IWF rät von schnellen Zinssenkungen in Europa ab

"Die Geldpolitik ist angemessen restriktiv und muss dies auch im Jahr 2024 bleiben", sagte der Leiter der Europaabteilung des IWF, Alfred Kammer, am Mittwoch. Er warnte die EZB davor, die Zinsen zu früh zu senken.
Sie hatte im Oktober nach zuvor von zehn Anhebungen in Folge erstmals eine Zinspause eingelegt. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt damit weiterhin bei 4,00 Prozent - das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999. Der Leitzins bleibt bei 4,50 Prozent.
Inflationsrate sinkt in Richtung Zielwert
Der IWF geht zwar davon aus, dass die Inflationsrate 2025 wieder die Zielmarke von zwei Prozent erreichen dürfte. Der angespannte Arbeitsmarkt könne dieses Datum jedoch auf das Jahr 2026 verschieben, warnte Kammer.
Die Arbeitslosigkeit liegt bereits auf einem Rekordtief. In vielen Branchen werden Mitarbeiter händeringend gesucht, die in den Lohnverhandlungen gute Karten haben. Die Unternehmen wiederum könnten höhere Personalkosten auf ihre Kunden abwälzen, was die Inflation hochhalten könnte. Diese will die EZB mit ihren Zinspolitik in Schach halten.
Ökonomin Weber über die Inflation
Keine tiefe Rezession erwartet
Trotz der schwachen Konjunktur rechnet der IWF mit einer "sanften Landung" der Wirtschaft im Euro-Raum und nicht mit einer tieferen Rezession, sagte Kammer. Die Wirtschaft der Euro-Zone war im Sommer überraschend geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt sank von Juli bis September um 0,1 Prozent. Experten hatten dagegen mit einer Stagnation gerechnet, nach einem Zuwachs von 0,2 Prozent im Frühjahr.
Gouverneur Holzmann gegen rasche Zinssenkungen
Auch der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (OeNB), Robert Holzmann, erteilt Börsenspekulationen auf rasche Zinssenkungen eine Absage. Mit einer baldigen Senkung der Zinsen sei nicht zu rechnen, so das Mitglied der Europäischen Zentralbank (EZB). "Irgendwann wird das geschehen, aber im Moment sehe ich das nicht." Die EZB müsse die Inflationsentwicklung genau beobachten und bereit sein, die Zinsen nötigenfalls erneut anzuheben.
"Wir müssen wachsam bleiben." Der Sieg über die Inflation sollte auf keinen Fall zu früh verkündet werden, warnte Holzmann.
"Es könnte viel, viel schlimmer sein"
Danach gefragt, ob er hinsichtlich der Wachstumsaussichten der Wirtschaft besorgt sei, sagte Holzmann: "Nicht wirklich, denn man muss bedenken, dass wir die Zinsen um 450 Basispunkte in Europa angehoben haben, und trotz dieses starken Anstiegs haben wir immer noch eine Stagflation, daher könnte es viel, viel schlimmer sein."
Von einer Stagflation sprechen Ökonomen, wenn die Wirtschaft nicht wächst und gleichzeitig die Inflation hoch ist.
Zinsen inzwischen auf "guter Reiseflughöhe"
Aus Sicht des niederländischen Notenbankchefs Klaas Knot wird die EZB die Zinsen voraussichtlich in den kommenden Monaten auf ihrem aktuellen Niveau belassen. "Ich persönlich sehe das derzeitige Niveau unserer Leitzinsen als eine gute 'Reiseflughöhe' an, auf der sie für einige Zeit bleiben können", sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB).
Dabei sei vorausgesetzt, dass die eingehenden Konjunkturdaten die jüngsten Prognosen der EZB-Volkswirte vom September bestätigen. "Wir sollten ein wenig geduldig sein und die Zinsen nicht zu sehr anheben, um die Wirtschaft nicht abzuwürgen," merkte er an.
(APA)