“Wenn Europa es einem Mitgliedsland nur aufgrund der Tatsache, dass es schon Mitglied ist, erlaubt, ein anderes Land zu erpressen, dann hat die europäische Integration keine Zukunft”, sagte Sanader am Samstag auf einer Veranstaltung der HDZ-Parteijugend in Zagreb.
Die Vorgangsweise Sloweniens sei mit den EU-Werten nicht vereinbar, meinte Sanader sinngemäß. Kroatien sei nunmehr nämlich in die Lage gebracht worden, für jene Prinzipien kämpfen zu müssen, auf denen die EU gegründet worden sei, so der Regierungschef: “Solidarität, Kooperation, internationales Recht”. Die Blockade der kroatischen EU-Beitrittsgespräche müsse aufgehoben werden, weil die Verhandlungen eben den Beitritt Kroatiens zur EU und nicht die slowenisch-kroatische Grenze betreffen würden, unterstrich Sanader.
Sanader zeigte Unverständnis dafür, dass der von Kroatien angestrebte Schiedsspruch durch den Internationalen Gerichtshof (IGH) offenbar verhindert werden solle. Einerseits werde von Kroatien die volle Kooperation mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal verlangt, das eine Institution der Vereinten Nationen sei, andererseits werde das Land daran gehindert, den Grenzstreit mit Slowenien vor dem IGH, also einem weiteren UNO-Gremium, zu lösen. “Das ist keine prinzipientreue Politik.”
Sanader und auch Präsident Stjepan Mesic hatten bereits in der Vorwoche von kroatischer Seite den Ton in der Debatte verschärft. “Ich bin überzeugt, dass wir der EU beitreten werden, ohne einen einzigen Zentimeter unseres Territoriums abzutreten”, sagte Sanader im Parlament. “Wir werden mit unserem Territorium mit niemandem Handel betreiben, damit im Gegenzug die Blockade unserer EU-Beitrittsverhandlungen aufgehoben wird.” Mesic erklärte: “Wenn Slowenien Kroatien auf seinem Weg in die EU und die NATO aufhält, wird das ein großes Problem für die Beziehungen beider Länder sein.”
Zagreb hatte am Montag der Einsetzung eines vom finnischen Ex-Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari geführten Weisenrates zur Lösung des Grenzstreits zugestimmt. Allerdings soll die Initiative aus kroatischer Sicht nur dabei helfen, einen Vorschlag zu definieren, wie der Fall vor den Internationalen Gerichtshof gebracht werden soll. Mesic bekräftigte diese Haltung am Dienstag: “Über Grenzen kann es keine politischen Gespräche geben.” Die Frage müsse ein “Gericht” lösen.
Die beiden früheren jugoslawischen Teilrepubliken streiten seit ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1991 über Teile der Landgrenze, vor allem aber über die Grenzziehung in der Adria-Bucht von Piran. Diese beansprucht Slowenien zur Gänze für sich, während Kroatien von einer Teilung in der Mitte ausgeht. Während Slowenien der EU-Vermittlung schnell zustimmte, beharrt Kroatien seit Jahren auf einer Lösung durch einen internationalen Schiedsspruch.
Die EU-Kommission hatte sich der Frage angenommen, nachdem Slowenien im Dezember ein Veto gegen die EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien eingelegt hatte. Grund sind im Rahmen der Beitrittsgespräche von Kroatien vorgelegte Landkarten und Gesetzestexte, mit denen der ungelöste Grenzverlauf zwischen den beiden Staaten nach slowenischer Ansicht präjudiziert wird.
Der Streit droht auch, die für Anfang April geplant Aufnahme Kroatiens in die NATO zu blockieren, weil in Slowenien eine Volksabstimmung über das weitere Vorgehen im Grenzkonflikt beantragt wurde.