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IKG-Präsident Deutsch nimmt FPÖ Änderung den Juden gegenüber nicht ab

Oskar Deutsch will weiterhin keinen Kontakt zur FPÖ.
Oskar Deutsch will weiterhin keinen Kontakt zur FPÖ. ©APA/HERBERT PFARRHOFER
Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) wird weiterhin Holocaust-Gedenkveranstaltungen mit FPÖ-Beteiligung fernbleiben. Dies stellte IKG-Präsident Oskar Deutsch klar und begründete diese Entscheidung.
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Er nehme der FPÖ die plötzliche Änderung den Juden gegenüber “nach so langer Zeit antisemitischer Vorfälle nicht ab”, sagte Deutsch. Grundsätzlich will Deutsch die Kontakte zur FPÖ möglichst klein halten, gab er zu verstehen: “Wir haben keinen Krieg mit der FPÖ, daher muss ich auch keinen Frieden mit der FPÖ haben. Wir müssen einfach mit der FPÖ nichts zu tun haben.”

Deutsch: “14 braune Vorfälle” in der FPÖ seit Regierungsbildung

Im Prinzip komme es darauf an, wie eine große verantwortliche Gruppe der FPÖ über einen längeren Zeitpunkt agiere, sagte der Präsident. “Und da haben wir es seit Jahrzehnten immer wieder damit zutun, dass sich immer wieder freiheitliche Funktionäre antisemitisch geäußert haben. Und das ist auch noch heute so.” Seit der Regierungsbildung vor zirka acht Wochen habe es “14 braune Vorfälle” gegeben, sagte Deutsch. “Das ist systematisch, das ist sicherlich gewollt.”

Deutsch bezeichnet Antisemitismus als “Krebsgeschwür”

Es spiele dabei auch keine so große Rolle, ob die Macht der Burschenschaften in der FPÖ eine starke sei: “Es kommt in erster Linie darauf an, was die Funktionäre der FPÖ von sich geben. Ob die Funktionäre der FPÖ in einer schlagender Burschenschaft sind oder nicht, ist vielleicht ein zusätzlicher Input.” Von der durch die FPÖ eingesetzten internen Historikerkommission, die die Geschichte der Partei aufarbeiten soll, erwartet sich Deutsch nicht viel: “Das wird nicht funktionieren, ich gebe dem keine große Chance.”

Den Antisemitismus bezeichnete Deutsch als ein “Krebsgeschwür”, das man “rausschneiden” müsse. Der österreichischen wie auch der europäischen Bevölkerung müsse klargemacht werde, dass Antisemitismus “ein No-Go ist in heutiger Zeit” – und zwar “egal von welcher Seite”.

Unverständnis bei Vilimsky

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky kann die Vorwürfe des Antisemitismus und die anhaltende Ablehnung von IKG-Präsident Oskar Deutsch gegenüber der FPÖ nicht nachvollziehen. “Ich kann nur mit Unverständnis darauf reagieren, weil wir sehr viele Kontakte zu jüdischen Mitbürgern habe, die sich sehr positiv gestalten”, sagte der Freiheitliche zur APA.

“Uns Antisemitismus vorzuwerfen, ist eine rein parteipolitische Motivation”, meinte Vilimsky. Der Vorwurf entbehre “jeglicher faktischen Grundlage”. Auch die von Deutsch angesprochenen “14 braunen Vorfälle” seit der Regierungsbildung versteht der Generalsekretär nicht: “Mir ist kein einziger bekannt”, eventuell meine Deutsch die Causa Landbauer – diese habe aber “mit der Partei nichts zu tun”, sagte Vilimsky. Die FPÖ würde bei antisemitischen Vorfällen “rasch die Konsequenzen ziehen”, betonte er.

Vilimsky bedauert Schritt der IKG

Dass Deutsch weiterhin Holocaust-Gedenkveranstaltungen mit FPÖ-Beteiligung fernbleiben will, bedauerte Vilimsky neuerlich: “Wir halten unsere Tore offen zur IKG. Wir sehen uns mit der Situation konfrontiert, dass Deutsch da blockiert. Aber nichtsdestotrotz sind Kontakte zu jüdischen Mitbürgern vorhanden und gut – auch auf internationaler Ebene”, so Vilimsky.

