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"Jeder ist besorgt": Wienerin berichtet aus Coronavirus-Sperrzone in Mailand

Die Coronavirus-Krise wird für die Bewohner der Sperrzonen zur Herausforderung.
Die Coronavirus-Krise wird für die Bewohner der Sperrzonen zur Herausforderung. ©APA/AFP/MIGUEL MEDINA
Die gebürtige Wienerin Barbara Friedrich lebt seit 35 Jahren in Mailand. In einem Interview schildert sie die Situation in der Sperrzone und wie die Menschen mit der Coronavirus-Epidemie umgehen.
Tausende Österreicher in "Roter Zone"

Wenig Verkehr, keine Touristen, geschlossene Museen und Kinos: In der wegen der Coronavirus-Epidemie zur Sperrzone gewordenen Metropole Mailand herrscht ungewöhnliche Ruhe. "Jeder ist besorgt, aber gleichzeitig nehmen die Mailänder die Situation humorvoll hin", sagt die Auslandsösterreicherin Barbara Friedrich, die seit 35 Jahren in Mailand lebt und hier ein Fitnessstudio betreibt.

Coronavirus legt Mailand lahm: Krise als große Herausforderung

Die gebürtige Wienerin bekommt die Auswirkungen der in der Sperrzone verhängten Restriktionen schmerzhaft zu spüren. "Mein Fitnessstudio, in dem ich Pilates-Kurse abhalte, ist schon seit zwei Wochen geschlossen und wird es bestimmt bis zum 3. April bleiben. Wir wissen nicht, wann der Höhepunkt der Infektionen erreicht wird. Einige Experten meinen, diese Krise könnte noch bis Juni dauern, das ist natürlich für uns alle eine große Herausforderung. Wir müssen mit einem mehrwöchigen oder gar mehrmonatigen Stillstand rechnen", meint die Wahlmailänderin im Gespräch mit der APA.

In Mailand vermietet Friedrich eine Ferienwohnung über die Internet-Plattform Airbnb. "März war komplett ausgebucht, doch die Touristen haben jetzt alle abgesagt. Wir können nicht voraussehen, wann der Tourismus in Mailand wieder in Bewegung kommt. Diese Krise ist keine Eintagsfliege, sondern wird zu tief greifenden Änderungen in ganz Italien führen", sagte Friedrich.

Lombardei ist Sperrzone: Wienerin darf Region nicht verlassen

Seitdem die Lombardei am Sonntag zur Sperrzone erklärt wurde, darf die Wienerin nicht die Region verlassen. Die Einschränkung der Reisefreiheit empfindet sie aus familiären Gründen als problematisch. "Ich hätte diese Woche meinen alten Vater in Wien besuchen sollen. Jetzt kann ich die Lombardei nicht mehr verlassen, die Flüge nach Wien sind gecancelt worden. Andererseits ist es besser so: Ich will für meinen Vater keine Gefährdung darstellen und will auch nicht, dass das Virus in der Welt herumspaziert", sagte die Fitness-Instruktorin.

Ihre Kontakte in Österreich machen sich um sie Sorgen. "Manchmal sind diese Sorgen auch irrational. Eine Bekannte fragte mich zuletzt, ob wir in Mailand genug zu essen hätten. Ich habe geantwortet, dass die Supermärkte voll seien und wir nicht hungern. Freunde aus alten Zeiten, die ich schon seit langem nicht mehr gehört hatte, haben sich gemeldet, um zu fragen, wie es mir ginge", erzählte die Wahlmailänderin.

Italienisches Gesundheitssystem könnte kollabieren

Die Norditaliener, die anfangs die Coronavirus-Krise heruntergespielt haben, machen sich inzwischen zunehmend Sorgen um den Halt des Gesundheitssystems, das mittlerweile von Hunderten von Infizierten mit akuten Symptomen belastet ist. "Jeder von uns hat die Verantwortung, sich an die Vorsichtsmaßnahmen zu halten, denn die Gefahr, dass das Gesundheitssystem kollabiert, ist konkret. Meine Aufgabe ist es, mich gesund zu halten. In diesem Moment mache ich mir weniger um mich, als um die Gesellschaft Sorgen", sagt Friedrich.

