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Kickl liegt aus Prinzip daneben

©APA/ROLAND SCHLAGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Wie schon in der Pandemie muss der FPÖ-Chef auch beim Krieg in der Ukraine eine „andere“ Position einnehmen. Wobei ihm egal ist, wie sehr er sich dabei blamiert.

Vom Bundespräsidenten abwärts verurteilen das offizielle Österreich und auch die meisten Parlamentsparteien den kriegerischen, völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine scharf, sehen sie die Souveränität und territoriale Integrität des Landes eklatant verletzt. Und selbstverständlich appellieren sie an den Aggressor, Präsident Wladimir Putin, den Angriff sofort zu stoppen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Einzig FPÖ-Chef Herbert Kickl tut das allenfalls nur schaumgebremst und sagt lieber: „Neutralität ja, Parteilichkeit nein.“ Für ihn würde selbst die Teilnahme an Sanktionen gegen Russland eine Völkerrechtsverletzung darstellen, wie er in einer Rede vor dem Nationalrat erklärte.

Das ist Unsinn. Man kann dem FPÖ-Chef zunächst einmal Grundsätzliches unterstellen: Er muss aus Prinzip eine andere Meinung vertreten als eine Mehrheit. Wie schon bei seinen Amtsvorgängern gehört das zu seinem Geschäftsmodell. Peinlich ist ihm dabei nichts. Nicht nur, dass er Corona-Maßnahmen ablehnt, er muss zur Bekämpfung einer Erkrankung auch ein Pferde-Entwurmungsmittel empfehlen.

Warum er das tut, ist schnell erklärt: Wenn 70 Prozent für etwas sind, ist es attraktiv, sich um die übrigen 30 Prozent zu bemühen. Damit kam man es sogar zur stärksten Partei bringen. Verwerflich dabei ist, dass inhaltliche Überzeugungen keine Rolle spielen. Es geht schlicht darum, Wähler zu gewinnen.

Bei Russland mag die Sache etwas komplizierter sein, pflegten Freiheitliche doch auch schon freundschaftliche Beziehungen zur Putin-Partei „Einiges Russland“, empfing ihre damalige Außenministerin Karin Kneissl den Präsidenten vor drei Jahren sogar privat auf ihrer Hochzeit. Das Verhältnis hat sich jedoch abgekühlt, ein Kooperationsvertrag ist zwischenzeitlich aufgelöst worden.

Was bleibt, ist ein seltsames Neutralitätsverständnis von Kickl. Er verwechselt es mit Prinzipienlosigkeit. Es dient ihm als Vorwand, sogenannte „Putin-Versteher“ bei Laune zu halten, indem er sich ausnahmsweise einmal zurückhält mit Kritik.

Wie durchschaubar das ist, belegt ein Blick in die Schweiz, wo Neutralität gelebt wird wie in keinem anderen Land der Welt. Für die dortige Völkerrechtlerin Anna Petrig ist klar, dass Russland gegen das Gewaltverbot verstoßen hat. Das sei eine zentrale Regelung des Völkerrechts. Wenn man sich hier nicht positioniere, könnte das bedeuten, dass man diesen Völkerrechtsverstoß gutheißt. Das würde der Neutralität sogar schaden, so Petrig gegenüber dem eidgenössischen Fernsehen SRF. Im Übrigen dürfe sich auch die Schweiz an Wirtschaftssanktionen beteiligen oder sie sogar selber verhängen, ohne ihre Neutralität aufzugeben, so Petrig. Kickl tut wie gesagt so, als wäre dies unmöglich. Aber ihm geht es ja auch nicht um die Sache.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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