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IWF-Gedankenspiele schlagen auch in Deutschland Wellen

DIW-Chef Fratzscher: "Für Deutschland ist einmalige Vermögensabgabe kein Thema"
DIW-Chef Fratzscher: "Für Deutschland ist einmalige Vermögensabgabe kein Thema" ©DPA
Die Aufregung ist auch im Internet groß - wieder einmal: Seit Tagen wird in Finanz- und Anlegerforen heftig über "Zwangs- und Massenenteignungen", drohende Kontenplünderungen, Kapitalflucht oder andere Horrorszenarien fabuliert.
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Was ist passiert: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat sich mit der Idee einer Vermögensabgabe zur Schuldentilgung befasst und diese im jüngsten Oktober-Bericht zur Finanzstabilität am Rande erwähnt.

Kein Vorschlag, nur Gedankenspiel

Von einem Vorschlag des IWF oder gar einer Forderung des Fonds an die Eurozone ist – anders als teils dargestellt – längst keine Rede. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in Papieren des IWF makroökonomische Vorschläge auftauchen. Dass es sich nur um eine theoretische Möglichkeit handelt und solche Gedankenspiele in der Euro-Krise so neu nicht sind, spielt keine Rolle. Sparer sind aufgeschreckt – auch wenn eine solche Abgabe in Deutschland oder Österreich mehr als unwahrscheinlich ist.

Wirbel um 29 Zeilen-Box

Es sind gerade einmal 29 Zeilen, in einem kleinen Kasten (“Box 6”) auf Seite 49 des IWF-Berichts “Fiscal-Monitor” von Mitte Oktober versteckt – unter der fragenden Überschrift “Eine einmalige Vermögensabgabe?”. Darunter wird angesichts der drastischen Verschlechterung der Staatsfinanzen darauf verwiesen, dass in vielen Ländern die Debatte über eine einmalige Vermögensabgabe auflebt.

Und es werden in der Passage namhafte Ökonomen als “illustre Unterstützer” genannt – und es wird auf Erfahrungen nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg verwiesen. Auch Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt vor, der schon 2012 Zwangsanleihen und eine einmalige Vermögensabgabe auf höhere Privatvermögen zur Sanierung der Staatskassen vorgeschlagen hatte.

Sparer schlagen Alarm

Als Beispiel rechnen dann die IWF-Autoren durch, wie hoch eine Vermögensabgabe “auf Haushalte mit positiven Netto-Vermögen” theoretisch sein müsste, um den Schuldenstand auf Vorkrisenniveau von 2007 zu drücken in den damals 15 Euro-Ländern: Herausgekommen sind etwa 10 Prozent, die nun für Furore unter Sparern sorgt.

Für Griechenland theoretisch positiv

Zu Unrecht, wie DIW-Chef Marcel Fratzscher meint. “Für Deutschland ist eine einmalige Vermögensabgabe kein Thema.” Für Länder wie Griechenland dagegen wäre es theoretisch durchaus sehr positiv: “Eine Vermögensabgabe macht Sinn in Notsituationen.” Wenn es also ein Problem mit der Nachhaltigkeit der Staatsschulden gebe. Ein Land also kaum ein Chance hat, sich zu normalen Bedingungen Geld zu leihen, seine Ausgaben zu tätigen und damit die Staatspleite droht.

Für Deutschland kann man laut Fratzscher aber nun überhaupt nicht von einer Notsituation reden. “Es gibt keinen Anlass zu sagen, wir brauchen eine Vermögensabgabe.” Es gebe bereits jetzt Überschüsse in den öffentlichen Haushalten, der Staatsschuldenstand sinke wieder Richtung 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Es geht in der Debatte aber auch um die Frage der Verteilung. Beispiel Italien: Dort sind private Vermögen als auch Staatsschulden enorm hoch. Das Land insgesamt ist aber nicht arm, eine Abgabe wäre nicht so abwegig.

Deutsche sind so reich wie nie

Tatsache ist: Die Deutschen sind so reich wie nie – trotz Euro-Krise. Nach einer Statistik der Bundesbank haben sie insgesamt den Rekordwert von 5,027 Billionen Euro auf der hohen Kante – in Form von Bargeld, Wertpapieren und Bankeinlagen oder Ansprüchen gegenüber Versicherungen. Zugleich sind die deutschen Staatsschulden auf den Rekord von mehr als zwei Billionen Euro geklettert – auf 80 Prozent der Wirtschaftsleistung. In der Eurozone nahmen die Staatsschulden laut IWF seit 2007 von 6.000 auf inzwischen 8.600 Milliarden Euro zu.

Grund genug für Sven Giegold von den Grünen, weiter über eine Vermögensabgabe nachzudenken. Der EU-Abgeordnete spricht von einem “bemerkenswerten Kurswechsel” des IWF. Es müsse erklärt werden, wie die hohen Schuldenquoten gesenkt werden können, ohne die Wirtschaft abzuwürgen. “Wie soll man mit der riesigen Geldblase und der zugleich großen Schuldenblase umgehen?” fragt sich Giegold. Aus Sicht des Steuerrechts-Professors Joachim Wieland wäre eine einmalige Vermögensabgabe verfassungsgemäß, um die mit der Finanzkrise und Bankenrettung sprunghaft gestiegenen Staatsschulden abzubauen.

Für manchen Enteignungs-Warner ist das IWF-Gedankenspiel nur ein Mosaikstein von vielen: Da seien erst die Sparer in Zypern zur Rettung des aufgeblähten Bankensektors des Mittelmeerlandes zur Kasse gebeten worden. Und dann habe die Europäische Zentralbank (EZB) zuletzt auch noch Daten zum Vermögen privater Haushalte zusammengetragen.

(APA)

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