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Kein Weg führt an der Stadt vorbei

Städte werden immer größer, ihre Strukturen immer komplexer. Um ihre Rolle als Wohn- und Wirtschaftsraum auch in Zukunft zu bewahren gilt es, langfristig die Lebensqualität zu sichern.

Eine Aufgabe die nur durch effiziente Verwaltung und nachhaltige Lösungen zu bewältigen ist, wie Wirtschafts- und Sozialwissenschafter auf der Easy Eco Konferenz in der Wiener Wirtschaftsuniversität feststellten, die am 13. März endete. In Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Workshops gaben Experten einen Überblick über reale Probleme, aber auch Chancen und Lösungsansätze.

Der renommierte niederländische Wirtschaftswissenschafter Peter Nijkamp sagte in seinem Vortrag eine weitere Urbanisierung unserer Gesellschaft und ein ungebremstes Wachstum von Metropolen voraus. Der Wissenschafter sieht Städte neben ihrer enormen wirtschaftlichen Bedeutung weniger als Ursache für ökologische Probleme sondern eher als deren Lösung. Die im Verhältnis zum ländlichen Raum meist modernere Technik und die zahlreichen Synergieeffekte in Ballungszentren, böten die Möglichkeit zur effizienteren Nutzung der Ressourcen. Als Beispiel dafür nannte der Wissenschafter die italienische Stadt Mailand, deren Einwohner weniger Energie pro Kopf verbrauchten als jene der Region Lombardei. Auch der effizienten Verwaltung kämen urbane Strukturen entgegen, was man etwa mithilfe von E-Government nutzen könne.

Produktivität als Schlüssel

Die Produktivität sei neben Beschäftigung und dem realen Wirtschaftswachstum vorangig für die nachhaltige Entwicklung einer Stadt. Sie werde sowohl vom Bildungsgrad der Einwohner als auch dem Entwicklungsstand der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur bestimmt. Führend in der OECD waren laut einer 2002 durchgeführten Studie US-amerikanische Metropolen wie Boston, San Francisco und New York mit Produktivitätsraten von über 40 Prozent gefolgt von den westeuropäischen Metropolen London und Paris mit je über 30 Prozent. Deutlich hinter der Spitze, aber immer noch im vorderen Mittelfeld befand sich Wien vor Rom und Dublin mit je über zehn Prozent. Schlusslichter waren die türkischen Städte Ankara, Daegu und Izmir (je unter -90 Prozent).

Das durchschnittliche urbane Wirtschaftswachstum aller europäischen Städte war laut OECD zwischen 2001 und 2004 in Dublin mit 7 Prozent am höchsten, gefolgt von Warschau (6,7 Prozent) und Budapest (6,2 Prozent). Wien lag mit 1,8 Prozent im Mittelfeld. Schlusslichter waren Lissabon (1 Prozent) Mailand (0,4 Prozent) und Berlin (-0,3 Prozent). Die europäische Beschäftigungsstatistik führte abermals Dublin mit einem jährlichen Durchschnittswachstum von drei Prozent an, vor Madrid (2,5 Prozent) und Rom (1,9 Prozent). Wien verzeichnete mit einem Rückgang von 0,3 Prozent einen leichten Negativtrend und bildete gemeinsam mit Warschau (-0,4), Kopenhagen und Berlin (je – 0,6) das Schlusslicht.

Regionale Unterschiede

Nachhaltige urbane Entwicklung stelle an die Politik zahlreiche und schwierige Anforderungen. Zu diesen schwerwiegenden Problemen gehöre laut Nijkamp neben der Bereitstellung von notwendigen Ressourcen vor allem die Bewahrung einer lebenswerten Umwelt. Dies bestätige eine OECD-Studie. Zu den drei größten Umweltproblemen aller Regionen zählten demnach Abfallbeseitigung, Verkehr und Armut. Es gebe jedoch unterschiedliche Ausprägungen: Während in Westeuropa und Nordamerika die Urbanisierung und der öffentliche Verkehr zu den schwierigsten Aufgabenbereichen gehöre, sei für Japan, die Tigerstaaten (Südkorea, Taiwan, Hongkong, Singapur, Anm.) und den Nahen Osten die Müllproblematik am dringlichsten. In Afrika, Lateinamerika und im restlichen Asien gelte Armut als Hauptproblem.