Wie lange die Sperrzone in der Lombardei aufrecht bleiben wird, steht in den Sternen. Friedrich meint, dass die Epidemie zu einem tief greifenden Wandel in Italien führen werde. Wirtschaft, Tourismus, und Arbeitssysteme könnten überdacht werden: "Der wirtschaftliche Einbruch könnte groß sein. Schließlich spricht man schon seit Jahren darüber, dass es bald wieder eine Rezession geben werde. Im Alltag wird es zu Änderungen kommen. So erlauben immer mehr Unternehmen in diesen außerordentlichen Tagen die Heimarbeit. Das könnte zu strukturellen Änderungen in der Arbeitsweise führen", so die Auslandsösterreicherin.

4.000 Österreicher von Maßnahmen in Italien betroffen

Im Raum Norditalien sind derzeit rund 4.000 Österreicher von den Maßnahmen betroffen, die von den italienischen Behörden gesetzt worden sind, um die weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Das teilte der Sprecher des Außenministeriums, Peter Guschelbauer, am Montag auf APA-Anfrage mit.

In den unter Quarantäne gestellten "Roten Zonen" halten sich neben heimischen Touristen etliche Auslandsösterreicher auf, die ihren Lebensmittelpunkt nach Norditalien verlagert haben. Urlauber, die in ihre Heimat zurückkehren wollen, sollten damit vorerst keine Probleme haben. Im Moment habe man keine Informationen, "dass es Schwierigkeiten beim Rauskommen gibt", sagte Guschelbauer.

Wer in diesen Tagen Urlaubsanreisen antritt, sollte sich dringend über die aktuelle Situation in der Feriendestination informieren, empfahl Guschelbauer mit Nachdruck. Das gilt im Speziellen für Kreuzfahrten, wo zuletzt Indien das Anlegen von Schiffen aus Sicherheitsgründen verboten hat. Man müsse - je nach Ferienziel - grundsätzlich damit rechnen, dass einen am Urlaubsort behördliche Maßnahmen wie Fiebermessen oder Quarantäne oder sonstige Unannehmlichkeiten erwarten können, meinte Guschelbauer.

Österreichischer Krisenstab beobachtet aktuelle Entwicklung

Nachdem Italien im Kampf gegen SARS-CoV-2 drastische Maßnahmen ergriffen hat, beobachtet der Krisenstab im Innenministerium die aktuelle Entwicklung mit Argusaugen. Die Situation in Italien sei mit jener in Österreich aber nicht vergleichbar, meinte der Sprecher des Krisenstabs, Detlef Polay. Daher seien Einschränkungen wie in Italien hierzulande vorerst kein Thema, hieß es am Montag.

Das Schließen von Kindergärten, Schulen und Universitäten ist im Moment demnach nicht angedacht. Maßnahmen in diesem Bereich wären von den zuständigen Ministerien zu setzen, sagte Polay. Was die Umsetzung der Fieber-Kontrollen an der Grenze zu Italien betrifft, die punktuell durchgeführt werden sollen, "sind dafür die Gesundheitsbehörden zuständig", hielt Polay fest. Wenn notwendig, leiste die Exekutive dabei Hilfe.

Eine Absage von Großveranstaltungen mit mehr als tausend Besuchern - der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen - steht hierzulande derzeit offenbar noch nicht bevor. Das Veranstaltungswesen falle in die mittelbare Bundesverwaltung, es gebe ein Bewertungsschema, das die zuständigen Stellen bei der Prüfung, ob Events durchgeführt werden können, berücksichtigen müssten, erläuterte Polay. Der Sprecher appellierte diesbezüglich an die jeweiligen Veranstalter bzw. die Besucher, ihre Verantwortung bzw. Eigenverantwortung wahrzunehmen.

(APA/Red)

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