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Journalist aus Wien in Türkei in Haft: Freilassung gefordert

Im Falle der Verhaftung des österreichischen Journalisten wird "politische Willkür" angeklagt.
Im Falle der Verhaftung des österreichischen Journalisten wird "politische Willkür" angeklagt. ©AP Photo/Emrah Gurel
Nachdem ein als Journalist tätiger Student aus Wien am Dienstag in Ankara wegen Terrorvorwürfen festgenommen wurde, fordern nun diverse Politiker sowie Journalistenvertreter seine Freilassung.
Student aus Wien in Ankara festgenommen

Journalistenvertreter haben die Freilassung des am gestrigen Dienstag in Ankara  österreichischen Journalisten und Studenten gefordert. Die Bundesregierung müsse ihre diesbezüglichen Bemühungen “umgehend (…) intensivieren”, betonte die Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), Barbara Teiber am Mittwoch.

Journalistenvertreter fordern sofortige Freilassung

“Herr Erdogan: Journalistische Recherchen über AKP und Kurden sind kein Verbrechen, sondern der Job von Journalisten – daher lassen Sie sofort unseren Kollegen frei”, appellierte Präsident des Österreichischen Journalisten Clubs (ÖJC), Fred Turnheim, an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Dieser habe sich mit dem österreichischen Journalisten “eine neue Geisel geholt”.

“Öffentlich vorgetragene Kritik an einem Regime darf kein Grund für politische Repression oder gar Haft sein”, betonte auch Teiber. Wie Turnheim wies auch sie darauf hin, dass es sich bei der Verhaftung nicht um den ersten Fall dieser Art handle und sprach von “politischer Willkür”.

Auch Unterstützung von Ex-Abgeordneter Aslan

Auch die frühere Grüne Nationalratsabgeordnete Berivan Aslan stellte sich hinter den Österreicher. “Ich kenne ihn als einen sehr klugen Studenten, als einen sehr klugen und aufgeklärten Journalisten und auch Autoren. Er ist seit Jahren in der Türkei aktiv und versucht die demokratischen Kräfte in der Türkei zu unterstützen”, betonte sie am Dienstagabend in der “ZiB2” des ORF. Er gehöre zu jenen Menschen, “die für Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit und für den Friedensprozess auch ihre Dienste leisten”.

Bekannter erwartet baldige Freilassung des Österreichers

Der deutsche Politikwissenschafter Ismail Küpeli geht von einer baldigen Freilassung des in Ankara unter Terrorverdacht verhafteten Österreichers aus. Er könnte in Wochen oder Monaten freikommen, sagte Küpeli am Mittwoch der APA. Seine Festnahme könnte ein Versuch sein, Druck auf Österreich auszuüben. Möglicherweise sei er aber auch in eine Razzia gegen Studenten “hineingeraten”.

Der Österreicher studiert Politikwissenschaft an der “Middle East Technical University” (ODTÜ), die der türkischen Regierung schon seit längerem ein Dorn im Auge ist. Erst im Juli waren vier Studenten festgenommen worden, weil sie bei der Abschlusszeremonie ein Erdogan-kritisches Plakat gezeigt hatten. “Es ist an der Universität immer wieder zu Festnahmen von linken Studenten gekommen”, erläuterte Küpeli, der den Österreicher seit drei Jahren kennt und mit ihm auch bei einem Buchprojekt zusammengearbeitet hat. Bisher seien aber nur türkische Studenten festgenommen worden, keine Ausländer.

Mit Festnahme soll möglicherweise Druck auf Österreich ausgeübt werden

Die Festnahme könnte somit “Teil sein einer größeren Kampagne gegen die Universität von (dem Österreicher), in die er hineingeraten ist”, sagte Küpeli. Es sei aber auch möglich, “dass er gezielt festgenommen wurde, um Druck auf Österreich auszuüben”. Dies sei nämlich bei den festgenommenen deutschen Journalisten Deniz Yücel oder Mesale Tolu auch der Fall gewesen. Ob Ankara den Österreicher tatsächlich als “Tauschpfand” im bilateralen Konflikt einsetzen will, werde sich schon in den nächsten Tagen herausstellen, sagte der deutsche Politikwissenschafter.

