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Kleinkind vor 14 Jahren zu Tode gequält: Freispruch beim Prozess in Wien

Der Angeklagte wurde am Donnerstag freigesprochen.
Der Angeklagte wurde am Donnerstag freigesprochen. ©APA
Einen 13 Monate alten Buben soll der Angeklagte (45) vor 14 Jahren zu Tode gequält  haben - so lautete der Vorwurf bei dem Prozess in Wien am Donnerstag. Da man aber nicht mit Sicherheit sagen könne, dass ihm die tödlichen Verletzungen tatsächlich durch den Angeklagten zugefügt worden waren, endete der Prozess mit einem Freispruch und Tränen der Erleichterung des 45-Jährigen. Er soll noch am Abend freigelassen werden.
Angeklagter nicht geständig
Bilder vom Prozess

Mit einem Freispruch im Zweifel ist am Donnerstagabend im Wiener Straflandesgericht der Prozess gegen Ramiz K. zu Ende gegangen, dem vorgeworfen worden war, vor fast 14 Jahren den 13 Monate alten Buben seiner damaligen Lebensgefährtin derart schwer misshandelt zu haben, dass Mirel ins Koma fiel und zwei Tage nach seiner Aufnahme im Preyer’schen Kinderspital starb.

Angeklagter: “Bub war anstrengend”

Ramiz K., der 1998 in Folge der Kriegswirren im ehemaligen Jugoslawien nach Österreich gekommen war, hatte Mirels Mutter Anfang 1999 kennengelernt. Im März zog er bei ihr ein. Wenn die Bedienerin und Kellnerin arbeiten ging, passte er auf das Kleinkind auf. Der Bub sei “anstrengend” gewesen, habe oft geweint und Fieber gehabt, erklärte der Angeklagte: “Gesundheitlich war er immer schwach. Daher hat ihm die Mutter immer Tabletten und Zäpfchen gegeben.”

Er selbst habe Mirel behandelt, “als ob er mein Sohn wäre”, betonte der Mann. Er habe ihn nie – wie ihm unterstellt wurde – geschlagen, mit Nadeln gestochen oder mit Zigaretten verbrannt. Er habe mit dem Ableben des Kindes nichts zu tun: “Ich habe nie etwas gemacht.”

Vor 14 Jahren starb Mirel

Die Mutter des Kleinen hatte diesen am späten Abend des 12. April 1999 mit einem Herz- und Atemstillstand ins Preyer’sche Kinderspital gebracht, nachdem Ramiz K. sie an ihrem Arbeitsplatz angerufen und nach Hause gebeten hatte, weil er befürchtete, Mirel liege im Sterben. Bei seiner stationären Aufnahme befand sich der Bub im Koma, aus dem er nicht mehr erwachte. Er starb am 14. April 1999.

Bei der Obduktion wurden insgesamt 30 Knochenbrüche – darunter eine Sprengung der Brustwirbelsäule und Serienrippenbrüche -, ein Gehirnödem, Brand-und Stichwunden, eine Überdehnung des Anus, ein Einriss am Darmausgang und Verletzungen am Genital festgestellt. Der Gerichtsmediziner Johann Missliwetz konnte nachweisen, dass die massiven Verletzungen von mindestens vier verschiedenen Attacken herrührten, wovon er jene, die zu einem Schädel-Hirn-Trauma führte, auf eine bis sechs Stunden vor der Spitalseinlieferung festlegte. Mirel war um 23.30 Uhr ins Spital gekommen. Um 21.10 Uhr hatte ihn Ramiz K. von der Mutter zur Beaufsichtigung übernommen.

Andere Übergriffe grenzte Missliwetz auf sieben bis zehn Tage vor der Spitalsaufnahme ein, während allerdings rund die Hälfte der Verletzungen dem Gutachter zufolge “zehn bis zwölf Wochen oder älter waren”. Damit schied Ramiz K. für diese Übergriffe als Täter aus, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht bei Mirels Mutter wohnte.

Angeklagter freigesprochen

“Das Beweisverfahren hat nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit ergeben, dass der Angeklagte dem Kind diese Verletzungen zugefügt hat”, stellte die Vorsitzende des Schöffensenats, Stefanie Öner, am Ende des Beweisverfahrens vor allem unter Berufung auf die Erkenntnisse des Gerichtsmediziners fest.

Die alten Verletzungen hätten den frischen “sehr stark geähnelt”, sagte Öner. Die älteren wären dem Kind “vermutlich von der Mutter oder jemand anderem zugefügt worden”. Es sei “nicht ersichtlich, weshalb der Angeklagte dieses Verhalten fortsetzen hätte sollen. Er hatte dafür kein Motiv”.

Mutter des Kleinkinds verurteilt

Mirels Mutter war bereits im August 1999 wegen Kindesmisshandlung zu fünf Jahren unbedingter Haft verurteilt worden – allerdings als Beitragstäterin, weil sie nach übereinstimmender Ansicht der Staatsanwaltschaft und des Gerichts “weggesehen” hatte, während Ramiz K. der Justiz damals als der eigentliche Täter galt. Im Licht der heutigen Entscheidung eine Fehleinschätzung, denn Richterin Öner fand sogar den Umstand “nachvollziehbar”, dass sich der Kosovo-Albaner einen Tag nach Mirels Aufnahme im Krankenhaus nach Albanien abgesetzt hatte, um dort – wie er heute erklärte – seine Familie zu suchen. Das sei “durchaus verständlich, wenn man die damaligen Kriegswirren berücksichtigt”, so Öner.

Ramiz K. hatte nach der Unabhängigkeit des Kosovo dort ein neues Leben begonnen, eine Familie gegründet und zuletzt als Busfahrer gearbeitet. Im Juli 2012 wurde er nach langwierigen Ermittlungen des Bundeskriminalamts ausgeforscht, verhaftet und der heimischen Justiz ausgeliefert. Nach mehrmonatiger U-Haft und am Ende einer langen Gerichtsverhandlung wurde der bisher unbescholtene Mann freigesprochen. “Die Mutter wurde zur Verantwortung gezogen. Mehr war hier leider nicht zu erbringen”, kommentierte die vorsitzende Richterin diesen Verfahrensausgang. (APA)

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