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Kindlich, komisch, klug - "Zauberflöte" im Theater an der Wien

Er hat sie alle zurück ins Kinderzimmer geschickt: Tamino und Pamina, Papageno und Papagena, selbst Sarastro ist nur von Plüschlöwen flankiert.

Achim Freyers Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts “Zauberflöte” hielt Sonntagabend im Theater an der Wien alles bereit, was groteske Kinderängste unter der Bettdecke bereithalten. Aber auch mit gezielter Komik hat der Brecht-Meisterschüler ins schwarze getroffen. Danebengeschossen hat Dirigent Sean-Christophe Spinosi, der das letztendlich vom Publikum auch zu spüren bekam. Sängerisch war diese zum Schluss doch noch bejubelte Produktion ebenfalls Mittelmaß – ohne Grenzen nach unten.

Freud hätte seine Freude mit Freyer gehabt: Drei schlichte an die Wand gemalte Türen im engen Kämmerchen: “Vernunft – Natur – Weisheit” steht darüber, mal öffnen sie sich, mal nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass der Regisseur und bildende Künstler sich der herausfordernden Storyline von Emanuel Schikaneder annimmt. Bereits zweimal hatte er zuvor die “Zauberflöte” inszeniert. Die Produktion im Theater an der Wien war zum ersten Mal 2002 bei den Schwetzinger Festspielen zu sehen.

Dass Freyers Gesamtkunstwerk – er ist auch für Bühnenbild und Kostüme zuständig – an “Alice’s Adventures in Wonderland” erinnert, könnte gewollt sein. Lewis Carrolls opiumgeschwängerter Geniestreich richtet sich wie die “Zauberflöte” ebenso wenig an Kinder, als dass sie die unbearbeiteten Äcker im erwachsenen Publikum kräftig durchwühlt. Die Drei Knaben, dargestellt von Mitgliedern der St. Florianer Sängerknaben, machten dies schon vor Beginn des Stücks deutlich, als sie dem Publikum zuwinkend minutenlang zum Eintritt in den Kosmos der Ohnmächtigen einluden.

Ohnmächtig ist auch Tamino. Er gelangt etwa nicht zur mittleren Türklinke, jener der unbezwingbaren Natur. Die bunten stilisierten Figuren machen es ihm nicht leichter. Priester mit bayerischem Schmäh, drei Damen inklusive Königin der Nacht im Spielzeug-Flugzeug, Sarastro als gelb blinkende Freiheitsstatue und Monostatos als Minstrel-Show-Klischee. Wer hier nicht raus will, ist selber schuld. Ebenfalls schön gezeichnet: Papageno mit Pluderhose und Entenkappe im Kosmos aus Clowns. Die Komik kommt gezielt, die Brecht-Schule beweist sich in der präzisen und nie loslassenden Regie Freyers.

Leider weniger treffischer waren die Stimmen des Abends. Für Höhepunkte sorgten gerade noch einmal Diana Damrau als Pamina und Georg Zeppenfeld als sonorer Sarastro. Shawn Mathey (Tamino) sang sich zumindest sicher aber etwas eitel durch den Abend, Jonathan Lemalu wirkte mit seinem natürlichem Timbre schlicht sympathisch. Fast stimmlos hingegen: Karl-Michael Ebner als Monostatos, Gabriela Bone als Papagena und Sen Guo als Königin der Nacht. Letztere wurde bei den Koloraturen von der Musik überholt.

Kein glückliches Händchen hatte Dirigent Spinosi, der schon nach der Pause einige Buh-Rufe entgegengeschleudert bekam. Er hatte sich in einer brachial-romantischen Version der “Zauberflöte” verstiegen und konterkarierte Freyers feines Kammerspiel mit unsicher rasenden Tempi und teils dröhnendem Blech. Die Wiener Symphoniker spielten widerwillig mit, der Arnold Schoenberg Chor war um differenzierten Ausgleich bemüht – vergebens.

Am Ende wurde Freyers ausgeklügelte Produktion dennoch zu Recht gefeiert, auch wenn sich der Regisseur selbst zuerst gar nicht zum Schlussapplaus auf die Bühne getraut hatte. Dirigent Spinosi schon eher. Der trotzte den “Buh”-Rufen mit einem Grinsen, wie nach der Verbannung ins Kinderzimmer.

“Die Zauberflöte” von Wolfgang Amadeus Mozart im Theater an der Wien:
Regie: Achim Freyer, Musikalische Leitung: Jean-Christophe Spinosi; Mit: Georg Zeppenfeld (Sarastro), Sen Guo (Königin der Nacht), Diana Damrau (Pamina), Shawn Mathey (Tamino), Gabriela Bone (Papagena), Jonathan Lemalu (Papageno), Karl-Michael Ebner (Monostatos) u.a.; Wiener Symphoniker, Arnold Schoenberg Chor, Koproduktion mit der Sächsischen Staatsoper Dresden, Opéra National du Rhin und den Schwetzinger Festspielen.

Weitere Aufführungen:
12., 14., 17. und 19. August 2008, 19.00 Uhr, Karten: 01 / 58885, www.theater-wien.at)

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