzeiten. Im Coronazeitalter entspricht dies 100 Prozent.

Ein großer Moment vor kleiner Runde

Schließlich dürfen aus Virenprävention im Juni lediglich 100 Menschen eine Veranstaltung besuchen - was zum Auftakt des angesichts der Lockerungen improvisierten Junibetriebes des Musikvereins penibel eingehalten wurde. So viel Bein- und Fußfreiheit war selten in den heiligen Hallen der klassischen Musik, saßen die 100 Gäste doch im Schachbrettmuster verteilt im 1.700 Sitzplätze aufweisenden Saal. Ein großer Moment vor kleiner Runde.

Dabei gehörten die Anwesenden zu einem erlauchten Kreis aus Freunden und Angehörigen der Philharmoniker, die die wenigen Karten für das Konzert gar nicht erst in den regulären Handel gegeben hatten. Sollte sich trotz aller Vorsicht ein Infektionsherd samt nachfolgender Quarantäne aus dem Abend ergeben - ein guter Teil der Republik stünde für die kommenden zwei Wochen wieder still. Der Nationalrat müsste ohne seinen ersten Präsidenten Werner Sobotka (ÖVP) auskommen, Europa ohne Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die Salzburger Festspiele ohne Präsidentin Helga Rabl-Stadler, das Burgtheater ohne Intendant Martin Kusej, und Yusif Eyvazov müsste Gattin Anna Netrebko daheim versorgen.

Diese Hautevolee konnte Mozarts Konzert für Klavier und Orchester (KV 595) erleben, das Barenboim vom Klavier aus dirigierte, bevor Beethovens 5. Symphonie intoniert wurde - auf eine Pause hatte man aus Coronagründen ebenso verzichtet wie auf eine Öffnung der Büfetts. Das wirklich Außergewöhnliche des Abends waren hingegen nicht derlei Petitessen, sondern die bis dato ungehörte Akustik des Goldenen Saales, wenn sich bei personeller Waffengleichheit zwischen einem voll besetzten Beethovenorchester und lediglich 100 Menschen im Publikum die Klangcharakteristik des legendären Konzertraumes gänzlich wandelt. Der warme, satte Klang, der auch schallschluckenden 2.000 Menschen zu verdanken ist, weicht einem kathedralengleichen Hall, der wenig verzeiht. Die Philharmoniker wussten sich vor allem bei Beethoven diesen Erfordernissen mit einer entsprechend majestätischen, eher auf Pomp denn Geschwindigkeit setzenden Interpretation geschickt anzupassen.

Angyan und Meyer erhielten Ehrenmitgliedschaft

Apropos majestätisch: Zum Abschluss konnten sich noch zwei bald scheidende Regenten des heimischen Musikbetriebes freuen. Musikvereinsintendant Thomas Angyan und Staatsoperndirektor Dominique Meyer, die beide mit Monatsende ihre Ämter aufgeben, erhielten auf offener Bühne die Ehrenmitgliedschaft der Philharmoniker verliehen - gleichzeitig dank eleganten Doppelschwungs der beiden Urkunden durch Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer. Denn: "Im Herzen unseres Orchesters ist die Staatsoper genauso nah wie der Musikverein."

"Es ist sehr emotional für mich", zeigte sich Meyer gerührt. Schließlich komme man beinahe auf 3.000 gemeinsame Vorstellungen. "Die Cohabitation zwischen Philharmoniker und Staatsoper ist potenziell eine schwierige - aber es war eine reine Freude."

Auf ganze 42 Jahre Zusammenarbeit blickte Thomas Angyan zurück - hatte er doch schon als Geschäftsführer der Jeunesse vor dem Wechsel in den Musikverein mit dem Orchester kooperiert. Der Ruf des Musikvereins hänge auch mit dem Klang der Philharmoniker zusammen und umgekehrt. "Es ist deshalb eine Auszeichnung, die mir unglaublich viel bedeutet und die mich wirklich berührt", so Angyan.

Im Musikverein geht es nun bis 28. Juni nahtlos weiter mit einem bunten Strauss an Konzertformaten. Mag es allerdings auch sonst für den einen oder anderen Musikfreund schwer sein, Karten für die Topevents in den Konzerthäusern zu ergattern, so ist das in Coronazeiten ob der Kontingentbeschränkung erst recht schwierig. Aus diesem Grunde springt der ORF in die Bresche.

ORF überträgt Konzerte

Am Sonntag (7. Juni) zeigt ORF 2 in der "Matinee" ab 9.40 Uhr das heutige Musikvereinskonzert. Und am 21. Juni ist im Rahmen der ORF-III-Reihe "Wir spielen für Österreich" ab 20.15 Uhr das Philharmoniker-Konzert unter Franz Welser-Möst virtuell zu erleben - dann mit Werken von Richard Strauss und Franz Schubert.

Und auch im Radio feiert man den Wiedereinstand des Kulturlebens. Ö1 strahlt das Barenboim-Konzert ebenfalls am Sonntag ab 11.03 Uhr live in der "Matinee" aus. Das unter Leitung von Welser-Möst folgt am 21. Juni ebenfalls ab 11.03 Uhr.

(APA/Red)

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