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Kassenreform: Scharfe Kritik aus Vorarlberg

AK-Hämmerle: Das Geld ist weg"
AK-Hämmerle: Das Geld ist weg" ©Stiplovsek
Allen Protesten von SPÖ und Gewerkschaft zum Trotz ist die Strukturreform der Sozialversicherung am Donnerstag vom Nationalrat abgesegnet worden.
Protestkundgebung in Wien
Strukturreform abgesegnet

Damit wird die Zahl der Träger stark reduziert und die Machtposition der Arbeitgeber in den Gremien deutlich ausgebaut. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger wird in seiner Bedeutung geschmälert, behält aber dank eines Abänderungsantrags doch fixe Vorsitzende. Ursprünglich war ja geplant, dass die Obmänner der Träger in einem Rotationsprinzip die Leitung überhaben.

Größter Brocken der Reform ist die Fusion der neun Gebietskrankenkassen zu einer österreichischen Gesundheitskasse, wobei neun Länderstellen erhalten bleiben. Die ÖGK schließt einen österreichweiten Gesamtvertrag für die Ärztehonorare ab. Bis 2021 sollen die Leistungen harmonisiert werden.

Eine Selbstständigen-Kasse entsteht aus der Gewerblichen und der Bäuerlichen Sozialversicherung, weiters fusionieren Beamten- und Eisenbahner-Kasse. Weiter bestehen dürfen Pensionsversicherungsanstalt und die Unfallversicherung AUVA.

Zerhackte und untergriffige Diskussion

Die Debatte der Kassenreform war wohl die heftigste im Nationalrat in der Ära Türkis-Blau. Zahlreiche tatsächliche Berichtigungen, persönliche Erwiderungen und Geschäftsordnungsmeldungen führten zu einer zerhackten und untergriffigen Diskussion, die auch den ein oder anderen Ordnungsruf durch den Vorsitz führenden Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) zur Folge hatte. Ein kleines Beispiel zum Charakter der Debatte: “Ehe der Hahn zwei Mal kräht, hast du die Arbeitnehmer drei Mal verraten”, meinte Ex-Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) in Richtung von ÖAAB- und VP-Klubobmann August Wöginger (ÖVP).

Reaktionen aus Vorarlberg

VGKK

Obmann Manfred Brunner: „Natürlich kann Vorarlberg aufgrund der genannten Fakten keine Freude mit diesem Gesetz haben. Die Mitbestimmung über das künftige Leistungsangebot und die Verteilung der Gelder auf die Länderbudgets der künftigen Landesstellen der ÖGK wird mit diesen Rahmenbedingungen eine maximale Herausforderung für die Vorarlberger Verantwortlichen. Die Vorarlberger Landesregierung sieht bisher in dieser Entwicklung kein Problem. Wir erwarten uns daher, dass wir von dieser Seite bei der Durchsetzung von Vorarlberger Interessen in diesem neuen „Spiel der Kräfte“ maximal unterstützt werden.“ Die VGKK will  alle Spielräume ausnützen, um auch in einem zentralisierten System Gestaltungsmöglichkeiten zu finden und zu nutzen.

ÖGB

Landesvorsitzender Norbert Loacker: „ÖVP und FPÖ haben unserem Gesundheitssystem heute den Todesstoß verpasst! Der heutige Tag wird als einer der schwärzesten in der Geschichte der 2. Republik eingehen. Ein weltweit viel beachtetes und bewundertes Sozialversicherungssystem wurde heute zu Grabe getragen. Jetzt haben Regierung und die Wirtschaft das Sagen über Finanzierung und letztendlich das Leistungsangebot. Mit dem Wissen über den Wunsch der Industrie, dass die Arbeitgeberbeiträge ins Sozialsystem gesenkt werden sollen, drohen den Versicherten höhere Selbstbehalte und im schlimmsten Fall Leistungsabbau.”

Landesgeschäftsführerin Manuela Auer: „Die Reform von ÖVP und FPÖ bringt weder mehr Fairness noch mehr Effizienz oder andere Verbesserungen für die Versicherten und PatientInnen – sie dient allein dazu, dass die Regierung zusammen mit der Wirtschaft über unsere Gesundheitsleistungen bestimmen kann. Wer zum Arzt muss, wird die Geldtasche zücken und für seine Behandlungen zahlen müssen. Durch die Einflussnahme der Wirtschaft droht das gut ausgebaute Gesundheitssystem dem Sparstift zu Gunsten der Wirtschaftseliten zum Opfer zu fallen! Gesund sein, können nur noch jene, die es sich leisten können.”

AK

AK-Hämmerle: „Mit der heute vom Nationalrat beschlossenen Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) ist es fix: Das Geld der Vorarlberger Versicherten geht zukünftig nach Wien, auch die noch vorhandenen Leistungssicherungsrücklagen in der Höhe von 34 Millionen Euro. Die Vorarlberger Rücklagen werden im Budget der ÖGK zwar separat ausgewiesen, gehen aber nur dann ins Ländle zurück, wenn die Wiener Zentrale Überschüsse erwirtschaften kann. Wie das funktioniert, wenn gleichzeitig gewaltige Kosten für die Fusionierung prognostiziert werden und wie von Kanzler Kurz angekündigt, die Sozialversicherungsbeiträge 2020 gekürzt werden sollen, darf man mir gerne erklären. Viel wahrscheinlicher ist da, dass sich die Regierung in Zukunft das Geld über neue Selbstbehalte von den Versicherten zurückholt. Schließlich müssen in Zukunft ja auch noch Wiener Schönheitskliniken mit Beiträgen aus der Sozialversicherung mitfinanziert werden.“

IV

Martin Ohneberg, Präsident der IV-Vorarlberg: „In den letzten Monaten ist leider viel unsachliche Verunsicherung geschürt worden. Die Reform ist für das über Jahrzehnte gewachsene System eine große Chance für eine Qualitätssteigerung, Systemverbesserung und Vereinfachung im Sinne der Versicherten und Beitragszahler. Die jetzt beschlossene Strukturreform ist die Voraussetzung, um in einem nächsten und übernächsten Schritt auch eine echte Gesundheits-, Pflege- und Pensionsreform anzugehen. Im Fokus sollte ein effizienter und schlanker Staat stehen, und nicht der Einfluss von gewachsenen Strukturen.“

Bisherige und neue Organisationsstruktur
Bisherige und neue Organisationsstruktur ©APA

 

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