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"Kampf des Negers und der Hunde": Spielzeugdrohnen ohne Zauber

Das Bühnenbild bei "Kampf des Negers und der Hunde" ist mehr als spartanisch.
Das Bühnenbild bei "Kampf des Negers und der Hunde" ist mehr als spartanisch. ©APA/BURGETHEATER/GEORG SOULEK
Die Aufregung rund um das Stück "Kampf des Negers und der Hunde" entpuppte sich als dringend nötiges PR-Mittel. Mit Inhalten konnte das Stück nämlich nicht überzeugen.

Vor 30 Jahren waren die Stücke von Bernard-Marie Koltès kleine, rätselhaft funkelnde Solitäre inmitten öder Well-made-Plays: Rüde, krude Handlungen, Sprachkunstwerke mit schmutzigen Geheimnissen. Heute sitzt man im Akademietheater, verfolgt 85 Minuten lang den “Kampf des Negers und der Hunde”, und hat genügend Zeit, darüber nachzugrübeln: Woran liegt’s, dass der Zauber so gründlich verflogen ist?

Schon die Aufregung vor der eigentlichen Aufführung ist dermaßen aufgesetzt und künstlich, dass rasch klar ist: Die im Zuschauerraum stattfindende Protestaktion gegen das N-Wort im Titel (“Kunst kann auch rassistisch sein. Rassismus ist Gewalt” und Ähnliches wird gerufen, Flugblätter flattern vom Balkon) ist, wenn schon nicht inszeniert, dann zumindest abgesprochen. Aktueller Double-bind einer Aufführung, die ansonsten im luftleeren Raum zu agieren scheint – nicht nur, weil im klassischen Bühnen-Niemandsland agiert wird: vor der nackten Feuermauer.

Mordverdacht auf der Baustelle

In dem 1979 entstandenen Stück begegnen einander vier Personen auf einer afrikanischen Straßenbaustelle, die bald geschlossen wird. Baustellenleiter Horn, Ingenieur Cal, die verwöhnte Pariserin Leone, die mit ihrem flüchtigen Bekannten Horn mitgekommen ist, und Alboury. Der junge Schwarze fordert die Herausgabe der Leiche seines Bruders, der offenbar kürzlich unter ungeklärten Umständen auf der Baustelle zu Tode gekommen ist. Der Leichnam ist unauffindbar, Mordverdacht steht im Raum. Horn und Cal halten Alboury hin.

Kostümbildnerin Jelena Miletic hat die Weißen seltsam kostümiert – die Herren in kurzen Hosen, die Dame overdressed. Normal wirkt einzig Alboury (Ernest Allan Hausmann) in Jeans und T-Shirt. Allen wurde jedoch eine enge, durchsichtige Plastikhaut verpasst, die den Künstlichkeitscharakter der Figuren unterstreicht. Eine Art durchsichtiges Korsett. Es wird nicht miteinander gesprochen, sondern – teilweise nur schwer verständlich – gequasselt. Zwischen Horn (Philipp Hauß) und Cal (Markus Meyer) entsteht ein Einverständnis des latenten Rassismus, in dem es nicht um Hautfarben, sondern um Machtverhältnisse geht. Die junge Frau (Stefanie Dvorak) versucht mit naiven Mitteln dagegen zu halten. Ein seltsamer Eiertanz entsteht, dem Alboury ungläubig lächelnd zusieht.

Spielzeugdrohnen sollen Handlung simulieren

Man kann “Kampf des Negers und der Hunde” antikolonialistisch, antiimperialistisch, antirassistisch, humanistisch interpretieren, man kann den Autor beim Wort nehmen (“Es ist mit Sicherheit keine Stellungnahme.”) und nicht inhaltlich, sondern sprachkritisch arbeiten oder es als absurdes Theater interpretieren. Regisseur Milos Lolic hat sich für keinen konkreten Ansatzpunkt entschieden. Er unternimmt nichts, der scheinbaren Banalität der Sprache entgegenzuarbeiten, ihr nachzuhorchen. Er definiert keine Schauplätze und keine Szenen. Wenn über einen Baum gesprochen wird, in dessen Schatten der Schwarze fast unsichtbar und bedrohlich dauernd präsent ist, und er daher vom Baustellenleiter an den Tisch der Weißen gebeten wird, gibt es weder Baum noch Tisch. Dafür lässt Lolic immer wieder Spielzeugdrohnen in unterschiedlichen Größen über die Bühne surren. Früher hieß es: Wenn einem Regisseur nichts einfällt, lässt er die Schauspieler rauchen. Heute lässt man Drohnen fliegen.

Dennoch gab es am Ende der gestrigen Premiere keine Proteste, sondern höflichen Applaus. Und Jubelrufe einzelner Zuschauer. Möglicherweise Fans des “Drohnen360 Pilotenpool”, der unfallfrei durch den Abend steuerte.

(APA/red)

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