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Klien: "Die Gründe kenne ich selbst"

Lange hatte er um einen Sitz gepokert, doch wie in den vergangenen drei Jahren steht Christian Klien zu Beginn der Saison 2010 ohne Formel-1-Cockpit da. Seinen letzten von 46 Grand Prix hatte der 27-jährige Hohenemser 2006 bestritten.

Ihre Enttäuschung ist groß gewesen. Wie hoch ist die Chance, in dieser Saison doch noch in ein Formel-1-Auto zu steigen?
Klien:
Es gibt einige Möglichkeiten. Der Fahrermarkt war sehr spät zu. Jetzt sind Fahrer drin, die Geld mitbringen, die aber vielleicht nicht 100-prozentig in die Formel 1 gehören. Sobald sich einige Teams auch finanziell stabilisiert haben, kann sich im Verlauf der Saison oder der nächsten viel ändern. Wenn sich eine Türe auftut, muss man aber auch bereit sein und davor sitzen.

Haben Sie sich im Vertragspoker der letzten Wochen und Monate etwas vorzuwerfen?
Klien:
Wir waren bei drei Teams – Sauber, Renault und ein neues Team – extrem nahe dran. Ich war mir sehr, sehr sicher, dass es klappt. Aber die Gründe kenne ich selbst. Es hat sich mehr oder weniger ums Geld gedreht. Der wirtschaftliche Aspekt ist groß. Ohne Geld kommst du nicht weiter – das ist extrem dieses Jahr.

Renault hat an Ihrer Stelle den Russen Witali Petrow engagiert. In welchen Dimensionen spielt sich so eine Mitgift ab?
Klien:
Das können 5 bis 15 Millionen sein, aber auch weniger. Dazu kommt ja, dass ein Russe einen Riesenmarkt hinter sich hat. Diesen Vorteil hat man als Österreicher nicht.

Widerstrebt das Sich-Einkaufen nicht dem Rennsport-Gedanken?
Klien:
Grundsätzlich will man mit seinem Können überzeugen. Aber wenn man die Chance auf eine Mitgift hat, ist das nie schlecht. Wir waren in den vergangenen Jahren von den vielen Werken verwöhnt, die das Budget gedeckt haben. Vor 20 Jahren hat es aber auch nur drei Topteams gegeben, alle anderen hatten Bezahlfahrer. Die Autos sind nicht gerade vollgepflastert mit Sponsoren. Die Budgets sind nur noch ein Drittel von vor fünf Jahren.

Wie erhält man nach all den Jahren des Wartens auf ein Cockpit die Motivation aufrecht?
Klien:
Damit habe ich bisher nie ein Problem gehabt. Mein Ziel war Bahrain. Jetzt nicht zu den ersten Rennen zu fliegen, ist sehr, sehr hart. Als Testfahrer ist man zwar am nächsten an einem Einsatz dran, diese Chance habe ich aber nie bekommen. Irgendwann muss man sich ein Limit setzen für die Formel 1. Mit 27 Jahren und meiner Erfahrung ist das aber noch lange kein Thema.

Sie waren Ersatzfahrer bei BMW-Sauber. Warum hat es trotzdem nicht geklappt und was trauen Sie dem Nachfolger zu?
Klien:
Ich war zwei Jahre dort, jetzt steht das Team vor einer neuen Situation. Ich habe mich dort absolut verstanden gefühlt, war immer schnell. Die Mentalität, die Sprache, alles hätte gepasst. Es war ein ähnlicher Punkt wie bei den anderen Teams. Generell denke ich, dass sie ein gutes Auto haben, es wurde noch von BMW gebaut. Sauber hat jetzt aber ein sehr kleines Budget.

Wie würden Sie das Kräfteverhältnis vor Saisonstart generell einschätzen?
Klien:
Ich war nie vor Ort, aber bei den Tests hat man schon gesehen, dass die vier Topteams – Ferrari, McLaren, Red Bull und Mercedes – vorne waren. Dahinter kommt ein Mittelfeld mit Williams, Renault und Toro Rosso. Den Neueinsteigern fehlen derzeit noch 3,5 bis 4,5 Sekunden pro Runde.

Wie wirken sich die größeren Spritmengen aus?
Klien:
Das Fahrverhalten ist ganz anders. Statt 80 kg hat man zu Rennbeginn 170 kg mit an Bord. Das ist ein großer Unterschied. Das Auto wird träger, die Bremspunkte sind früher. Auch der Radstand muss durch den größeren Tank erhöht werden. Die Rundenzeiten am Anfang der Rennen werden drei Sekunden langsamer, eine spritsparende Fahrweise könnte wichtig sein. Die Aerodynamik ist dafür praktisch gleich. Die Änderungen im Reglement waren von 2008 auf 2009 dramatisch größer. Prinzipiell hat der Fahrer wieder mehr Anteil am Erfolg.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund das Comeback von Michael Schumacher? Geht er nicht das Risiko ein, an seinem eigenen Denkmal zu rütteln?
Klien:
Er hat nie wirklich aufgehört mit dem Motorsport, ist Motorrad gefahren. Man hat gemerkt, dass ihm etwas fehlt. Den möglichen Misserfolg hat er im Kopf sicher durchgespielt. Aber er weiß, wo er beginnt. Er muss mit seiner Leistung zufrieden sein, nicht die Öffentlichkeit. Die Frage ist zwar, ob er mit 41 die letzten fünf bis zehn Prozent an Aggressivität mitbringt, die etwa ein Sebastian Vettel mit 23 noch hat. Dem stehen aber seine Erfahrung und sein technisches Verständnis gegenüber. Da können ihm nicht viele das Wasser reichen.

Wer wird Formel-1-Weltmeister 2010?
Klien:
Fernando Alonso. Er ist zu 100 Prozent hungrig. Renault war für ihn nur eine Warteposition auf ein Topteam. Der nützt diese Chance bestimmt. Von der Mentalität her passt er sehr gut nach Italien und zu Ferrari. Und fahrerisch ist das sowieso keine Frage.

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