Als Iskender Iscakar im Dezember 2023 zum ersten Mal in Osch landete, zeigte das Thermometer minus 21 Grad. Es war der Auftakt zu einem Abenteuer, das sein Leben verändern sollte. Heute trainiert der gebürtige Feldkircher bei plus 41 Grad junge Fußballtalente in Zentralasien – fernab seiner Familie in Vorarlberg.

Vom Versicherungskaufmann nach Zentralasien
Seine Trainerkarriere begann Isky im Jahr 2007 beim SK Meiningen. Über die Vorarlberger Fußballakademie und den FC Lustenau landete der Vollblut-Trainer im Jahr 2021 bei der Frauenmannschaft des SCR Altach. Nach einer halben Saison zog er sich zunächst aus dem Trainergeschäft im Profibereich zurück – erst ins Versicherungswesen, dann ins Ausland.
Sein Sprung ins 5000 Kilometer entfernte Kirgistan kam über einen alten Freund zustande: Alexander Bauer. Die beiden absolvierten mehrere Trainerkurse gemeinsam und ließen den Kontakt nie abbrechen. "Er hat schon öfters probiert, mich zu sich zu holen, um gemeinsam zu arbeiten. Ich habe immer abgelehnt, weil meine Kinder noch zu klein waren", verrät der 51-Jährige.


Bauer ging im Herbst 2023 als Technischer Direktor der Nachwuchsabteilung und U15-Teamchef zum kirgisischen Fußballverband. Bei einem Telefonat meinte Iscakar scherzhaft: "Nimm mich doch mit!" Worauf Bauer antwortete: "Ja, warum glaubst du, rufe ich dich an?" Für Bauer war Isky die perfekte Besetzung, da die Sprache und die Kultur von Kirgistan der türkischen sehr ähnlich sind.

Ein System im Aufbau
Osch, mit rund 370.000 Einwohnerinnen und Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kirgistans, ist heute Iskys neuer Lebensmittelpunkt. Als Technischer Direktor der Fußballakademie Asylbek Momunovs verantwortet er die Ausbildung von über 950 Spielerinnen und Spielern – von Breiten- bis Leistungsfußball.
"Als ich zur Akademie kam, hatten sie neun oder zehn Bälle pro Jahrgang, aber 110 Spieler", erinnert er sich. Vieles sei spartanisch gewesen – marode Gebäude, kaum Ausrüstung. Doch mittlerweile gibt es neue Stadien, Kunstrasenplätze in jeder Region und ein wachsendes Netzwerk zur Trainerausbildung, für das Isky ebenfalls zuständig ist.
Er erzählt, dass das System etwas anders sei als in Österreich: "Die Trainer sind hier hauptberuflich angestellt und werden danach bezahlt, wie viele Spielerinnen und Spieler sie betreuen."

Fußballbegeisterung trifft Pioniergeist
Auch im kirgisischen U17-Nationalteam ist Isky aktiv – als Co-Trainer an der Seite von Bauer. Erst am Montag kehrte er von einer Nationalteamreise zurück. Auf dem Programm standen zwei Testspiele gegen Bahrain.
Die beiden Österreicher teilen das Land: Bauer sichtet Talente im Norden, Iscakar im Süden. "Die Leute sind fußballverrückt", sagt er. "Zu Nachwuchsspielen kommen bis zu 15.000 Zuseherinnen und Zuseher."

Das fußballerische Niveau? "Die besten Teams hier sind in etwa auf dem Level der Top 3 der österreichischen Regionalligen", schätzt der 51-Jährige.

Zwischen WhatsApp-Verträgen und anfänglichen Kopfschmerzen
Der Kulturschock war auch für Isky real: Verkehrsregeln gelten in Osch eher nur auf dem Papier, Verträge werden per WhatsApp oder Instagram abgewickelt. "Aber das Wasser hier ist wie in Vorarlberg – wir trinken es direkt aus dem Hahn", sagt er.
Große Umstellungen waren auch die Höhenlage – 90 Prozent des Landes liegen über 1500 Metern – und die extremen Temperaturen. "Am Anfang hatte ich oft Kopfschmerzen aufgrund der Höhe", erinnert sich Isky an seine ersten Wochen in Kirgistan zurück.


Gutes Essen, aber die Familie fehlt
Während es bei seinem ersten Besuch in Kirgistan minus 21 Grad hatte, hatte es während des Telefonats mit VOL.AT plus 41 Grad. Das kirgisische Essen gefällt ihm dafür sehr gut: viel Reis, Kartoffeln, mit asiatisch-russischem Einfluss. Auch die Gastfreundschaft der Einheimischen schätzt Isky an seiner Wahlheimat.
Was fehlt? Seine Familie. Seine drei Kinder leben in Feldkirch, seine Mutter ist im Pflegeheim in Götzis. "Es gibt viele Momente, in denen ich sie vermisse", sagt er offen.

Wie lange bleibt er noch?
Sein Vertrag in Kirgistan läuft bis Ende Dezember. Ob es darüber hinaus weitergeht, hängt vom sportlichen Erfolg ab. "Wenn wir uns mit dem U17-Nationalteam am 30. November nicht für die Asienmeisterschaft qualifizieren, bin ich am 1. Dezember vermutlich wieder in Vorarlberg", sagt Iscakar.
Und doch: Er sieht enormes Potenzial. Nicht nur im Sport, sondern auch für sich selbst. "Für mich ist das ganze Abenteuer sensationell und eine unheimliche Erfahrung, die ich machen darf."
(VOL.AT)