Chinas Präsident Hu Jintao sprach am Freitag von einem “historischen Moment” und betonte, dass China alle Verpflichtungen im Menschenrechtsbereich erfüllt habe. US-Präsident George W. Bush hatte zuvor jedoch erneut auf die Verbesserung der Menschenrechte gepocht. Weltweit hielten auch die anti-chinesischen Proteste an. Die dreieinhalbstündige Olympia-Eröffnungszeremonie im Pekinger Nationalstadion sollte um acht Uhr acht chinesischer Zeit (14.08 Uhr MESZ) beginnen. Bei einem Mittagessen mit US-Präsident George W. Bush und Dutzenden weiteren Staatsgästen sagte Hu in der Pekinger “Großen Halle des Volkes”, mit der Austragung der Spiele erfülle sich ein langgehegter Wunsch des chinesischen Volkes. Bush hatte zuvor bei der Eröffnung der neuen US-Botschaft in Peking gesagt, die USA würden weiterhin offen ihre Überzeugung vertreten, dass alle Menschen die Freiheit haben sollten, ihre Meinung auszusprechen und ungehindert ihre Religion zu wählen. Zurückhaltender äußerte sich der französische Staatschef und amtierende EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy. Er sprach sich bei einem Besuch der französischen Athleten im Olympischen Dorf dafür aus, China auf dem Weg zu westlichen Werten wie Offenheit, Toleranz und Fortschritt “zu begleiten”.
Hu wies die Menschenrechtskritik zurück und betonte, China habe alle seine im Jahr 2001 gegenüber der internationalen Gemeinschaft eingegangenen Verpflichtungen erfüllt. Damals hatte Peking versprochen, “grüne, technologische und volksnahe Spiele” zu organisieren. Menschenrechtler sprachen jedoch von Rückschritten bei den Freiheitsrechten vor den Spielen. Hu warb dafür, die Olympischen Spiele als Gelegenheit für die Völkerverständigung zu sehen. “Wir sollten über die Unterschiede zwischen uns hinauswachsen und uns für den Aufbau einer harmonischen Welt mit dauerhaftem Frieden und allgemeinem Wohlstand einsetzen.” Rückendeckung bekam er vom russischen Premier Wladimir Putin, der sich in Peking für eine “unvoreingenommene Bewertung” der Olympischen Spiele aussprach.
In der ganzen Stadt waren vor dem Olympia-Startschuss schärfste Sicherheitsmaßnahmen in Kraft; einige hunderttausend Sicherheitskräfte und Verkehrspolizei säumten die Straßen. Uniformierte bewachten jede Straße und jede Kreuzung. Der Verkehr war wegen zahlloser Straßensperren stark beeinträchtigt. Am Abend sollte auch der Pekinger Flughafen für mehrere Stunden stillgelegt werden. Eine angebliche uigurische Terrorgruppe warnte vor Anschlägen während der Spiele.
Der Sprecher des Olympia-Organisationskomitees BOCOG, Wang Wei, bekräftigte indes die Internet-Zensur und Einschränkungen für internationale Korrespondenten in Peking. So wurde auch die Arbeit der internationalen Fernsehanstalten behindert. Sie dürfen auf dem Platz des Himmlischen Friedens keine Interviews durchführen oder Interviewgäste mitbringen.
Das Pekinger Wetteramt sagte für den Abend leichte Schauer in der auch am Freitag von dichtem Smog bedeckten chinesischen Metropole voraus. Auch bei einem Unwetter soll die Show vor rund 90.000 Zuschauern im Pekinger Nationalstadion nicht abgebrochen werden, hieß es. Die Zeremonie soll nach dem Wunsch der Gastgeber alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. Neben dem Einmarsch der 11.000 Athleten werden etwa 15.000 Akrobaten und Tänzer mitwirken, 29.000 Feuerwerkskörper und Böller sollen abgebrannt werden. Wang erwartet “ungefähr 86” Staatsgäste aus dem Ausland zur Eröffnungsfeier. Österreich wird von Verteidigungsminister Norbert Darabos (S) und Sport-Staatssekretär Reinhold Lopatka (V) vertreten.
Die weltweiten anti-chinesischen Proteste hielten indes an. In der ehemaligen englischen Kronkolonie Hongkong wurde nach Polizeiangaben vom Freitag ein Brite festgenommen, der mit einer Protestaktion auf der Hauptverkehrsstraße zum Flughafen ein Verkehrschaos auslöste. Der Mann trug eine Pferdekopf-Maske und hängte Transparente mit der Forderung nach Freiheit und Demokratie an einer Brücke auf. In der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh forderten am Donnerstagabend etwa 200 Menschen bei einer Demonstration die Einhaltung der Menschenrechte in China. In der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu wurden am Freitag 740 Exil-Tibeter festgenommen, als sie das dortige chinesische Konsulat stürmen wollten. In der Wiener Innenstadt hatten rund 150 Exil-Tibeter und Sympathisanten am späten Donnerstagabend mit einem Fackelzug für die Wahrung der Menschenrechte in Tibet demonstriert.