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Kickl gegen JJ

©APA/HELMUT FOHRINGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Man muss den Song Contest nicht mögen. Wie sich der FPÖ-Chef aber über diesen und mehr noch den österreichischen Gewinner äußert, lässt tief blicken.

FPÖ-Chef Herbert Kickl bezeichnet sich gerne als „Volkskanzler“ und vermittelt damit den Eindruck, im Sinne aller zu agieren. In Wirklichkeit vertritt er jedoch eine Minderheit. Beispiel EU: Eine Mehrheit der Österreicher will laut jüngster „Eurobarometer“-Befragung mehr Integration, ja auch eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Mitgliedstaaten. Sie bekennt sich im Übrigen zur Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg.

In all diesen Punkten steht Kickl aufseiten einer Minderheit, die entgegengesetzte Positionen vertritt. Das ist nicht verboten. Es ist nur so, dass er darüber hinwegtäuscht und so tut, als stehe er für alle. Das ist das Problem.

„Bei der Nationalratswahl ist er aber auf Platz eins gekommen“, mag man jetzt einwenden. Stimmt: Kickls Glück ist, dass er mit seinen Minderheitenpositionen weitgehend ohne Konkurrenz ist, sodass ihm die 25 oder 35 Prozent der Leute, die diese teilen, bleiben. Es reicht, um stärker als alle anderen Parteien zu sein, die mehr oder weniger in Konkurrenz zueinander stehen und sich damit, wenn man so will, gegenseitig klein halten.

Das Schlimme bei dem ganzen „Volkskanzler“-Gerede ist, dass es der Vielfalt in der Gesellschaft nicht gerecht wird. Ja, dass Kickl dem gar nicht entsprechen möchte.

Es ist sein gutes Recht, null Interesse für den Song Contest zu zeigen. Wie er sich über diesen äußert, lässt jedoch tief blicken: „Der Song Contest ist eine Bühne für eine kleine, aber schrille und laute Community“, hat er in einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“ gesagt: „Wenn du heute als Mann keinen Rock trägst, als Frau keinen Bart, wenn du nicht trans oder sonst was bist, bist du beim Song Contest chancenlos.“

Für Kickl gibt es nur Mann und Frau, er will in der Verfassung festgeschrieben haben, dass nur zwei Geschlechter existieren würden. Andere Identitäten akzeptiert er nicht. Da fährt er drüber.

Dass der Song Contest im kommenden Jahr hierzulande stattfinden wird, ist Kickl egal. Auch das ist sein gutes Recht. Bloß: „Mit Ausnahme der Staatsbürgerschaft des Sängers JJ kann ich ja keinen bestimmten Österreich-Bezug erkennen“, sagt er.

Es ist nicht klar, was er damit zum Ausdruck bringen möchte. Es kann sich darauf beziehen, dass JJ, der mit bürgerlichem Namen Johannes Pietsch heißt, mit einem fremdsprachigen Titel („Wasted Love“) gewonnen hat. Oder darauf, dass er Sohn einer Philippinerin ist; dass er also nicht in x-ter Generation sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits Österreicher ist und beim Song Contest-Finale in Basel nicht in einer landestypischen Tracht aufgetreten ist.

So oder so steht es für eine Verengung und eine Ausgrenzung, die einer offenen Gesellschaft aber schon voll widerspricht.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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