Wien Energie, war da was? Sozialdemokratische Spin-Doktoren, deren Job es ist, Geschichten so zu drehen, wie es ihnen gefällt, sprechen gerne von einem „Sturm im Wasserglas“. Es ist jedoch viel mehr: Dass zum Beispiel ein Bürgermeister (Michael Ludwig, SPÖ) zwei Mal eine Notkompetenz in Anspruch nimmt, um jeweils 700 Millionen Euro bereitzustellen, ist außergewöhnlich. So etwas darf er nur tun, wenn – buchstäblich – Not am Mann ist. Dass die Bundesregierung kurzfristig einen Kredit über zwei Milliarden zur Verfügung stellen muss, ist auch nicht normal. Im besten Fall sind es allein die derzeitigen Turbulenzen auf den Energiemärkten, die das notwendig gemacht haben. Im schlimmsten Fall ist Wien Energie auch zu große Risiken eingegangen. Nicht zuletzt eine Überprüfung durch den Rechnungshof wird belastbare Antworten darauf liefern.
Das Verhalten der Stadtverantwortlichen hat aus der Sache unabhängig davon allerdings schon einen Sturm für die SPÖ gemacht: Wenn Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Sonntagabend nicht in die Medien gegangen wäre, hätte man womöglich nie etwas erfahren von der ganzen Geschichte. Ludwig, aber auch Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ), hatten sie ja bis zuletzt geheim gehalten. Bei Brunner mögen nun auch parteipolitische Motive im Spiel gewesen sein, zu schweigen wäre jedoch verantwortungslos gewesen: Es geht um Milliarden an Steuergeldern. Unter diesen Umständen hat die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf, informiert zu werden. Auch wenn es sich nur um eine Überbrückung handeln sollte, wie Ludwig beschwichtigt: Es kann nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen werden, dass die Milliarden verloren sind.
Die SPÖ wird Konsequenzen ziehen müssen: Pamela Rendi-Wagner und Michael Ludwig können nicht länger so tun, als wäre alles paletti: Durch die Summen, die nun zur Besicherung der Wien Energie erforderlich geworden sind und durch die bisherige Geheimniskrämerei ist es zu einem Vertrauensverlust gekommen; und zwar sowohl in die Partei als auch in die Stadt. Jetzt sind Maßnahmen gefragt, Vertrauen wieder herzustellen.
Sonst gehen die Umfragewerte der Partei runter wie Börsenkurse in schlechten Zeiten, folgen am Ende Wahlniederlagen, zunächst in Wien, dann auf Bundesebene: Rendi-Wagner kann dort nur gewinnen, wenn es bei einer Nationalratswahl auch in der Millionenstadt ein ordentliches Ergebnis gibt. Sonst verliert sie und schafft es auch nicht ins Kanzleramt. Ob ihr das klar ist? Nach außen hin lässt sie daran zweifeln, wenn sie Wien Energie etwa auf eine kommunale Angelegenheit reduziert, die sie nicht tangiert; in Wirklichkeit sollte sie es jedoch wissen.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik