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Keine Visionen im Entwurf für EU-Verfassung

EU-Kommissionspräsident Romano Prodi hat den jüngsten EU-Verfassungsentwurf als enttäuschend abgelehnt und Änderungen verlangt. „Es fehlt an Vision und Ehrgeiz.“

Prodi forderte den EU-Verfassungskonvent am Mittwoch in Athen auf, den Entwurf des von Valery Giscard d’Estaing geleiteten Konventspräsidiums noch zu ändern. „Trotz all der harten Arbeit, die wir hinein gesteckt haben, fehlt es dem uns nun vorliegenden Text an Vision und Ehrgeiz“, sagte Prodi am Rande eines EU-Kanada-Gipfeltreffens. Der Konvent hat noch gut drei Wochen Zeit, um einen endgültigen Entwurf für die EU-Verfassung für den EU-Gipfel von Thessaloniki am 20. Juni vorzubereiten.

Der Vorschlag sei in mancher Hinsicht ein Schritt zurück, sagte Prodi. „Ich sage dies auch als Weckruf an die Konventsmitglieder. Denn wir dürfen nicht die Opfer oder Geiseln von Angriffen werden, die Europa zu lähmen drohen.“ Diese Äußerungen waren Prodis bislang schärfste Kritik an dem Entwurf des Konventspräsidiums, mit dem auch andere Anhänger eines möglichst föderalen Europas nur die Interessen der großen Mitgliedstaaten gewahrt sehen.

Prodi will die Befugnisse der Kommission als zentraler EU-Behörde stärken. Der französische Ex-Präsident Giscard hat Prodi bereits zu einer öffentlichen Debatte über die wichtigsten Streitfragen der künftigen Machtverteilung aufgerufen. Giscard strebt wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine mehrjährige Ratspräsidentschaft an und will die Kommission verkleinern. Beides stößt bei kleinen EU-Staaten auf Kritik.

Vertreter des EU-Parlaments wie der deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok kritisieren zudem, dass die Rechte des EU-Parlaments nicht wie von den Parlamentariern gewünscht ausgebaut werden sollen. Sie werfen Giscards Präsidium vor, nicht die Mehrheitsmeinung im Konvent zu berücksichtigen. Im Präsidium sitzen allerdings auch Vertreter des Parlaments, der Regierungen und der Kommission.

Enttäuschung wurde bei Kritikern des aktuellen Entwurfs in Kommission und Rat auch daran laut, dass weder in der Außen- noch in der Steuerpolitik das Prinzip der Einstimmigkeit aufgegeben werden soll. Prodi sagte, die Vorschläge zu Mehrheitsabstimmungen seien einen Schritt zurück. Im aktuellen Entwurf, der am Freitag erneut im Konvent beraten werden soll, ist allerdings eine Ausdehnung von Mehrheitsentscheidungen auf Gebiete wie Energiegesetzgebung, Einwanderung, Asyl und Regionalbeihilfen vorgesehen.

Mit der EU-Erweiterung um zehn auf denn 25 Länder im kommenden Jahr werden einstimmige Beschlüsse noch schwieriger werden als derzeit. Bereits jetzt klagen hochrangige EU-Diplomaten darüber, dass vor allem Italien und Spanien immer wieder ihre Zustimmung zu einstimmig zu beschließenden Regelungen von Zugeständnissen in völlig anderen Bereichen abhängig machen. So verquickt Italien derzeit seine Zustimmung zur grenzüberschreitenden Zinsbesteuerung mit Zugeständnissen bei seinen Strafzahlungen wegen zu hoher Milchproduktion.

Auch die Konservativen im EU-Parlament verlangten weitere Änderungen und drangen trotz der scharfen Gegensätze im Konvent auf einen Kompromiss. „Für den erfolgreichen Abschluss des Konvents kommt es jetzt maßgeblich darauf an, dass alle Akteure die Kommunikation untereinander verbessern und ein wirklich von allen Teilen des Konvents tragbarer Text vorgelegt wird“, sagte der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Hans-Gert Pöttering (CDU).

Ein möglichst einmütiges Votum des Konvents gilt in EU-Kreisen als Voraussetzung dafür, dass die EU-Staaten den Entwurf in einer Regierungskonferenz möglichst unverändert annehmen.

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