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Inzko will Verfassungsreform bis März 2010

Die internationale Gemeinschaft ist in Bosnien-Herzegowina seit dem Dayton-Friedensabkommen 1995 engagiert. Zwar hat das Land einige Fortschritte gemacht, ein großer Durchbruch ist allerdings bisher ausgeblieben. Weitere News Inzko: OHR muss noch in Bosnien bleiben
Besonders bei den notwendigen Änderungen der Verfassung, die zum Vorantreiben der euro-atlantische Integrationen notwendig sind, tritt das Land seit Jahren auf der Stelle. “Es ist die Zeit gekommen, um miteinander zu reden”, erklärte der Hohe Repräsentant Valentin Inzko bei einer Diskussion über die Verfassung Bosnien-Herzegowinas in der Diplomatischen Akademie am Mittwochabend in Wien.

“Trotz des Dayton-Abkommens hat es in Bosnien in den vergangenen Jahren große Fortschritte gegeben”, so Inzko. Die internationale Gemeinschaft hat dem Land bisher mit 2,5 Mrd. Euro geholfen. Es ist weltweit die drittgrößte Mission. Nun sei man bereit, Bosnien auch bei der Umsetzung einer Verfassungsreform unter die Arme greifen. “Wir müssen dieses Jahr nutzen, da 2010 ein Wahljahr ist”, so Inzko. Er hofft bis März 2010 einen Durchbruch zu schaffen. Dazu will er die Gesprächsatmosphäre und das Vertrauen der Politiker untereinander verbessern. “Aussagen, die das Trennende über das Einigende stellen, müssen aufhören”, forderte er.

Allerdings sei die Verfassungsreform kein Allheilmittel für die Probleme des Landes, warnte der Hohe Repräsentant. Er machte auf Versäumnisse im Land selbst aufmerksam: So sei etwa die Spitze der bosnischen Direktion für die europäische Integration auch neun Monate nach dem Abgang ihres Leiters unbesetzt. Außerdem sei Bosnien bei der Visa-Liberalisierung Schlusslicht am Balkan. Die EU hat über 174 Bedingungen – vor allem technischer Natur gestellt. Während Serbien und Mazedonien alle Bedingungen erfüllen konnten und mit Anfang 2010 mit der Visa-Liberalisierung rechnen könnten, hat Bosnien-Herzegowina rund 27 Aufgaben noch nicht erfüllt. Daher wird das Land wahrscheinlich mit einer sechsmonatige Verspätung rechnen müssen.

Für das kroatische Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums, Zeljko Komsic, war das Dayton-Abkommen “ein Segen, nun wird es allmählich zu einem Fluch”. Dayton habe den blutigen Krieg beendet, Jahre danach zeigten sich aber immer mehr Mängel. So hätten die bosnischen Institutionen nicht genügend Kapazitäten, um die notwendigen Reformen durchzuführen. Es sei oft eine Vielzahl an Zustimmung für Reformen notwendig, etwa durch Kantone oder Entitäten. Mit einem EU-Beitritt könnte man nach Meinung von Komsic sehr viele Probleme in Bosnien, aber auch auf dem gesamten Balkan gelöst werden.

Komsic betonte, dass es in seinem Land zwar wenig politischen Konsens unter den führenden Parteien gebe, aber einen breiten in der Bevölkerung, die einen Beitritt zur NATO und der EU befürworten. Nach Angaben von Mirko Pejanovic, ehemaliges Mitglied des Staatspräsidiums und derzeit Politikwissenschafter an der Universität Sarajevo, haben Umfragen unter den drei Staatsvölkern aber auch den Minderheiten eine Zustimmung zwischen 60 und 70 Prozent für euro-atlantische Integration gegeben. Leider stimmten die Menschen bei Wahlen aus Angst aber immer nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit.

Pejanovic zufolge ist zwar Bosnien-Herzegowina ein Land mit Geschichte, aber derzeit “ist es ein Staat der internationalen Gemeinschaft”. Alle wichtigen Gesetze in den vergangenen 12 Jahren hat die internationale Gemeinschaft herbeigeführt oder durch ihren Hohen Repräsentanten beschlossen.

Harsche Kritik an der politischen Führung kam vom früheren langjährige Sonderkoordinator des Südosteuropa-Stabilitätspaktes, Ex-Vizekanzler Erhard Busek. In Bosnien-Herzegowina haben die drei Staatsvölker – Bosniaken, Serben und Kroaten – Jahrzehnte lang zusammengelebt. Man müsse sich nun dazu wieder bekennen. “Glauben Sie, dass heute noch Grenzen neu gezogen werden?”, fragte er in Richtung der bosnischen Politiker. An der letzten Grenzziehung, dem Kosovo, kaue man noch heute. Busek warnt davor, dass die Stimmung in der EU zur Erweiterung im Wandel sei. Ein Beitritt könnte auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden. “Sie müssen auch immer bedenken, wie ihre Vorgehensweise nach außen wirken.” Bosnien-Herzegowina könnte für die internationale Gemeinschaft auf der Landkarte zwischen Kroatien und Serbien zum schwarzen Loch werden, mahnte Busek, den diese Entwicklung schmerze.

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