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Jüdisches Museum Wien geht auf Spurensuche

Im Jüdischen Museum Wien werden die Ephrussis unter die Lupe genommen.
Im Jüdischen Museum Wien werden die Ephrussis unter die Lupe genommen. ©Jüdisches Museum Wien
Im Buch "Der Hase mit den Bernsteinaugen" hat Edmund de Waal, Nachfahre der Ephrussis, die Geschichte seiner Familie nachgezeichnet. Dieser Spurensuche folgt nun das Jüdische Museum in Wien.

Anhand von Fotos, Dokumenten und Möbeln wird ab Mittwoch vom Aufstieg einer der wichtigsten europäisch-jüdischen Dynastien, deren Vertreibung und Ruin durch die Nazis sowie dem Neuanfang im Exil erzählt.

Der Brite de Waal, der anlässlich der Ausstellung "Die Ephrussis. Eine Zeitreise" genauso in die Bundeshauptstadt gekommen ist wie gut 40 andere, über die ganze Welt verstreute Familienmitglieder, zeigte sich am Dienstag in einer Pressekonferenz sehr angetan von der erstmaligen umfangreichen Präsentation des Familienarchivs, das die Familie Anfang des Vorjahres dem Jüdischen Museum als Schenkung überlassen hatte. Aber er betonte klar: "Das ist keine nette, sentimentale Geschichte, in der am Ende alles gut ist." Vieles sei "ungelöst", verwies der Künstler auf die grauenhaften Jahre des Naziterrors und noch immer anhängige Restitutionsverfahren.

Zeitreise in die 1830er-Jahre

Auch dem langwierigen Rückgabeprozedere gibt die Schau ausgiebig Raum. Aber der Reihe nach: Gegliedert ist die "Zeitreise" vor allem nach den jeweiligen Lebensmittelpunkten der unterschiedlichen Generationen. Der Aufstieg der Familie Ephrussi beginnt in den 1830er-Jahren in Odessa, wo man einen Getreidehandel aufzieht, ein Bankhaus gründet und bald zu den erfolgreichsten Unternehmern gehört.

Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verästeln sich die Spuren in unterschiedliche Teile Europas. Ein Zweig lässt sich etwa in Paris nieder, wo Charles Ephrussi als Kunstsammler und Mäzen nicht zuletzt französische Impressionisten wie Degas, Manet oder Renoir fördert. Außerdem hat er als eines der Vorbilder für die Swann-Figur in Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" Eingang in die Literatur gefunden, lernt man in der Ausstellung.

Einen anderen Teil der Familie zieht es nach Wien. 1872/73 erbaute Theophil Hansen das Palais Ephrussi an der Wiener Ringstraße beim heutigen Schottentor. "Mein Vater ist das einzige noch lebende Familienmitglied, das sich erinnert, in diesem Palais gespielt zu haben", sagte Edmund de Waal. Viele glückliche Jahre in seiner Heimat waren dem erwähnten, heute 90-jährigen Victor de Waal - er ist ebenfalls nach Wien gekommen - allerdings nicht mehr vergönnt. Das Palais wurde "arisiert", vieles geraubt, die Familie vertrieben.

Flucht nach Großbritannien

Geflüchtet nach Großbritannien, baute sich Victors Mutter Elisabeth de Waal dort ein neues Leben auf. Andere Familienmitglieder flohen in die USA, landeten in Mexiko oder in Japan. Viele Ortswechsel hat auch die familiäre Netsuke-Sammlung hinter sich. Ein Teil dieser Ende des 19. Jahrhunderts in Paris erworbenen, handtellergroßen Holz- oder Elfenbeinfiguren aus Japan - exakt 157 - wurde dem Jüdischen Museum für zehn Jahre als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Sie ziehen sich als eine Art roter Faden durch die verschiedenen Stationen der Schau. Zu sehen gibt es freilich auch den Hasen mit den Bernsteinaugen.

Diese Sammlung blieb nur deshalb in Familienbesitz, da sie eine loyale Hausangestellte vor den Nazis in Wien versteckt hatte. Andere geraubte Besitztümer mussten gerichtlich zurückerstritten werden. Wobei die Restitutionsfälle noch immer nicht zur Gänze abgeschlossen seien. Der jüngste Fall wurde erst im Zuge der Arbeit an dieser Ausstellung entdeckt. Das Kuratoren-Duo Gabriele Kohlbauer-Fritz und Tom Juncker stieß nämlich auf das Gemälde "Szene aus dem Feldzug in Italien 1848/49: Lagernde k.k. Truppen in einem Dorf" von Franz Adam aus 1870. Dieses war einst ebenfalls im Besitz der Ephrussis und ist in der Schau zu sehen. Zuvor hing es jahrelang im Heeresgeschichtlichen Museum, der Kunstrückgabebeirat empfahl nun die Rückgabe.

Museumsdirektorin Danielle Spera zeigte sich heute stolz, dass die Ausstellung - in Wien bis 8. März zu besuchen - 2021 im Jüdischen Museum in New York zu sehen sein werde. Auch die Netsuke-Sammlung werde auf Reisen gehen, wobei Spera noch keine Details nennen wollte. Rund die Hälfte der zehnjährigen Leihgabendauer würden die Figürchen allerdings in der Bundeshauptstadt bewundert werden können.

(APA/red)

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