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Konkurrent Brodmann war einst der Lehrmeister

Die Geschichten von Joseph Brodmann und Iganz Bösendorfer waren seit jeher eng verwoben - heute sind die beiden Firmen, die ihre Namen tragen, Konkurrenten. Früher Lehrer und Schüler, übernahm Bösendorfer 1828 die Werkstätte seines Meisters. Der Versuch, die Geschichte umzudrehen und gemeinsam fortzusetzen, misslang 2007 beim Bösendorfer-Verkauf an Yamaha.


Heute versucht Brodmann, dem engen Verwandten auch am Profimarkt die Stirn zu bieten. “Die Marke Bösendorfer wird nicht mehr gepflegt”, bescheinigt Christian Höferl, Brodmann-Geschäftsführer – und davor viele Jahre in der Bösendorfer-Chefetage – im Gespräch mit der APA.

Aber von Anfang an: Die Gründung der Firma Bösendorfer vor 185 Jahren war eigentlich eine Übernahme. Ignaz Bösendorfer erhielt die Leitung in der Werkstatt und Produktion der Klaviermanufaktur seines Lehrers Joseph Brodmann. In den ersten zehn Jahren schrieb er unter seinen Namen auf den Klavieren stets in Klammern “vormals Brodmann” dazu – und verwies damit auf den damals noch bekannteren Namen seines Lehrers und auf die Wiener Klaviertradition, die er weltbekannt machen sollte.

Etwa 170 Jahre später besinnt man sich in der inzwischen zum internationalen Player gewordenen Firma Bösendorfer auf diese Anfänge – aus wirtschaftlichen Gründen. “Die Grundidee war, andere Käufergruppen durch eine Zweitmarke im Mittel- und Einsteigersegment anzusprechen”, erinnert sich Höferl, der als Marketingdirektor und internationaler Vertriebsleiter von Bösendorfer damals federführend an der (Re-)Etablierung von Brodmann arbeitete. “Vor allem in Zeiten der Rezession haben wir gemerkt, dass sich selbst gute Unis oft keinen Bösendorfer leisten können – und dann gezwungen sind, auf andere Marken auszuweichen.”

Also konzipierte man unter dem Namen Brodmann ein neues Segment – kurz vor dem Start auf dem Markt, im Jahr 2004, wurde das Projekt seitens der BAWAG eingestellt. “Für uns unverständlich”, so Höferl. Er und sein Team zogen die Konsequenz und verließen das Unternehmen, 2005 wurde Brodmann als eigene Firma gegründet, das Segment vom Mittel- und Einsteigerbereich schon bald auf den Profimarkt ausgeweitet.

Was danach geschah, ging im Jahr 2007 quer durch die Medien: Der Verkaufskrimi rund um Bösendorfer, in dem Brodmann bis zuletzt als klarer Favorit gehandelt wurde, um schließlich doch gegenüber Yamaha den Kürzeren zu ziehen, ist bis heute rätselhaft. “Im November 2007 wurden wir vom BAWAG-Vorstand als Sieger der Ausschreibung genannt. Wir hatten gegen Yamaha gewonnen und sollten in wenigen Stunden den Vertrag unterzeichnen”, erzählt Höferl. Die Übernahme – oder eigentlich die Rück-Übernahme von Bösendorfer durch Brodmann scheint perfekt.

Doch am selben Tag wird dem Käufergespann bei Brodmann zugespielt, dass einer der Hauptvertriebspartner von Bösendorfer, der rund 20 Prozent des Umsatzes verantwortete, in Konkurs gegangen sei. Man fragt bei der BAWAG nach, warnt die eigenen Investoren, verlangt Klärung. Stattdessen erfährt Höferl um sechs Uhr früh von einer Journalistin, dass nun doch Yamaha den Zuschlag erhalten habe. Juristisch hätte man die Entscheidung sicher anfechten können, meint Höferl. “Alle haben uns dazu geraten. Aber das wäre ein klassischer Fall von David gegen Goliath gewesen.”

Dass ein österreichisches Traditionsunternehmen nach Japan verkauft wird, ist im Zeitalter der Globalisierung freilich kein Affront mehr. “Aber es ist schon die Frage, was ich verkaufen möchte: Wenn ich Leiterplatten an den Mann bringen will, ist es vielleicht egal, dass ich den Besitzer in Japan, den Geschäftsführer in England und den Vertriebsleiter in Norddeutschland habe. Aber ein Klavier hat eine Seele – was man da verkauft, hat mit Österreichischer Kultur zu tun.”

Fünf Jahre später zeige sich klar: Yamaha habe Bösendorfer nicht gekauft, um die Marke zu pflegen, sondern um einen Konkurrenten zu schlucken. “Auf den Messen stehen am großen Yamaha-Stand irgendwo seitlich zwei oder drei Bösendorfer-Flügel herum – und die Leute, die dort verkaufen, haben von dem Produkt keine Ahnung.” Dass Bösendorfer mittlerweile auch Materialien der Yamaha-Produktion verarbeitet, wird schon länger gemutmaßt. “Wie weit das geht, und wie zentral diese Teile für das Klavier sind, lässt sich von außen aber schwer sagen.” Dem großen Konkurrenten Steinway habe man es jedenfalls “sehr leicht gemacht”.

Doch zu den Konkurrenten zählt sich mittlerweile auch Brodmann selbst. “Wir entwickeln uns zu einer Marke, die sich mehr und mehr im Premium-Bereich aufstellt.” Bei einigen österreichischen Festivals – etwa in Raiding oder Grafenegg – stattet man die Klavierkonzerte aus, die größten Erfolge verbucht man allerdings im Bereich der Ausbildungsinstitutionen. Erst kürzlich ist das renommierte Moskauer Musikkonservatorium auf Brodmann umgestiegen, generell wächst man am russischen Markt am stärksten. Insgesamt verfügt Brodmann in drei Produktklassen über 18 verschiedene Modelle und produziert 1.200 Stück pro Jahr – je nach Klasse in China, Deutschland und Österreich.

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