Der älteste Holocaustüberlebende Österreichs und Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, Marko Feingold, hat sich unterdessen in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin “Stern” durchaus offen für die schwarz-blaue Regierung gezeigt: Er wünsche sich, seinen 105. Geburtstag mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu feiern, bestätigte er auf eine entsprechende Frage: “Ja, weil ich glaube, ich kann auf sie einwirken. Der Strache hat schon halb zugesagt.”

Vilimsky sieht Antisemitismus bei SPÖ-Politikern

Persönlich habe er die antisemitischeren Politiker in der SPÖ erlebt, etwa Karl Renner. In den 1950er-Jahren habe er selbst Antisemitismus in der SPÖ erfahren, “seitdem war ich raus aus der Partei”, sagte Feingold. Erst seit kurzem sei er wieder als “Ehrenmitglied” Teil der SPÖ. Von Kurz halte er “sehr viel”, meinte Feingold. “Ich habe immer den Eindruck gehabt, er will sich nicht bloß sympathisch machen, sondern geht wirklich aus Überzeugung auf Juden zu.”

Zwischen dem Europa der Dreißigerjahre und jenem von heute sieht Feingold keine Parallelen: “Gar nicht. Der Antisemitismus ist immer geblieben. Eine Zeit lang hatten wir Ruhe, jetzt ist er wieder massiv da. Aber Anhänger von Diktaturen sind selten geworden. Leute wie Le Pen oder Orban sind keine Judenfreunde, aber sie sind etwas ganz anderes, als die Nazis waren.” Nicht verstehen könne er aber etwa, dass die Europäische Union Gelder nach Palästina schickt, “obwohl dort nachweislich in Schulen gelehrt wird, dass man die Juden umzubringen hat”.

Experten: FPÖ will Nähe zu Israel, um von Antisemitismus abzulenken

Die Soziologin Karin Stögner und der Politologe Stephan Grigat waren sich im APA-Interview darin einig, dass die FPÖ die Nähe zu Israel aus PR-Gründen sucht. “Im Jahr 2000 war es für die Freiheitlichen ein Desaster auf internationaler Bühne, dass, als die FPÖ in die Regierung gekommen ist, Israel den Botschafter abgezogen hat”, erklärte Grigat vergangene Woche.

Die FPÖ Führung wisse darum, dass sich so etwas im Falle einer weiteren Regierungsbeteiligung nicht wiederholen dürfe. “Deswegen hat sie vor einigen Jahren schlicht die strategische Überlegung getroffen, eine bessere Verbindung zu Israel anzustreben”, sagte der Politologe. “Das heißt nicht, dass man zum Antisemitismus ein anderes Verhältnis einnehmen würde – man sollte das auch getrennt voneinander betrachten”, betonte Stögner. Für sie ist der Antisemitismus in der FPÖ “verdeckt und latent.” “Die Frage bleibt bestehen, wie glaubwürdig die Pro-Israel-Haltung einer Partei ist, die eine Außenministerin bestellt, die den Zionismus als Blut-und-Boden-Ideologie bezeichnet hat”, sagte sie.

Beide Experten lehren sowohl an österreichischen als auch an israelischen Universitäten und werden an der einwöchigen “An End to Antisemitism”-Konferenz teilnehmen, die am Sonntag in Wien beginnt.

“Die FPÖ hat nach wie vor ein massives Problem mit Antisemitismus”, sagte Stögner. “Die sogenannten Einzelfälle, die auch Führungspersonen betreffen, häufen sich”, so die Soziologin. “Man versucht sich von dem offensichtlichen Antisemitismus zu lösen – das gelingt jedoch wegen der Verbindung zu den deutsch-völkischen Burschenschaften nur schwer”, analysierte Grigat, für den die Burschenschaften eine entscheidende Rolle in der Partei spielen – aktuell mehr als unter dem damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider.

