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Klangkünstlerin Susan Philipsz stellt in Bregenz aus

"Susan Philipsz: Night and Fog" im Kunsthaus Bregenz
"Susan Philipsz: Night and Fog" im Kunsthaus Bregenz
Die Melancholie spielt im Werk der Turner-Preisträgerin Susan Philipsz eine bedeutende Rolle. Erfahrbar wird sie auch in der ersten österreichischen Einzelausstellung der schottischen Klangkünstlerin im Kunsthaus Bregenz (bis 3. April). Sie basiert auf Hanns Eislers Filmmusik zu Alain Resnais Dokumentarfilm über den Holocaust, "Night and Fog", der auch Namensgeber der Ausstellung ist.


Jeder Ton einer Klarinette trifft den Zuhörer unerwartet aus einer anderen Ecke des Raumes im ersten Obergeschoß des Kunsthauses Bregenz (KUB). Drückend sind die Klänge, traurig und gleichzeitig gespenstisch, wie sie an den grauen Betonmauern des von Peter Zumthor gestalteten Hauses widerhallen. Dazwischen Lücken und Stille, dann wieder einzelne melancholische Töne, die aus dem oberen und unteren Stockwerk in den Raum dringen. Gefühle von Einsamkeit und Undeutlichkeit steigen auf.

Und genau das will Susan Philipsz mit ihrer Soundinstallation im KUB provozieren. “Eine einzelne körperlose Stimme in einem öffentlichen Raum kann ein merkwürdiges Gefühl beim Zuhörer auslösen, vor allem wenn er nicht damit gerechnet hat. Es ist wie sich einsam fühlen in einer Menschenmenge”, erklärte die schottische Künstlerin mit Berliner Wohnsitz bei der Presseführung zur Ausstellung “Night and Fog (Nacht und Nebel)” am Mittwoch. In Bregenz will sie Aspekte wie Verschwinden oder Abwesenheit thematisieren. Als Grundlage stützt sie sich dabei auf den französischen Dokumentarfilm “Nuit et Brouillard ” von Alain Resnais aus dem Jahr 1955, der erstmals die Deportationen in die Konzentrationslager Auschwitz und Majdanek rekonstruierte.

Wie in vielen ihrer Klangwerke hat Philipsz die Komposition Eislers in die einzelnen Stimmen der Instrumente zerlegt, jeden einzelnen Ton separiert, lässt Lücken entstehen. Was sie damit erreicht, ist eine fast skulpturale Präsenz, inspiriert auch vom Ort der Ausstellung und der Geschichte der Region. “Sie hören hier nicht nur Musik in einem Raum, sondern auch den Raum in der Musik. Nicht nur den physischen, sondern auch den Raum der Erinnerung, den Raum der politischen und regionalen Geschichte”, bringt KUB-Direktor Thomas D. Trummer die Intention seiner ersten selbst programmierten Schau auf den Punkt.

Berührt habe sie für ihre Installation vor allem die Atmosphäre, die der Bodensee im Winter mit seinem Nebel und Dunst in den Räumlichkeiten des KUB entstehen lasse, das Licht, das im Laufe des Tages immer wieder wechsle und den Raum in eine andere Stimmung tauche, sagte Philipsz, die ihre Kunst generell ortsbezogen verstanden wissen will. “Auch die Akustik ist sehr besonders”, betonte die Künstlerin. Als “magisch” bezeichnete sie die steilen Stiegenaufgänge. Hier würden sich die Klänge der Stockwerke vermischen und man werde sich seines eigenen Atems bewusst. Dieser habe eine große Bedeutung in ihrer Soundinstallation, denn jeder Ton sei einzeln aufgenommen worden. “So scheint es, als würde das ganze Gebäude atmen”, führte Philipsz aus.

Die von der Künstlerin bearbeitete und arrangierte Komposition umfasst im KUB vier Teile, die je einem Stockwerk zugeordnet sind. Aus insgesamt 48 Lautsprechern, je zwölf pro Geschoß, erklingen einzelne Tonspuren. Im ersten Stock sind zudem die Titelseiten zu Eislers-Manuskripten zu “Nuit et Brouillard” in Großformat zu sehen. Darüber hat die Künstlerin einen grauen Schleier wie Nebel gelegt. Im zweiten Obergeschoß finden sich zu den Klängen von Trompete und Horn Bilder von im zweiten Weltkrieg beschädigten Instrumenten, die Philipsz bereits im Frühling 2015 im Theseustempel in Wien oder derzeit in den Duveen Galleries der Tate Britain in London zu Themen von Klanginstallationen gemacht hat. Im dritten KUB-Stockwerk schließlich empfangen den Besucher neben den Tonspuren einer Violine große Bilder der Partituren Eislers überlegt mit zum Teil geschwärzten Auszügen aus den FBI-Akten über den Komponisten, der in den USA als Kommunist unter Verdacht stand.

Den fünften Teil des “Night and Fog”-Arrangements, den Teil der Flöte, lässt die Künstlerin über dem am Ortsrand von Hohenems auf einem steilen Hang liegenden Jüdischen Friedhof erklingen. “Durch die Platzierung eines der Segmente zwanzig Kilometer von KUB entfernt werden Aspekte wie Trennung und Distanz betont”, erklärte Philipsz. Gleichzeitig entstehe dadurch aber auch eine unmittelbare Verbindung.

(S E R V I C E – “Susan Philipsz: Night and Fog”, Ausstellung im Kunsthaus Bregenz und am Jüdischen Friedhof Hohenems, 30. Jänner bis 3. April, Eröffnung: Freitag, 29. Jänner, 19 Uhr; Di bis So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr; www.kunsthausbregenz.at)

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