Auch bei der Verkehrsproblematik gebe es unterschiedliche Gewichtungen. Vordringliches Ziel in Westeuropa und Japan sei die Vermeidung und Behebung von Verkehrsstörungen. Für Osteuropa, Nordamerika und den Nahen Osten sei der Ausbau und Erhalt der Infastruktur am wichtigsten, während die Tigerstaaten primär mit den einhergehenden Umweltbelastungen zu kämpfen hätten.

Die regionalen Unterschiede sind laut Nijkamp auch bei urbanen Umweltproblemen sichtbar. Für Bürgermeister in Westeuropa und Nordamerika seien die Folgen der Verstädterung am problematischsten. Dies gelte in Osteuropa für die Wasserversorgung sowie die Zerstörung natürlicher Ökosysteme, die Abfallbeseitigung im Nahen Osten und Japan sowie für die Luftverschmutzung und Lärmbelastung in den Tigerstaaten.

Mühsamer Weg

Große Probleme können nur schrittweise durch Projekte und Programme gelöst werden, wie der US-Soziologe und ehemalige Präsident der Amerikanischen Evaluierungsgesellschaft, Michael Quinn Patton, feststellte. Um möglichst viele sinnvolle Lösungen zu erarbeiten, gelte es die Ursachen mittels detaillierter Gutachten möglichst schnell und genau festzustellen. Da die Erstellung von Gutachten teuer und zeitaufwendig sei, sprach sich der Wissenschafter für die Fokussierung auf den zu erwartenden Nutzwert aus und mahnte zu einer gewissenhaften Vereinfachung des Bewertungsprozesses.

Als Beispiel für ein unnötig teures Gutachten nannte sein holländischer Kollege Peter Nijkamp im Rahmen einer Podiumsdiskussion die Umweltverträglichkeitsprüfung zur Vergrößerung des Frachthafens von Rotterdam. Die Entscheidungsträger hätten von Anfang an gewusst, dass ein Ausbau unvermeidlich sei um die Wettbewerbsfähigkeit des Hafens zu erhalten. Trotzdem seien 15 Jahre lang große Mengen unausgewerteter Daten gesammelt worden. Dieser enorme Aufwand habe 110 Mio. Euro gekostet und sei letztlich sinnlos gewesen, da keine Alternative zum ursprünglichen Erweiterungsplan gefunden werden konnte.

Was das Thema Nachhaltigkeit betrifft gab Patton zu verstehen, dass diese von einer Vielzahl von Faktoren abhänge, welche über einen längeren Zeitraum analysiert werden müssten, um ein passendes Bild der Realität zu vermitteln. Entscheidend seien Nutzwert, Durchführbarkeit, Ethik sowie Effizienz von Projekten und Programmen. Auf globaler Ebene fehle es an Master-Plänen, da die hochkomplexe Weltwirtschaft einfach keine verlässlichen Prognosen zulasse. Dies wirke sich wiederum auf regionale Körperschaften aus und mache die Ungewissheit auch in überschaubaren Strukturen zu einer entscheidenden Konstante.

Die Zusammensetzung und Gewichtung der Ausgangsfaktoren unterliege außerdem einem stetigen Wandel. So mache die Globalisierung der letzten zehn Jahren immer mehr internationale, interkulturelle und fächerübergreifende Bewertungen notwendig. Entscheidend für die Kosten eines Gutachtens ist laut Patton weniger die Qualität und Menge an Informationen sondern deren Auswertung. Entscheidungsträger würden hier verstärkt auf die nötige Brainpower achten.

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