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Kickl kann weiterschlafen

©APA/HELMUT FOHRINGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Das Ziel Kanzleramt wird auch durch Karl Nehammer nicht gefährdet. Zumal es dieser ausgerechnet auf eine Neutralitätsdebatte anlegt.

FPÖ-Chef Herbert Kickl hat beste Chancen, nächster Bundeskanzler zu werden. Dass Amtsinhaber Karl Nehammer (ÖVP) diese Woche mehrfach ausgeschlossen hat, mit ihm in einer Regierung zusammenzuarbeiten, ändert nichts daran. Im Gegenteil, Nehammer legt es so an, dass er sich nur auf einen noch größeren Wahlsieg freuen darf.

Die Ausgangslage ist klar: Die FPÖ liegt mit Kickl in sämtlichen Meinungsumfragen weit vorne. Diese sind insofern glaubwürdig, als sie einem Trend entsprechen, der sich bei den vier Landtagswahlen seit dem vergangenen Herbst gezeigt hat. Es gibt immer mehr Zuspruch für die Blauen. Und wenn sie mit einem Radikalen an der Spitze antreten, ist das auch egal. Siehe Udo Landbauer in Niederösterreich.

Angenommen also, an diesem Sonntag würde eine Nationalratswahl stattfinden: Kickl würde gewinnen, in den eigenen Reihen wäre er ein unangreifbarer Superstar. Er würde umgehend mitteilen, dass er sich von Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen Regierungsbildungsauftrag erwartet. Dieser würde zögern.

Sehr viel würde nun von der Person abhängen, die in der ÖVP das Sagen hat: Nach einer krachenden Wahlniederlage muss das nicht unbedingt Karl Nehammer sein. Nehmen wir jedoch an, dass er es sein wird. Seine Optionen werden begrenzt sein: Er kann in Opposition gehen, mit der SPÖ koalieren oder sich auf eine Zusammenarbeit mit der FPÖ einlassen. Genau das wird das mit Abstand attraktivste sein für ihn – und weil die Freiheitlichen Kickl nicht ihm zuliebe fallen lassen werden, wird er letztlich auch in Bezug auf diesen klein beigeben.

Warum? Vollkommen undenkbar ist es für die ÖVP, nicht in der Regierung vertreten zu sein. Sie braucht die Macht, um ihre Klientelpolitik betreiben zu können. Schier unmöglich ist aus ihrer Sicht ein Bündnis mit einer Sozialdemokratie, die sich klar links positioniert.

Doch nicht nur deshalb bleibt eher nur die Option Blau-Türkis übrig: ÖVP und FPÖ ticken unter anderem in Sachen Migrations-, Integrations-, Europa-, Medien-, Gesellschafts- und Justizpolitik ähnlich. Beide neigen zur einer Orbánisierung.

Interessant ist, dass Kickl laut Nehammer jetzt ausgerechnet mit einer Absage an „Sky Shield“, das europäische Luftverteidigungssystem, zu weit gegangen sein soll. Natürlich: Das kann man durchaus so sehen, dass er sich damit zu einem Sicherheitsrisiko für Österreich gemacht hat.

Bei alledem ist aber auch Nehammer ein Sicherheitsrisiko. Indem er nämlich so tut, als sei das Ganze in Bezug auf die Neutralität vollkommen unbedenklich. Das ist es nicht. Es wird von der Ausgestaltung des Systems abhängen. Und davon, was dann im Ernstfall passiert. Aber das ist eine andere Geschichte.

Der Punkt ist: So lange Nehammer eine offene Debatte darüber verweigert, spielt er Kickl in die Hände, der konsequent an der Neutralität festhält und so tut, als würde sie noch den größten Schutz bieten. Das ist zweifelhaft. Es entspricht aber der Sehnsucht einer Mehrheit der Menschen in Österreich – und ist vor allem nicht unehrlicher als Nehammers Umgang mit der Neutralität.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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