Konkreter Zeitplan für geldpolitische Wende in USA

“Sollten unsere Prognosen tatsächlich eintreffen, dann enden die Anleihekäufe Mitte kommenden Jahres. , sagte Bernanke. Die Fed kauft Monat für Monat für 85 Mrd. Dollar (63,4 Mrd. Euro) Staats- und Immobilienpapiere. Bei einer Wirtschaftsentwicklung, wie sie sich die Notenbanker erhofften, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Umfang der Bonds-Käufe noch in diesem Jahr gedrosselt werden könne, sagte Bernanke.
Bisher sind Bernanke & Co. mit der Konjunktur allerdings offenbar noch nicht zufrieden genug. Bei einem zweitägigen Treffen des entscheidenden Offenmarktausschusses (FOMC) änderten sie am Dienstag und Mittwoch weder den Umgang noch das Tempo der Anleihekäufe. Auch den Leitzins, der seit Jahren bei faktisch null Prozent liegt, tasteten sie nicht an. Die große Mehrheit der FOMC-Mitglieder rechnet erst 2015 mit einer Zinsänderung, ein Zentralbanker erwartet diesen Schritt sogar noch ein Jahr später, obwohl die Fed in ihren Konjunkturprognosen insgesamt optimistischer geworden ist.
Vor allem der Arbeitsmarkt – bisher die Achillesferse der weiterhin unter den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise leidenden größten Volkswirtschaft der Welt – soll sich nach den neuen Fed-Prognosen nun um einiges schneller erholen als bisher erwartet. So rechnet Bernanke bereits im kommenden Jahr damit, dass der von der Fed gesetzte Schwellenwert einer Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent für die erste Zinserhöhung nach der Krise bereits im kommenden Jahr erreicht werden könnte.
Bernanke rüttelt Märkte durch – Verkäufe überall
Die Aussicht auf den näher rückenden Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik in den USA hat die asiatischen Finanzmärkte am Donnerstag auf Talfahrt geschickt. Die Ankündigung von Fed-Chef Ben Bernanke, dass die geldpolitische Wende schon dieses Jahr eingeleitet werden könnte, veranlasste Investoren auf breiter Front zu Verkäufen: Aktien, Devisen, Rohstoffe – Anlagen in Schwellenländern kamen auf den Prüfstand. Asiatische Aktien außerhalb Japans erlebten ihre größten Verluste seit mehr als eineinhalb Jahren.
In Tokio schloss der 225 Werte umfassende Nikkei-Index 1,7 Prozent schwächer bei 13.014 Punkten. Der breit gefasste MSCI-Index für asiatische Aktien außerhalb Japans verlor 3,5 Prozent – das war der größte prozentuale Tagesverlust seit November 2011. Die wichtigsten Kreditzinsen in China kletterten auf ein Rekordhoch, die indische Währung dagegen markierte ein Rekordtief. In Australien verlor die Börse gut zwei Prozent. An den meisten Börsen, etwa in Südkorea oder Hongkong, verzeichneten die Indizes Abschläge in dieser Größenordnung.
“Bernanke war expliziter als viele am Markt das erwartet hatten”, sagte Yuji Saito, Devisen-Experte bei Credit Agricole in Tokio. Er geht davon aus, dass der Dollar zum Yen nun anziehen wird. Der Dollar ist bereits spürbar gestiegen auf rund 97 Yen. Der Euro sank auf 1,3261 Dollar nach 1,3295 Dollar im späten New Yorker Handel.
Fed-Chef Bernanke hatte mit seinem Zeitplan für einen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik bereits zuvor an der Wall Street für sinkende Aktienkurse gesorgt. Die wichtigsten Indizes gingen am Mittwoch mit einem Minus von mehr als einem Prozent aus dem Handel.
Gold auf Talfahrt
Signale für ein nahendes Ende der ungebremsten Billiggeld-Flut in den USA haben den Goldpreis massiv unter Druck gesetzt. Am Donnerstag fiel der Preis für eine Feinunze bis auf 1.305 US-Dollar (973,45 Euro) und damit auf den tiefsten Stand seit September 2010. US-Notenbankchef Ben Bernanke hatte die Finanzmärkte am Mittwochabend mit Äußerungen zum möglichen Zeitplan für die Drosselung der milliardenschweren Anleihekäufe in Aufruhr versetzt. Gold wird von vielen Investoren als Inflationsschutz betrachtet und reagiert deshalb stark auf die Geldpolitik der großen Notenbanken.
Auch Europas Aktienmärkte sacken ab
Die europäischen Aktienmärkte haben am Donnerstag im Mittagshandel ihre Vormittagsverluste teilweise erhöht. Der 50 führende Unternehmen der Eurozone umfassende Euro-Stoxx-50 sackte 67,52 Einheiten oder 2,52 Prozent auf 2.616,46 Punkte ab. Der DAX in Frankfurt notierte gegen 13.10 Uhr mit 8.001,53 Punkten und einem klaren Minus von 195,55 Einheiten oder 2,39 Prozent. Der FTSE-100 der Börse London verbilligte sich um 138,51 Zähler oder 2,18 Prozent auf 6.210,31 Stellen.
Obwohl der Konjunkturdatenkalender heute gut gefüllt war, fanden die Zahlen kaum Beachtung, weil an den Märkten weiterhin die Aussagen von US-Notenbankchef Ben Bernanke auf die Kurse drücken, hieß es aus dem Handel. Die Andeutungen eines baldigen Endes des Anleihenkaufprogramms der Fed verunsicherte weltweit die Anleger.
Die Umfragen unter den Einkaufsmanagern in der Eurozone lassen im Juni hingegen auf eine Verlangsamung der Rezession hoffen. Dennoch signalisieren Daten aus der Industrie und von den Dienstleistern, dass der Währungsraum im laufenden Quartal zum siebenten Mal in Folge in der Rezession verharrt, wie aus der Umfrage des Markit-Instituts unter rund 5.000 Unternehmen hervorgeht.
Der Einkaufsmanagerindex für die gesamte Privatwirtschaft stieg im Vergleich zum Mai um 1,2 auf 48,9 Punkte und erreichte das höchste Niveau seit März 2012. Das Barometer blieb aber immer noch unter der Wachstumsschwelle von 50 Zählern.
Von Unternehmensseite gab es dagegen weiter wenig zu berichten. Alle Werte im Euro-Stoxx-50 notierten mit negativem Vorzeichen. Im Sektorvergleich rutschten Auto- und Bankwerte am weitesten ab. BMW übernahmen die rote Laterne im Euro-Stoxx-50 und rasselten um 4,26 Prozent auf 66,83 Euro nach unten. Volkswagen verbilligten sich um 3,79 Prozent auf 153,65 Euro.
Unter den Banktitel verzeichneten Societe General (minus 3,84 Prozent auf 27,70 Euro) die größten Verluste. Deutsche Bank fielen 3,39 Prozent auf 33,24 Euro und BBVA reduzierten sich um 3,19 Prozent auf 6,52 Euro.
(APA)