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ImPulsTanz: Needcompany verstört mit filigranem "Porcelain Project"

Grace Ellen Barkey zeigte im Akademietheater eine beklemmende Allegorie über Macht, Lust und Begehren - Nicht allen gefiel's. Von Sonja Harter/APA

Irgendwie sitzt jeder in seinem Elfenbeinturm, nur manchmal ist dieser eben aus Porzellan. Dass bei der Konfrontation mit anderen Elfenbeinturmbewohnern da so einiges kaputt werden kann, verwundert da nicht. Ein Naturgesetz, das sich die belgische Needcompany, die in den Jahren 2009 und 2010 als Artist-in-Residence am Wiener Burgtheater gastiert, in der Produktion “The Porcelain Project” zu Eigen gemacht hat. Gestern, Freitag, Abend war die zerbrechliche Performance der Choreografin Grace Ellen Barkey im Rahmen von ImPulsTanz im Wiener Akademietheater zu sehen – und spüren.

Als “verrücktes königliches Drama überflutet von Frivolität” wird die Produktion angekündigt, ja sogar als “dunkle Allegorie über Macht, Lust und Begehren”. Dass feines Porzellan zu Kopulationswerkzeugen umfunktioniert werden kann, überraschte so manche Zuschauer wohl dennoch. Sie gehörten nach der 90-minütigen Performance zu jenen, die demonstrativ den Saal verließen, falls sie es noch nicht getan hatten. Der Rest des Publikums bejubelte die sechs an ihren Grenzen entlangbalancierten Tänzer, die zwischen Hunderten von Lot Lemm entwickelten Porzellanobjekten die Macht und Ohnmacht der Zerbrechlichkeit ausloten.

Die aus Indonesien stammende Barkey hebt in “Porcelain Project” nicht nur die Grenzen zwischen Theater, Performance und Bildender Kunst auf, sie lässt auch die Grenzen der Geschlechter verschwimmen, um sie wenige Momente später wieder schmerzlich konkret zur Schau zu stellen. Auf zärtliche, neckische Liebesszenen zwischen zwei männlichen Tänzern folgt eine beklemmende Missbrauchsszene zwischen Mann und Frau, Momente später sind es die Männer, die sich in ihren bunten Reifenröcken abwechselnd nachstellen. Durchbrochen wird das wilde Treiben durch ins Mikrofon gesprochene Textfragmente, die von der geistigen Krankheit König Georg III. inspiriert sind.

Zum Schönsten, aber wohl für die Akteure auch Schwierigsten zählt die Verwendung des Porzellans, wenn es über die bloße Requisite hinausgeht: Da tragen die Tänzer lange, spitze Porzellannasen im Gesicht, die jedes Mal klirren, wenn sie auf Porzellanvasen, Porzellanbrüste oder gar Porzellan-Geschlechtsteile treffen. Unterstützt von der musikalischen Untermalung von Maarten Seghers, Rombout Willems und der zeitgenössischen klassischen Musik von Thomas Ades entsteht eine mal bedrohliche, dann wieder schmeichelnde Klangebene, die die erotische Dramatik des Abends auf die Spitze treibt. Ein gelungener Abend, der Lust auf die Zeit am Burgtheater macht.

Der belgische Theatermacher Jan Lauwers gründete die Needcompany im Jahr 1986 gemeinsam mit der Choreografin Grace Ellen Barkey. Die Arbeit der Truppe, nach Lauwers “mit einem konventionellen Theatersystem nicht kompatibel”, gehört heute zu den gefragtesten Ensembles. In Salzburg war heuer die siebenstündige Trilogie “Sad Face / Happy Face” zu sehen.

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