Kirche muss man gestalten

Die meisten sind ja jetzt auf Urlaub. Aber Hilde Gerstenbrand hat alle Hände voll zu tun. Im Pfarrsaal von Bregenz St. Gebhard lehnt ein Schminkspiegel an der Wand. Abends kommen Ehrenamtliche, um eine ordentliche Jause herzurichten für die Kinder, die bis zum 6. Jänner in die Gewänder von Caspar, Melchior und Balthasar schlüpfen. 52 Kinder sind als Sternsinger unterwegs, und anders als in früheren Jahren „auch ganz viele Buben“. Jede der 13 Gruppen begleitet eine Mutter oder ein Vater. Hilde Gerstenbrand hat das alles organisiert.
„Lockangebote“
Seit 1999 arbeitet die gebürtige Steirerin als pastorale Helferin in der Bregenzer Vorstadtpfarre. Das erfordert Engagement und viel Phantasie. Wenn am Neujahrstag etwa um 10 Uhr die Glocken zum Gottesdienst rufen, während das halbe Land noch den Silvesterkater auskuriert, stehen die Ministranten von St. Gebhard da wie eine Eins. Kunststück: Nachher lädt sie Hilde Gerstenbrand in den Fastfoodtempel McDonalds auf ein Frühstück ein . . . Eigentlich ist sie ja ausgebildete Einzelhandelskauffrau. „Am 10. Oktober hab ich meine Gesellenprüfung abgelegt“, erzählt sie, „am 15. hab ich bereits die Steiermark verlassen in Richtung Vorarlberg.“ Eine Freundin holte die Riegersburgerin in den äußersten Westen der Republik. Hier hat Hilde Gerstenbrand ihren Mann kennengelernt. Hier kamen ihre vier Kinder zur Welt. Dass sie ab 1999 für die katholische Kirche tätig ist, wurde eigentlich schon in Riegersburg grundgelegt. „Ein sehr intensives Pfarrleben“ hat sie dort als Kind und Jugendliche genossen. Von Vorarlberg aus hat sie nebenberuflich den Theologischen Fernkurs besucht, der in zweieinhalb Jahren Grundlagen in allen Fächern wie etwa Pastoral- und Fundamentaltheologie, Kirchengeschichte und Liturgie schafft. Nach Abschluss einer pädagogischen Zusatzausbildung begann sie 1999, an der Volksschule Schendlingen Religion zu unterrichten und erlebt seither als pastorale Helferin in der Pfarre „ein ständiges Geben und Nehmen“. Sie liebt ihre Arbeit, das spürt man. Auch der Umstand, dass ihr Mann vor Jahren am 15. Dezember ganz plötzlich im Schlaf gestorben ist, hat ihre religiöse Basis nicht nachhaltig erschüttert. Freilich, die Trauerarbeit dauert, zunächst im Trubel der Ereignisse zu kurz gekommen, bis heute an.
Seelsorge tut not
Die Pfarre St. Gebhard zählt 5400 Pfarrmitglieder, „als ich ehrenamtlich anfing, waren es noch 8000.“ Die Achsiedlung, Vorarlbergs größtes zusammenhängendes Wohnprojekt, zählt zum Einzugsgebiet. Zahlreiche Muslime leben hier. Die Not der Menschen wächst. Das kann Gerstenbrand schon an den Kindern ablesen. „Die haben oft keine Ansprechpartner mehr.“ Den Erwachsenen geht es nicht besser. Deshalb fände Hilde Gerstenbrand es grundverkehrt, wenn die Kirche sich ausgerechnet jetzt zurückzöge. „Die Laien sollten mehr zu sagen haben.“ Der Zölibat der Priester sollte auf Freiwilligkeit beruhen. Die Bregenzer Stadtpastoral, die am 19. Jänner in die nächste Runde geht, soll das seelsorgliche Angebot erweitern und nicht einschränken. Das wären so ihre Wünsche für das kommende Jahr 2012.
Zur Person
Hilde Gerstenbrand betreut u. a. die Sternsinger von Bregenz St. Gebhard
Geboren: 12. Februar 1954 in Riegersburg
Ausbildung: Lehre als Einzelhandelskauffrau
Laufbahn: Bis 1974 in der Bäckerei Kloser und im Forum, dann erstes Kind. Ab 1999 pastorale Helferin in Bregenz St. Gebhard
Familie: verwitwet, vier Kinder