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Kostümverleih Sellge sagt nach über 40 Jahren Adieu

Bianca Sellge führte mehr als 40 Jahre lang ihren Kostümverleih.
Bianca Sellge führte mehr als 40 Jahre lang ihren Kostümverleih. ©VOL.AT, Philipp Steurer, Canva Pro
Nach langer Überlegung schließt Bianca Sellge (72) ihren Kostümverleih in Hard. VOL.AT führte ein Interview zum Abschied.

Er ist ein Fixpunkt im Vorarlberger Fasching: der Kostümverleih Sellge in Hard. Am 6. Januar verkündete Bianca Sellge in sozialen Medien schweren Herzens die Schließung. Viele Gründe hätten dazu geführt, meint Sellge gegenüber VOL.AT.

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Gesundheit gab den Ausschlag

Sie habe um den Fortbestand gekämpft und darauf gehofft, doch letztendlich habe ihr ihre Gesundheit den Schlussstrich gezogen. "Ich bedanke mich bei all meinen Kunden für fast 40 Jahre Treue und hoffe auf euer Verständnis", meint die Kostüm-Expertin.

Bianca Sellge nimmt mit 72 Jahren Abschied von ihrem Kostümverleih. ©VOL.AT

VOL.AT: Frau Sellge, nach mehr als 40 Jahren schließen Sie Ihr Geschäft. Wie kam es dazu?

Bianca Sellge: Im Moment bin ich einfach nicht gut beieinander und das Ganze setzt mir natürlich auch sehr zu nach 40 Jahren und nach langem Kampf hat’s mich jetzt einfach aus den Schuhen gehauen. Es hat müssen eine Entscheidung her und die Gesundheit hat’s jetzt gemacht.

VOL.AT: Einen Nachfolger gab’s nicht?

Sellge: Nein, das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wer übernimmt ein Geschäft, das von Amazon und Corona kaputt gemacht worden ist? In erster Linie war’s einfach schon jahrelang der Onlinehandel, der uns kaputt gemacht hat. Und dann habe ich halt noch gewurstelt und gewurstelt und musste Mitarbeiter entlassen und ja.

Allein war es jetzt einfach streng. 400 Quadratmeter Geschäft zu erhalten ist einfach ein Wahnsinn. Es kostet auch. Jetzt musste ich mich einfach schweren Herzens nach 40 Jahren entscheiden, aufzuhören. Ich bin 72. Ein Nachfolger ist unmöglich, das vermag niemand, das zu zahlen.

Archivbild 2003: Seit mehr als 40 Jahren führte Bianca Sellge ihren Kostümverleih. ©Bernd Hofmeister
Ihr großer Verleih war vielen Narren im Land ein Begriff. ©handout/Sellge

VOL.AT: Es waren aber durchaus 40 schöne Jahre. Man hat Ihnen immer angemerkt, dass Sie es gerne gemacht haben.

Sellge: Ja natürlich, das war ja das Schlimme, dann aufzuhören. Ich habe mit 20 Kostümen mal angefangen daheim in der Garage und jetzt liegt natürlich ein Haufen Geld in dem Geschäft drinnen. Irgendwann muss ich einen Abverkauf machen, aber jetzt kann ich es einfach nicht. Ich bin gesundheitlich nicht in der Lage dazu. Aber ich muss es tun, denn ich muss das Geschäft leer kriegen. Es steckt so viel Geld darin. Ich muss zum Abschluss kommen, aber im Moment hatte ich einfach nur die Möglichkeit, zuzumachen.

Auch die Landesregierung ließ sich für das Faschingsfinle gerne von Sellge einkleiden. ©Frederick Sams
Die Kostümverleiherin fand für jeden stets das richtige Gewand. ©VOL.AT

VOL.AT: Ich denke, viele Vorarlberger werden Ihre Entscheidung jetzt, besonders, da es um ihre Gesundheit geht. Sie hatten viele Stammkunden, auch die Landesregierung ließ sich von Ihnen für das Faschingsfinale einkleiden.

Sellge: Ja natürlich, darf ich gar nicht denken, wer alles bei mir war. Aber es ist natürlich die letzten Jahre immer weniger geworden, das muss man auch sagen. Einfach die Idee holen und dann im Onlinehandel einkaufen, das war immer mehr Trend. Was einen natürlich auch kränkt.

VOL.AT: Das Thema Fasching und die zugehörigen Kostüme wird aber auch jetzt nicht so einfach aus ihrem Leben verschwinden – oder?

Sellge: Ehrlich gesagt war es für mich weniger der Fasching, der mich dazu gebracht hat, anzufangen. Natürlich war ich auch immer im Fasching, aber es ist einfach um die Kostüme an und für sich gegangen. Gerade beim Theater, wo man spezielle Kostüme "gebären" musste. (lacht) Das war das Schöne daran. Solange ich es finanziell machen konnte, war es okay. Ich bin ja schon lange in Pension, aber einmal musste es jetzt einfach sein.

Auch ganz ausgefallene bunte Kostüme finden sich in Hard. ©VOL.AT
Ihr Geschäft ist voll mit unterschiedlichen Kostümen. ©VOL.AT

VOL.AT: Wenn man so lange mit Fasching und Kostümen zu tun hat, hat man dann eigentlich auch ein Lieblingskostüm?

Sellge: (lacht) Viele. Das kann ich jetzt wirklich nicht sagen. Nein, das geht nicht, dass ich da ein einziges Lieblingskostüm raussuche.

VOL.AT: Also war es für Sie einfach das Kostüm an sich. Es ist erstaunlich, dass es immer neue Kostüme gibt.

Sellge: Es hat sich auch – muss man sagen – wahnsinnig gewandelt. Das sagen auch Mitarbeiter, die schon vor 30 Jahren mit mir gearbeitet haben und reingeschaut haben die letzten Jahre. Es hat einfach nichts mehr mit dem zu tun, was wir hatten. ES hat sich so gewandelt. Der Großteil kam nicht und hat gesagt: "Wir brauchen ein Kostüm. Was meinst du?", sondern: "Ich habe das im Internet gesehen" oder die neuen Serien und alles.

Da hätte ich so viel Geld hineinstecken müssen, um die neuen Sachen wieder zu haben. Und die kann man auch günstig kaufen im Internet und eventuell wieder zurückschicken. Und bei mir hat man dann wieder nicht gesehen, wie viel Arbeit ich dahinter habe. Und dass ich das alles vorstrecken muss. Das gehört ja alles mir, jede Verkaufssache, jeden Schmink-Tiegel habe ich ja gezahlt. Da ist auch irgendwann einmal Ende. Aber nochmal zum Lieblingskostüm, das kann man nicht sagen. Ich habe viele, die ich gar nicht hergeben möchte. Bei denen auch meine Kinder sagen: "Mama, du kannst nicht einfach alles hergeben. (lacht)

Auch VOL.AT schaute gerne bei Sellge vorbei, um die neusten Trends vorzustellen. ©VOL.AT
Auch Masken und Hüte – hier im Steampunk-Look – gab es bei Sellge. ©Roland Paulitsch

VOL.AT: In dem Fall darf man sich, wenn es Ihnen wieder besser geht, darauf freuen, dass Sie bekannt geben, wann der Abverkauf stattfindet.

Sellge: Genau, ja.

VOL.AT: Danke für das Gespräch, ich hoffe, es geht Ihnen bald wieder besser. Gute Gesundheit.

Sellge: Danke auch.

(VOL.AT)

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