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Israel: Entscheidung über Gaza-Abzug

Das israelische Parlament soll in der kommenden Woche über den Vorschlag von Ministerpräsident Ariel Sharon entscheiden, alle rund 7500 Siedler und die meisten Soldaten aus dem Gaza-Streifen abzuziehen.

Der geplante Abzug bedeutet nicht das Ende der Besetzung, Israel behält sich weiter eine starke militärische Präsenz an den Grenzen vor und will den Palästinensern weder einen Hafen noch einen Flughafen in Gaza zugestehen. Meinungsumfragen lassen zwar erkennen, dass eine klare Mehrheit der Israelis die Räumung des Gaza-Streifens befürwortet, Sharon lehnt aber eine Volksabstimmung ab, die von seinen Likud-internen Kontrahenten wie Finanzminister und Ex-Premier Benjamin Netanyahu vehement gefordert wird.

Die Likud-Fraktion ist vor der Knesset-Abstimmung gespalten: 22 der 40 Mandatare würden laut Medienberichten den Premier unterstützen, 18 würden gegen seinen Plan votieren, der die Räumung von allen 21 Siedlungen im Gaza-Streifen und von vier der 120 Siedlungen im Westjordanland vorsieht. Mit Unterstützung der oppositionellen Arbeiterpartei von Ex-Premier Shimon Peres, der Linkspartei Yahad von Ex-Justizminister Yossi Beilin und der laizistischen Zentrumspartei Shinui von Vizepremier und Justizminister Tommy Lapid könne Sharon im Parlamentsplenum mit einer Mehrheit von 66 der 120 Abgeordneten rechnen, berichtete der israelische Armeerundfunk.

Der Streit um den Abzug wurde durch einen spektakulären Aufruf zur Befehlsverweigerung bei Evakuierungseinsätzen verschärft, den rund sechzig Rabbiner in den vergangenen Tagen an israelische Soldaten erlassen haben. Justizminister Lapid drohte daraufhin den religiösen Würdenträgern mit strengen Sanktionen bei weiteren Aufforderungen zum Ungehorsam. Generalstabschef Moshe Yaalon warnte vor Versuchen, die Armee in den politischen Konflikt hineinzuziehen. Unter dem Eindruck der erbitterten Auseinandersetzungen sagte Oppositionsführer Peres, er fürchte um das Leben Sharons. Der Premier bezeichnete seinerseits die Drohungen der Siedler als große Gefahr.

Israel kann nach Auffassung des Regierungschefs nur dann „jüdisch und demokratisch“ bleiben, wenn es sich aus dem Gaza-Streifen zurückzieht. „Wir können die demografischen Belange nicht ignorieren“, sagte er im Juli vor Absolventen der israelischen Militärakademie. Wer glaube, sowohl an Nezarim im Gaza-Streifen als auch an Maale Adumim im Westjordanland festhalten zu können, der „wird am Ende beides verlieren“. Doch es gelang Sharon nicht, seine eigene Likud-Partei für den Abzug gewinnen. Um im Kabinett eine Mehrheit zu haben, musste er die beiden Minister der ultrarechten „Nationalen Union“ entlassen. Seine Bemühungen um eine große Koalition mit der Arbeiterpartei durchkreuzte im August ein von den Abzugsgegnern unter dem führenden „Falken“ Uzi Landau durchgesetzter Likud-Sonderparteitag. Parlamentspräsident Reuven Rivlin übte zuletzt scharfe Kritik an Sharon, dem er vorwarf, das „Großisrael“-Dogma aufgegeben zu haben.

Die Siedler sollen nach dem Plan bis Juli kommenden Jahres ihre Häuser verlassen. Andernfalls würden die Gebäude zwangsgeräumt, hat Chefplaner Giora Eiland am Dienstag erklärt. Sollten die Siedlungen zwangsweise geräumt werden müssen, werde der Abzug verzögert.

In Ägypten, das den Gaza-Streifen vor der israelischen Okkupation im Jahr 1967 verwaltete, wird der „einseitige“ Abzug Israels als Beweis dafür gesehen, dass Sharon nicht gewillt sei, mit arabischen Staaten über Friedenslösungen zu reden. Kairo ist nicht mehr bereit, die Ausbildung palästinensischer Polizisten an Ort und Stelle zu übernehmen; nur ein kleines Kontingent soll nach Ägypten eingeladen werden.

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