Krise verlangsamt die EU-Erweiterung
Im Vorfeld des EU-Außenministertreffens im südböhmischen Hluboka rief bereits der zuständige EU-Kommissar Olli Rehn die EU-Staaten auf, nicht die EU-Erweiterung zum Sündenbock für die aktuelle Wirtschaftskrise zu machen. Die Ursachen dafür wären nicht auf den Straßen Belgrads zu suchen sondern auf der New Yorker Wall Street, sagte Rehn.
Doch der Stimmungswandel ist nicht zu übersehen. So hat erst die CDU von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Europawahl-Programm beschlossen, dass in absehbarer Zeit nur noch Kroatien in die EU aufgenommen werden soll – ein Schritt, der auch bei Außenminister Frank-Walter Steinmeier vom Koalitionspartner SPD für “Verwunderung” sorgt. Diplomaten zufolge steigen auch die Niederlande bei der Debatte um die Erweiterung auf die Bremse. Die niederländische Regierung blockiert seit fast einem Jahr die Umsetzung des fertig unterzeichneten EU-Annäherungsabkommens mit Serbien, solange der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic nicht an das UNO-Tribunal in Den Haag ausgeliefert ist.
Die bevorstehende Europawahl dürfte aber das geringste Problem in der EU-Erweiterungsfrage werden. Viel gewichtiger wiegt da schon nach Ansicht von Diplomaten die Unsicherheit in Hinblick auf den EU-Vertrag von Lissabon, die durch den Sturz der Prager Regierung entstanden ist.
Der noch amtierende EU-Ratsvorsitzende und tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg räumte beim Treffen im südböhmischen Hluboka laut Reuters sogar ein, dass die Regierungskrise die Erweiterung gefährden könnte, wenn der Lissabon-Vertrag nicht ratifiziert wird. “Natürlich kann sie das. Deshalb müssen wir ihn ratifizieren. Es ist in unserem höchsten nationalen Interesse, das so schnell wie möglich zu tun”, sagte er. Nach dem Misstrauensvotum gegen die Regierung von Premier Mirek Topolanek gilt eine Mehrheit im tschechischen Senat für das EU-Vertragswerk als äußerst ungewiss.
Kroatien, das sich noch Hoffnung machen könnte, allenfalls auch ohne den Lissabon-Vertrag in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden, hat indes ganz konkrete Sorgen. In dem vor vier Monaten eskalierten Grenzstreit mit Slowenien ist weiterhin keine Lösung in Sicht. Optimistische Andeutung von Außenminister Michael Spindelegger wurden am Freitag vom slowenische Außenminister Samuel Zbogar harsch zurückgewiesen. Rehn, der weiter Stillschweigen über sein Vermittlungsangebot bewahrt, hat unlängst erklärt, der Konflikt berge die Gefahr, dass das Image der gesamten Region sich deshalb verschlechtere.
Wenn sich Slowenien für seine Blockade der Kroatien-Gespräche immer stärker den Unmut aller anderen 26 EU-Staaten zuzieht, wie Diplomaten berichten, so hat es doch ein Exempel gesetzt, dass für den ganzen Balkan Vorbildwirkung hat. Von Kroatien über Bosnien-Herzegowina bis nach Mazedonien sind noch genug Grenzfragen offen, die Vetomöglichkeiten für später bieten.
Pro-europäische Regierungen wie in Serbien verlieren unterdessen die Nerven mit der Europäischen Union. Dem Vernehmen nach machte Präsident Boris Tadic gegenüber europäischen Gesprächspartnern bereits deutlich, dass Belgrad bis Jahresende von der EU auch ein konkretes Entgegenkommen brauche, um nicht die Stimmung im Land wieder zugunsten der Ultranationalisten kippen zu lassen. Doch selbst wenn sich die EU-Außenminister über die von der EU-Kommission angepeilte Aufhebung der Visapflicht für serbische Staatsbürger einigten, wäre es noch ein weiter Weg bis dahin: Sie müssen auch noch ihre Innenminister zu Hause überzeugen, die der Grenzöffnung für den Balkan viel kritischer gegenüberstehen.