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In Wien tickt eine soziale Bombe

©APA/HANS PUNZ
Gastkommentar von Johannes Huber. Zur Entschärfung wäre eine Zusammenarbeit von Bundes- und Stadtpolitikern nötig. Aber danach schaut es nicht aus. Im Gegenteil.

Ja, man kann sich darüber wundern, dass SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner „Wohnen“ zum Wahlkampfthema erklärt hat. Andererseits: Zu ihrem Glück hat es sich gegen Klimaschutz, ÖVP-Daten-Leck und andere Dinge ohnehin nicht durchgesetzt. Das Thema ist nämlich vor allem ein Wienerisches: Die meisten Österreicherinnen und Österreicher, die entweder keine Wohnung finden oder wenn, dann nur eine, die sie sich kaum leisten können, sind in der Bundeshauptstadt zu Hause. Gefordert ist daher vor allem auch „das Rathaus“. Und das ist bekanntlich nicht schwarz-blau, sondern rot-grün geführt. Bürgermeister ist mit Michael Ludwig einer der mächtigsten Sozialdemokraten überhaupt.

Sehr viele Probleme betreffen in erster Linie Wien. Stichwort Integration. Stichwort Bildung. Stichwort Arbeitslosigkeit. Stichwort Mindestsicherung. Stichwort Verkehr. Stichwort Pflege. Und so weiter und so fort. Die Frage, warum das so ist, ist sehr einfach zu beantworten: Wien ist die einzige Millionenstadt in diesem Land. Und Millionenstädte, die noch dazu so stark wachsen, wie Wien es tut, sind mit Herausforderungen konfrontiert, die man – bei allem Respekt – in Zwettl, St. Pölten, Oberwart oder Kufstein nicht einmal vom Hörensagen kennt.

Wobei man jetzt natürlich auch Probleme anführen könnte, die es am flachen Land gibt und die in der Stadt völlig unbekannt sind. Abwanderung etwa und die ganzen Folgen, die damit einhergehen; bis hin zum Wirtshaussterben. Das jedoch verdeutlicht nur, wie wichtig eine Politik wäre, die sowohl das eine als auch das andere berücksichtigt.

Und nicht eine Politik, die das Gegeneinander befeuert: ÖVP und FPÖ feiern ihre Wahlerfolge vor allem in ländlichen Regionen. Also bedienen sie die dortigen Leute. Und zwar auch auf der Gefühlsebene. ÖVP-Klubobmann August Wöginger hat unlängst im oberösterreichischen Innviertel erklärt: „Es kann ja nicht sein, dass unsere Kinder nach Wean (Wien) fahren und als Grüne zurückkommen. Wer in unserem Hause schlaft und isst, hat auch die Volkspartei zu wählen.“ Da steckt extrem viel drinnen. Unter anderem, dass man in Wien irregleitet werde.

Das ist eine erschreckende Vorstellung, die Wöginger damit transportiert. Sie macht aber auch die Reformen der letzten eineinhalb Jahre nachvollziehbar, die er federführend entwickelt hat und die die Bundeshauptstadt besonders hart treffen. Kürzungen bei Integrationsmaßnahmen etwa; oder bei der Mindestsicherung. Sie haben dazu beigetragen, dass es tausenden Menschen erschwert wird, Deutsch zu lernen oder einfach nur über die Runden zu kommen. Das ist ein gefährliches Spiel mit sozialem Konfliktstoff.

Damit kein Missverständnis entsteht: Die rot-grüne Rathauskoalition macht bei weitem nicht alles super. Beim Wohnbau hat sie lange geschlafen. Und bei der Mindestsicherung hat sie es verabsäumt, Bezieher zu begleiten und zu kontrollieren. Das hat Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Der Punkt ist jedoch der: Wenn sie die Bundespolitik weiterhin nur gegen sich hat, schaut’s schlecht aus für Wien.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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