Kälber aus Vorarlberg in libyschen Schlachthöfen? Recherche sorgt für Aufsehen

In einer gemeinsamen Recherche haben die investigative Plattform The Marker und die Tierschutzorganisation SOKO Tierschutz dokumentiert, dass Kälber aus Österreich und Deutschland nach Spanien transportiert und anschließend zur Schlachtung nach Nordafrika und in den Nahen Osten exportiert werden. Die Tiere seien bei Transportbeginn meist erst wenige Wochen alt und noch auf Muttermilch angewiesen.

Im April 2025 begleitete das Rechercheteam einen Transport ab einer Sammelstelle in Bayern. Die Route führte über Frankreich nach Nordostspanien. Laut SOKO Tierschutz habe die dokumentierte Gesamttransportzeit 22 Stunden betragen und damit die in der EU zulässige Höchstdauer deutlich überschritten. Eine Strafanzeige gegen das Transportunternehmen sei gestellt worden.
Mastbetrieb in Spanien als Umschlagplatz
In Spanien würden die Tiere laut SOKO Tierschutz auf regionale Lkw verladen und in Mastanlagen im Landesinneren verteilt. Besonders betroffen seien männliche Jungtiere, die in Ländern wie Österreich oder Deutschland als wirtschaftlich nicht rentabel gelten. In einem der untersuchten Betriebe seien Kälber mit Ohrmarken aus sechs verschiedenen Ländern festgestellt worden, darunter auch aus Österreich.

Insgesamt habe das Team elf Masthallen besucht. Dabei seien kranke, geschwächte und tote Tiere dokumentiert worden. Laut Tobias Giesinger, Gründer von The Marker, berge das System erhebliche Gesundheitsrisiken. Landwirte wüssten oft nicht einmal, woher ihre Tiere genau kommen. Häufig bleibe nur der routinemäßige Einsatz von Antibiotika.

Weitertransport nach Nordafrika belegt
Ein Teil der in Spanien gemästeten Kälber werde über den Hafen Tarragona per Schiff in Drittstaaten exportiert. Laut The Marker belegen offizielle Ladelisten, die von der Animal Welfare Foundation zur Verfügung gestellt wurden, den Export nach Libyen, Ägypten und in den Libanon. Die betroffenen Tiere stammten demnach aus Milchviehbetrieben in ganz Österreich. Sie seien über mehrere Zwischenhändler nach Spanien gebracht worden. Laut den Schiffsdokumenten sei auch ein Kalb aus Mellau und eines aus Lochau transportiert worden.

Die Recherche zeige laut Ann-Kathrin Freude, Mitgründerin von The Marker, wie ein weitgehend unsichtbares System funktioniere. Milchpackung im Supermarkt, Bauernhof nebenan oder Tiertransporter auf der Straße – das große Ganze bleibe meist verborgen.
Über 34000 Kälberexporte aus Österreich
Laut den Tierschützern fehle es an Transparenz und politischer Kontrolle. Allein im Jahr 2024 seien 34207 Kälber aus Österreich zur Mast in andere EU-Länder ausgeführt worden. EU-weit seien es über zwei Millionen Tiere gewesen. Die Verantwortung für das Tierwohl werde entlang der Lieferkette weitergereicht, trage am Ende aber niemand.
Hintergrund zu den Organisationen
The Marker ist ein gemeinnütziges Rechercheprojekt mit Sitz in Vorarlberg. Es widmet sich investigativem Foto-, Video- und Datenjournalismus zu Themen wie Umwelt, Tierschutz und Menschenrechten. SOKO Tierschutz ist eine deutsche Tierrechtsorganisation, die sich mit Undercover-Recherchen und Strafanzeigen für den Tierschutz engagiert.

(VOL.AT)