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Irak: Der Druck auf Bush wächst

Nach dem Ende der Kämpfe im Irak ist in Washington immer weniger von Massenvernichtungswaffen die Rede. Die Rufe nach Beweisen für Massenvernichtungswaffen werden immer lauter.

Plötzlich stellt US-Präsident George W. Bush den erfolgreichen Sturz des Staatschefs Saddam Hussein als wichtigstes Ergebnis des Kriegs dar. Doch mehren sich zugleich auch in den USA die kritischen Stimmen, die endlich Beweise für die Existenz der Waffen fordern, die schließlich als zentraler Kriegsgrund dienten. Sonst drohe den USA ein Verlust ihrer Glaubwürdigkeit.

„Die Glaubwürdigkeit unseres Landes beruht auf unserem starken Wunsch, die Welt friedlicher zu machen“, betonte Bush am Montag. „Und die Welt ist nach unserer Entscheidung (zum Krieg) jetzt friedlicher.“ Verteidigungsminister Donald Rumsfeld beteuerte am Dienstag nur noch knapp, die US-Geheimdienstinformationen über irakische Massenvernichtungswaffen würden sich schon noch als richtig herausstellen.

Für den früheren Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski liegt längst auf der Hand, dass die US-Regierung die Gefahr gezielt übertrieben hat. „Es ist klar, dass die Beteuerungen unserer Top-Politiker vom Präsidenten abwärts, der Irak sei eine mächtige Bedrohung mit extrem gefährlichen Waffen, nicht akkurat waren“, sagte Brzezinski. „Die Glaubwürdigkeit Amerikas in der Welt hat großen Schaden genommen.“ Aus Brzezinskis Sicht muss jetzt die Frage geklärt werden, ob die US-Geheimdienstbehörden falsch informiert wurden oder unter dem Druck standen, überspitzte Darstellungen vorzulegen. Fraglich sei außerdem, „ob unsere ranghöchsten Politiker wussten, dass sie die Tatsachen drastisch übertrieben haben“, meinte Brzezinski, früherer Sicherheitsberater unter Präsident Jimmy Carter.

Andere Experten und Abgeordnete hegen ähnliche Bedenken. „Wenn man die Doktrin verfolgt, dass man auf Grundlage einer drohenden Gefahr überall einmarschieren kann, und wenn der Präsident damit Ernst macht, sollte man ganz sicher sein, dass die Geheimdienstinformationen sehr, sehr gut sind“, sagte der demokratische Senator Jay Rockefeller aus West Virginia. „Und der Geheimdienst muss auf eigenen Füßen stehen.“

Rockefellers Kollege aus dem Staat Michigan, Carl Levin, erklärte, das amerikanische Volk habe das Recht zu erfahren, wie Washington mit dem Geheimdienstmaterial verfahren sei. Ansonsten könne man von der Bevölkerung kein Vertrauen mehr erwarten, was mögliche künftige Militäraktionen angehe. „Hier steht viel auf dem Spiel“, sagte Levin. „Es geht nicht nur um den Blick zurück. Es geht um den Blick nach vorn auf den Iran und Nordkorea und auf andere Herausforderungen, die uns bevorstehen.“

Auch der scheidende UNO-Chefinspektor für Massenvernichtungswaffen, Hans Blix, übte am Dienstag noch einmal scharfe Kritik an den USA. Dass seine Inspektoren im Irak trotz allen Anstrengungen und dem vor dem Krieg aufgebauten militärischen Druck keine Massenvernichtungswaffen fanden, könnte nichts anderes als eine Reflexion der Wahrheit sein, sagte er. Das von den USA und anderen Ländern vorgelegte Geheimdienstmaterial, das die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen beweisen sollte, sei nicht sehr gut gewesen – „und das hat mich ein bisschen erschüttert“.

Leslie Gelb, der unter Carter ranghohe Positionen in Pentagon und Außenamt innehatte, gehörte auch zu denjenigen, die an die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak glaubten. Doch habe sich recht schnell herausgestellt, dass das Material der Geheimdienste keine ausreichenden Hinweise dafür liefere. Die Übertreibung der US-Regierung sei diesmal jedoch besonders drastisch, da sie als Rechtfertigung für einen Krieg diente, sagte Geld. Gerade aus den Reihen der Demokraten wird in diesem Zusammenhang immer wieder der Ruf laut nach einer parlamentarischen Untersuchung über den Umgang mit den Informationen der Geheimdienste. Republikaner hingegen sehen keine Hinweise auf ein Fehlverhalten und damit nicht die Notwendigkeit für umfassende Ermittlungen.

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