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Klagenfurt: Schwere Geburt eines Wahrzeichens

Rund 60.000 Kubikmeter Erde sind im Zuge des Neubaus des Klagenfurter EM-Stadions von Baumaschinen bewegt worden.

Gehörig Staub aufgewirbelt wurde jedoch schon lange vor dem Spatenstich am 11. Jänner 2006. Verfassungsgerichtshof (VfGH), Unabhängiger Verwaltungssenat (UVS) und selbst die EU-Kommission wurden mit Unklarheiten rund um die Ausschreibung und Vergabe des Bauprojektes konfrontiert. Am 7. September sind jetzt erstmals Sportler im neuen – 66,7 Mio. Euro teuren – Wahrzeichen Klagenfurts am Zug.

Arena im Sumpfgebiet
Die Sportarena wächst just in jenem ehemaligen Sumpfgebiet aus dem Boden, wo der Legende nach der Klagenfurter Lindwurm – das bisherige Wahrzeichen der Stadt – gehaust hatte. Der nach wie vor sumpfige Untergrund verlangte von den Architekten, Stabilität in Form von 4.200 Stück 16 Meter langen Piloten zu schaffen. Als Suche nach Stabilität in einem Sumpf gestaltete sich letztendlich auch die Entstehungsgeschichte der Sportarena.

Stadtväter, Justiz und Politik
Das Thema beschäftigte die Stadtväter, die Landespolitik und auch die Justiz seit dem 7. März 2001. Damals wurde Klagenfurt offiziell als Spielort für die EURO 2008 genannt. Die Stadtregierung entschloss sich, ein neues Stadion zu bauen. Das erste konkrete Projekt wurde Ende September 2001 vorgestellt. Die Strabag plante ein multifunktionales Stadion, das flugs vom Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (damals F) und der damaligen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (F) präsentiert wurde.

Das Strabag-Projekt wurde jedoch vom Klagenfurter Gemeinderat abgelehnt. Der Kärntner Baukonzern war erstmals verärgert, immerhin hatte man eigenen Angaben zufolge 720.000 Euro investiert. Danach schlief die Debatte um das Stadion für einige Monate ein.

Im Dezember 2002 wurde dann der Zuschlag für die EURO 2008 an Österreich und die Schweiz erteilt. Wenige Monate später, am 20. Juni 2003, teilte ÖVP-Bürgermeister Harald Scheucher mit, dass die Stadt nicht das Geld habe, um den teuren Rückbau des Stadions nach der EM zu finanzieren. Ein Nicht-Rückbau hätte aber die laufenden Kosten explodieren lassen und kam für Scheucher damals nicht infrage.

Fragwürdige Bonität
Wenig später präsentierte der damalige FPÖ-Vizebürgermeister und Koalitionspartner Scheuchers, Mario Canori, das Projekt der deutschen Arena AG samt Sponsorfirma. Diese wolle das Stadion zur Gänze auf eigene Kosten errichten, hieß es. Die Bonität des Projektwerbers entpuppte sich jedoch als fragwürdig. Im November 2003 waren vom Gemeinderat geforderte Garantien noch immer nicht da. Scheucher verkündete daher, die Stadt werde das Stadion selbst bauen. Am 18. November schrieb das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau das Projekt aus.

Erste Klage 2004
Ende Jänner 2004 gab es die erste Klage. Heimische Architekten fühlten sich bei der Ausschreibung benachteiligt, ihr Einspruch wurde aber abgelehnt. Am 29. Oktober endete die Angebotsfrist, sechs Bietergemeinschaften hatten Projekte eingereicht. Zwischendurch drohte Landeshauptmann Haider mit dem Ausstieg des Landes wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in der Ausschreibung. Das Verfahren wurde aber fortgesetzt.

Im Februar 2005 wurden dann alle sechs Projekte in der Gratiszeitung „Kärntner Woche“ öffentlich gemacht, ein Abbruch des Verfahrens und damit ein Platzen des gesamten Projekts drohte. Erneut mussten Experten an die Arbeit, sie empfahlen die Fortsetzung des Verfahrens. Die Streitparteien verlagerten anschließend ihre Aktivitäten in Richtung Justiz, es hagelte Anzeigen, am Schluss behauptete Haider, er und 30 weitere Kärntner Freiheitliche würden vom Innenministerium illegal abgehört.

Porr/Alpine als Sieger
Am 7. März 2005 wurde schließlich trotz aller Turbulenzen die Bietergemeinschaft Porr/Alpine zum Sieger gekürt. Die Strabag und Swietelsky Bau erhoben sofort, die anderen drei Mitbieter etwas später Einspruch. Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Kärnten stoppte per Einstweiliger Verfügung das Verfahren. Danach erklärten sich UVS und Bundesvergabeamt für unzuständig, Scheucher erteilte der Porr/Alpine den Zuschlag. Letztendlich entschied der von Porr/Alpine angerufene VfGH am 10. November 2005, dass doch der UVS zuständig sei.

Strabag wollte Schadenersatz
Inzwischen hatte die Strabag jedoch Schadenersatzforderungen angemeldet und auch die Europäische Kommission angerufen. Diese stellte das Verfahren nach mehrmonatiger Prüfung Anfang April 2006 ein. Die aufgeworfenen Fragen seien bereits durch die Gerichtsentscheidungen auf nationaler Ebene geklärt worden. Wenige Tage später zog die Strabag ihren Einspruch beim UVS zurück. Damit waren auch sämtliche Schadenersatzforderungen vom Tisch.

Seither wurde in Klagenfurt-Waidmannsdorf auf Hochtouren gebaut. Trotz des milden Winters 2006/2007 dauerten die Arbeiten bis knapp vor die Eröffnungsfeierlichkeiten an. Zuletzt liefen die Baumaschinen rund um die Uhr, die Bestuhlung des Stadions wurde aber trotzdem nicht fertig. Statt der geplanten 32.000 Sitzplätze stehen für die Eröffnung lediglich 25.000 zur Verfügung.

Rückbau?
Die Entscheidung, ob das Stadion nach der EURO 2008 auf etwa 15.000 Sitzplätze rückgebaut wird, kam unterdessen auch wieder ins Wanken. Während für Scheucher ein Nicht-Rückbau 2003 noch undenkbar war, plädierte er jüngst wegen der „architektonischen Besonderheit“ öffentlich für die Beibehaltung des Großstadions.

Streit über Baukosten
Zu allem Überfluss kam es eine Woche vor dem Eröffnungsländerspiel zu Auffassungsunterschieden über die laufenden Baukosten zwischen Scheucher und seinem Finanzstadtrat und ÖVP-Parteikollegen Walter Zwick. Während Zwick von Mehrkosten in der Höhe von etwa 5 Mio. Euro sprach, beteuerte Scheucher, dass die anvisierten Baukosten von 66,7 Mio. Euro nicht überschritten würden. Weitere Zwistigkeiten um das Großprojekt scheinen somit vorprogrammiert.

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