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John Malkovich spielt Jack Unterweger

Filmstar John Malkovich spielt den österreichischen Serienmörder Jack Unterweger - doch Fragen, woran es liegen könne, dass ausgerechnet er immer seltsame, gestört wirkende Figuren zu spielen habe, mag der US-Schauspieler gar nicht.
The Infernal Comedy
John Malkovich

“Was ist normal oder unnormal? Sind Sie normal? Wer ist das schon?” meinte Malkovich am Freitag Vormittag, bei einer Pressekonferenz im Wiener Ronacher. Ab 1. Juli wird hier “The Infernal Comedy” gezeigt. Dieses Musiktheaterprojekt für Barockorchester mit dem Untertitel “Confessions of a Serial Killer” war im Mai 2008 in Los Angeles uraufgeführt worden und kommt nun in einer überarbeiteten Fassung für fünf Vorstellungen nach Wien.

Von einem “außergewöhnlichen Projekt mit einem außergewöhnlichen und immer wieder überraschenden Darsteller” sprach die Musical-Intendantin der Vereinigten Bühnen Wien, Kathrin Zechner. Außergewöhnlich sind nicht nur die zahlreichen Österreich-Bezüge, sondern auch die Entstehungsgeschichte: Bei einem Abendessen im österreichischen Generalkonsulat Los Angeles hatten die Kostümbildnerin und Ausstatterin Birgit Hutter, der Dirigent Martin Haselböck (u.a. Leiter des Barockorchester Musica Angelica Los Angeles) und der Schauspieler John Malkovich die Idee, die im 18. Jahrhundert populäre Form des Melodrams, einer Verbindung von Schauspiel und klassischer Musik, in einem gemeinsamen Projekt wieder aufleben zu lassen. Auf der Suche nach einem Thema wurden einige Sujets verworfen, ehe Hutter den Vorschlag machte, sich dem Leben von Jack Unterweger zu widmen, der sich am 29. Juni 1994 in Graz erhängt hatte, nachdem er wegen neunfachen Mordes verurteilt worden war.

“Mir war Jack Unterweger ein Begriff, weil ich ihn einige Male in Talkshows im österreichischen und deutschen Fernsehen gesehen hatte”, erzählte Malkovich. “Für mich war auch ohne, dass ich verstehen konnte, was genau er sagte, klar, dass er nicht die Wahrheit gesagt hat. So etwas ist immer interessant, man versucht dann herauszufinden, warum man das glaubt.” Später sei er vage in ein Filmprojekt über Unterweger involviert gewesen. “Wenn wir dieses Projekt auch als Film geplant hätten, dann hätten die Vorbereitungen vier oder acht oder zwölf Jahre gedauert und am Ende wäre vielleicht erst nichts daraus geworden. Ich bin aber keiner, der es liebt, theoretische Projekte zu wälzen. Ich mag rasche Entscheidungen und rasche Umsetzungen. Dafür war die Zusammenarbeit mit Martin (Haselböck, Anm.) ideal.”

Sie erreichte sogar ein so hohes Tempo, dass Textautor Michael Sturminger ins Schleudern kam. “Ich bin zu dem Projekt gekommen, als der Sack schon geschnürt war. Im Jänner 2008 gab es zwar noch kein Stück, aber bereits einen Premierentermin im Mai. Für Malkovich zu schreiben war für mich aber eine außergewöhnliche Inspiration, da ich seit der Filmschule ein Fan von ihm bin und dachte, ihn und seine Art zu spielen sehr gut zu kennen.” Während Sturminger in Zürich Oper inszenierte, habe er aus Zeitgründen das Stück gleich auf Englisch geschrieben (“Als Trick habe ich zu Beginn Unterweger sich für sein schlechtes Englisch entschuldigen lassen.”) und per Mail an Malkovich geschickt. Nach bangem Warten kam eine positive Antwort. Infolge einer weiteren Regieverpflichtung Sturmingers kam dieser jedoch nicht mehr dazu, bei “The Infernal Comedy” auch Regie zu führen. “Ich flog dann erst zu den Endproben und zur Premiere nach Los Angeles. Und John hat tatsächlich meinen Text gesprochen. Es war einer der merkwürdigsten Momente meines Lebens.”

Die Uraufführung dürfte allerdings noch ziemlich improvisiert gewesen sein. “Wir hatten ja keinen richtigen Regisseur. Also musste ich mit jenen beiden Mitarbeitern arbeiten, die ich am wenigsten mag – mit mir und mit mir”, scherzte Malkovich. Aber auch sonst sei vieles anders als damals: Man habe teilweise andere Musikstücke, ein anderes Orchester (die Wiener Akademie), andere Sängerinnen (nämlich die Sopranistinnen Laura Aikin und Aleksandra Zamojska), eine andere Bühne und auch am Text ein wenig geändert.

Der Abend spielt auf zwei Zeit- und Handlungsebenen: “Die Annahme ist, dass sich Unterweger auf weltweiter Promotion-Tour für seine Autobiografie befindet, und dass sein Manager angeregt hat, dafür auch Musik einzusetzen, um das Dramatische zu unterstützen”, so Malkovich. Dafür hat Haselböck Arien von Vivaldi, Mozart, Haydn und Weber ausgesucht, die allesamt Liebe und Gewalt zum Thema haben. “Es gibt eine große Zahl von Stücken, die wie ein Handschuh auf das Thema passen”, sagte der Dirigent. In Rückblenden erlebt die Hauptfigur ihre Verbrechen noch einmal. “Als ich das Projekt angeboten bekommen habe, wollte ich ablehnen, ich wollte nicht mithelfen, diesen Menschen auf der Bühne wieder zum Leben zu erwecken”, erzählte die US-Sopranistin Laura Aikin, die sich zwar schließlich doch überzeugen ließ, aber dennoch die Besonderheit betonte: “Einen Mord zu spielen, der tatsächlich passiert ist, erfordert viel Behutsamkeit und Respekt.”

“Solche Taten zu verstehen ist praktisch unmöglich”, beteuerte Malkovich, “dafür müsste man sie selbst begangen haben.” Und selbst das reiche wohl nicht aus, ergänzte Sturminger: “Ich glaube nicht, dass Jack Unterweger Jack Unterweger verstanden hat.” Regisseur und Hauptdarsteller ließen keinen Zweifel daran, dass “The Infernal Comedy” keineswegs dokumentarisch zu verstehen sei: “Natürlich spiele ich nicht Unterweger, sondern eine Figur in einem fiktionalen Stück”, betonte Malkovich, “das ist keine journalistische Arbeit. Die könnte ich vielleicht auch, sie interessiert mich aber nicht.” Denn der Schauspieler rühmt sich, “vielleicht nicht gerade der glücklichste Mensch der Welt”, jedenfalls aber der glücklichste Mensch, den er kenne, zu sein, weil er stets nur das machen könne, was ihn wirklich interessiere. Und für jene, die sich im Fall Unterweger für Fakten interessieren, empfahlen Sturminger und Malkovich unisono das Buch von John Leake, “Der Mann aus dem Fegefeuer” (Residenz Verlag).

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