Als absurd bezeichnete Küpeli den Vorwurf, der Österreicher habe Kontakte zu verbotenen kommunistischen Gruppen gehabt. Es sei auch nicht richtig, dass er über die kurdische Terrororganisation PKK geschrieben habe. Vielmehr sei aber “im Umfeld” der pro-kurdischen Parlamentspartei HDP aktiv gewesen, die aber nicht verboten sei. “Seine Aktivitäten waren relativ offensichtlich”, verwies der Experte auf die Publikationstätigkeit des jungen Politikwissenschafters für linke Magazine wie re:volt und Jacobin. “Das Risiko (einer Festnahme) bestand durchaus”, räumte Küpeli ein. Allerdings habe der Österreicher in jüngster Zeit keinen spezifischen Anlass dafür geliefert.

Küpeli rechnet aber mit einem glimpflichen Ende der Geschichte. “Die Chancen stehen weitaus besser, dass er auf dem einen oder anderen Weg freikommt, gerade weil er österreichischer Staatsbürger ist. Ich gehe nicht davon aus, dass er jahrelang in türkischen Gefängnissen verbringen wird.”

Der deutsche Politikwissenschafter geht auch davon aus, dass sich die österreichische Regierung für den Festgenommenen einsetzen wird. Dabei dürfe “keine Rolle spielen, dass (er) ein Linker ist”, sagte Küpeli. “Ich kann mir vorstellen, dass so jemand in Österreich eher stören würde. Wenn (er) in Österreich wäre, würde er die österreichische Regierung auch scharf kritisieren.” (Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)

Kurz fordert Konkretisierung der Vorwürfe oder Freilassung

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat die Türkei am Mittwoch aufgefordert, die Vorwürfe gegen den in Ankara verhafteten Österreicher zu konkretisieren oder ihn freizulassen. Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) rechnet mit einem Haftprüfungstermin am Freitag.

Die Türkei solle darlegen, was dem Journalisten vorgeworfen werde. Wenn das nicht möglich sei, müsse eine “sofortige Freilassung” erfolgen, sagte Kurz. Ähnlich äußerte sich auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), der die Türkei aufforderte, die Vorwürfe offenzulegen oder den Österreicher freizulassen.

Der Österreicher studiert in Ankara und schreibt unter anderem für das linke Magazin “re:volt”. Laut Außenministerin Kneissl spricht er perfekt Türkisch und hat einen türkischen Rechtsanwalt, der jederzeit Zugang zu seinem Mandanten habe. Sobald möglich, werde auch die Botschaft einen Haftbesuch durchführen. Seine Mutter ist nach Angaben der Ministerin “gefasst” und über die Vorgänge informiert.

Student derzeit in Polizeistation untergebracht

Aktuell ist er laut Kneissl in einer Polizeistation, in der Terrorverdächtige bis zum Verhör untergebracht werden. “Wir erwarten, dass die türkischen Behörden umgehend Gründe für die Haft vorlegen oder sofort freilassen”, so die Außenministerin. Sie kündigte an, dem Österreicher im Rahmen der konsularischen Schutzpflicht “jede Unterstützung, die erforderlich ist, zukommen lassen” zu wollen.

Kneissl rechnet mit einem Termin beim Haftrichter spätestens am Freitag. Danach werde entschieden, ob Anklage erhoben wird. “Meinungs- und Pressefreiheit sind Grundrechte, Pfeiler der internationalen Ordnung”, deponierte die Ministerin. Eine Belastung der Beziehungen zur Türkei sieht sie in der Causa nicht: “Konsularfälle haben wir in verschiedensten Ländern des Nahen Ostens.”

Auch SPÖ und Grüne stellen sich hinter Gefangenen

Auch EU-Abgeordnete stellten sich hinter den Österreicher. SPÖ-Mandatar Josef Weidenholzer schrieb an Erweiterungskommissar Johannes Hahn, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Freilassung des Mannes zu bewirken. “Österreichs Diplomatie ist auf allen Ebenen gefordert”, betonte Weidenholzer. Der Grüne Abgeordnete Michel Reimon wies darauf hin, dass derzeit auch zwei österreichische Staatsbürger kurdischer Herkunft in türkischer Haft säßen. Die “neue Welle an Verhaftungen und Gewalt” widerlege auch das Argument, “EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei würden Erdogan zügeln. Die Verhandlungen sollen abgebrochen werden”, so Reimon.

(APA/Red)

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