Von der angekündigten Aufarbeitung des “problematischen Verhältnisses” der Burschenschaften zur nationalsozialistischen Vergangenheit durch eine Historikerkommission erwartet sich Stögner kaum ernsthafte Veränderungen. Durch die enge Verbindung der Partei zu den Burschenschaften bekäme die FPÖ “ein Problem”, wenn “ernsthaft aufgearbeitet” würde. “Dann löst sie sich selbst auf”, sagte sie. “Das ist keine unabhängige Historikerkommission, die da eingesetzt wird. Da werden die eigenen verstaubten Funktionäre wieder hervorgezerrt – das taugt nicht einmal zu einer Feigenblattaktion”, fuhr sie fort.

Trotz der Annäherungsversuche seitens der FPÖ will die israelische Regierung bisher keinen Kontakt zu FPÖ-Ministern pflegen. “Der israelische Präsident Reuven Rivlin hat bereits Anfang 2017 erklärt, dass selbst aus politisch-strategischen Gründen eine Zusammenarbeit mit Parteien wie der FPÖ moralisch unmöglich sei”, erklärte Grigat.

Glicks Besuch in Wien “nicht repräsentativ”

Dass der Abgeordnete der israelischen Regierungspartei Likud, Yehuda Glick, vergangene Woche FPÖ-Mitglieder besucht hat, bewertet Grigat als “nicht repräsentativ”. “Glick ist in Israel im Likud und gesamtgesellschaftlich sehr umstritten”, erklärte er. “Ich habe die Bilder gesehen, wie (Vizekanzler Anm.) Heinz Christian Strache und (FPÖ-Generalsekretär, Anm.) Harald Vilimsky dort stehen und sich freuen, dass sie jetzt endlich einen israelischen Juden haben – eigentlich ist das ziemlich peinlich, weil sie sich offensichtlich nicht bewusst sind, was für eine Außenseiterfigur sie sich da eingeladen haben”, fügte er hinzu.

Mögliche inhaltliche Überschneidungen zwischen Likud und der FPÖ relativierten beide Experten. “Israel ist hinsichtlich der Sicherheitslage völlig anders einzuschätzen als Österreich”, sagte Stögner. Für sie läuft der Sicherheitsdiskurs der FPÖ nur auf das Schüren von Ängsten hinaus, wohingegen in Israel die Sicherheitspolitik eine Notwendigkeit darstellt. “Die israelische Gesellschaft und Politik funktioniert völlig anders, sodass selbst ähnlich klingende Ansätze in einem völlig anderen Kontext stehen”, erklärte Grigat.

Der Politologe betonte, dass man in Israel ein besseres Verständnis für die islamistische Bedrohung habe, weil man unmittelbar davon betroffen sei. “Es gibt einige in Israel, die hoffen, dass das Thema durch den Einfluss von Parteien wie der FPÖ in Europa mehr ins Bewusstsein kommt. Sie sehen aber gleichzeitig die Gefahr, dass die Parteien gegen Muslime hetzen”, berichtete er.

Beide Experten berichteten, dass die FPÖ in Israel öffentlich bekannt sei. “Die FPÖ steht unter Beobachtung”, so der Politikwissenschafter. “Die Entscheidung der Regierung, zur Außenministerin eines EU-Landes keine Kontakte zu pflegen, ist schwerwiegend. Darüber wurde berichtet und seitdem wird alles, was mit der FPÖ passiert, dort aufmerksam verfolgt”, sagte er.

Vor allem die Liederbuch-Affäre sei in Israel wahrgenommen worden. “Darüber hat man im Jänner schon gesprochen”, sagte Stögner, denn dieser Skandal sei “selbst für österreichische Verhältnisse etwas besonderes.” Grigat fügte hinzu, dass sich die Bestürzung in Israel über die Affäre jedoch in Grenzen halte, da man von Österreich kaum anderes erwarte. “Die bekanntesten österreichischen Politiker in Israel sind Hitler, Haider und Kreisky. Kreisky kommt aus einem völlig anderen Milieu aber er hat Arafat und die (palästinensische Befreiungsorganisation, Anm.) PLO hoffähig gemacht”, sagte er. Grund für den Skeptizismus sei vor allem die mangelnde Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Österreich. “Bis in die Waldheim-Zeit ist gar nichts passiert”, sagte er.

APA/Red.

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