IG Kultur kritisiert neues Kulturprogramm der Vorarlberger Landesregierung

Die neue schwarz-blaue Landesregierung in Vorarlberg hat am 6. November ein knapp 100 Seiten umfassendes Arbeitsprogramm vorgestellt. Unter dem Motto „Der Vorarlberger Weg – mit Mut und Verantwortung für unser Land“ umfasst der Plan auch Maßnahmen für Kunst und Kultur. Das Programm wird jedoch von der IG Kultur Vorarlberg als unkonkret kritisiert, insbesondere was die Arbeitsbedingungen und Förderung junger Künstlerbetrifft. In einem Statement äußerte die Interessensvertretung deutliche Zweifel an der Umsetzbarkeit der angekündigten Maßnahmen.
IG Kultur kritisiert: Kein klares Bekenntnis zu Fair Pay
Ein besonderer Kritikpunkt der IG Kultur betrifft das Thema faire Entlohnung. Die Regierung verweist im Arbeitsprogramm auf den österreichweiten „Fairness Codex in Kunst und Kultur“, verzichtet aber auf eine klare Zusage zur Fair-Pay-Initiative. Die IG Kultur interpretiert dies als Indiz für einen strikten Sparkurs und kritisiert die geplante zusätzliche Datenerhebung als „bürokratische Hürde“, die den Fortschritt bremse. „Alle Argumente und Maßnahmen für ein zukunftsorientiertes, faires und professionelles Kunst- und Kulturschaffen liegen ja schon eine Weile auf dem politischen Tisch. Jetzt gilt es, den von den Koalitionspartnern erklärten Vorarlberger Mut auch in Zahlen auszudrücken“, so Mirjam Steinbock, Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg. Die Interessensvertretung fordert stattdessen die sofortige Umsetzung der bereits bestehenden Handlungsempfehlungen aus der Einkommensstudie des Landes Vorarlberg.

Produktionsbedingungen für Künstlerbleiben schwierig
Auch die Bedingungen für Künstler, die in Vorarlberg arbeiten, bewertet die IG Kultur kritisch. Zwar sollen Atelierförderungen fortgeführt werden, doch fehle es nach wie vor an langfristigen Raumlösungen, die es Künstlerermöglichen, unter stabilen Bedingungen zu arbeiten. Hier sei auch eine stärkere Kooperation mit der Privatwirtschaft notwendig, um das bestehende Raumdefizit zu beheben. Maßnahmen wie Residency-Programme und die Ausweitung von Stipendien seien zwar im Programm genannt, doch lassen konkrete Umsetzungspläne auf sich warten.
Jugendkultur im Programm kaum berücksichtigt
Im Bereich Jugendkultur sieht die IG Kultur weiteren Nachholbedarf. Das Regierungsprogramm bezieht sich auf bestehende Projekte wie „Freie Fahrt zur Kultur“ und das Engagement des Projekts Double Check, bringt jedoch keine neuen Ansätze zur Förderung junger Talente. Die IG Kultur verweist darauf, dass in der Kulturstrategie bereits Vorschläge zur Schaffung einer vielfältigen und inklusiven Jugendkultur formuliert wurden, die nun keine Beachtung finden. Junge Menschen wünschten sich mehr Möglichkeiten zur Vernetzung und Zusammenarbeit, betont die IG Kultur, die Regierung verfolge jedoch weiterhin einen konservativen Ansatz.
Förderstruktur und Industriegeschichte
Die Landesregierung plant, die bestehenden Förderinstrumente zu evaluieren und zu aktualisieren. Inwieweit Vertreterder Kulturszene in diesen Prozess eingebunden werden, bleibt jedoch unklar. Positiv bewertet die IG Kultur die Entscheidung der Regierung, auf ein zentrales Industriemuseum zu verzichten und die Industriegeschichte dezentral in bestehenden Museen zu präsentieren. Diese Lösung sei, so die IG Kultur, politisch und wirtschaftlich sinnvoll, da sie sowohl die regionalen Unterschiede berücksichtige als auch knappe Kulturressourcen schone.
Ein vorsichtiger Kulturkurs mit Interpretationsspielraum
Die IG Kultur beschreibt das Regierungsprogramm als „zurückhaltend formuliert“ und verweist auf einen wohl geplanten Sparkurs der neuen Regierung. In vielen Punkten bleibt das Programm vage, vor allem bei der Frage, wie die geplanten Maßnahmen konkret finanziert und umgesetzt werden sollen. Erst das Kulturbudget für das Jahr 2025 wird zeigen, wie stark die neue Landesregierung den Kultursektor tatsächlich unterstützen wird.
Im Wortlaut - aus dem Arbeitsprogramm der Vorarlberger Landesregierung zum Thema Kultur
4.5 Kultur leben und erleben im ganzen Land
Kunst und Kultur in den Regionen
Die Landesregierung fördert die kulturbezogene Regionalentwicklung durch strategische Prozesse und Initiativen, in enger Zusammenarbeit mit Kulturträgern und traditionellen Verbänden wie dem Blasmusik-, Chor-, Trachten- und Amateurtheaterverband. Die Stärkung der Verbandsstrukturen und Mehrjahresvereinbarungen soll diese Partnerschaften sichern. Die Strategie „Kulturraum Vorarlberg 2025+“ bleibt Basis für die Zusammenarbeit von Kultur und Tourismus, mit Fokus auf Digitalisierung und kulturtouristische Impulse zur Stärkung der Marke Vorarlberg.
Vorarlberger Kulturhäuser
Das Vorarlberger Landestheater wird saniert, einschließlich einer Neugestaltung des Karl-Tizian-Platzes, die den Theaterzugang und die Aufenthaltsqualität verbessert. Das Kunsthaus Bregenz soll seine internationale Position in der zeitgenössischen Kunst beibehalten. Das vorarlberg museum strebt weiter an, sich dauerhaft als Sammlungs- und Forschungszentrum zu etablieren, unterstützt durch eine Sammlungsstrategie, erweiterte Kulturvermittlung und eine neue Dauerausstellung zur Landesgeschichte.
Kunstankäufe
Der Ankauf von Werken zeitgenössischer Kunst mit Vorarlberg-Bezug bereichert nicht nur die Sammlung, sondern unterstützt auch die Kunstschaffenden. Dieses Vorhaben wird weitergeführt.
Online-Depot
Eine allgemein zugängliche Darstellung der Kunstsammlung des Landes im digitalen Raum wird angestrebt.
Landesnahe Einrichtungen
Das Land Vorarlberg nimmt seine Verantwortung aus der strategischen Steuerungsrolle bei landesnahen Einrichtungen (inatura, Jüdisches Museum und Frauenmuseum) weiterhin aktiv wahr und unterstützt deren Entwicklungsprozesse. Institutionen wie das Symphonieorchester Vorarlberg, das S-MAK und das Literaturhaus, in deren strategische Planung das Land Vorarlberg bisher eingebunden war, werden auch zukünftig unterstützt und begleitet.
Faire Honorare und Professionalisierung in der freien Szene
Die Landesregierung setzt sich – aufbauend auf dem „Fairness Codex in Kunst und Kultur in Österreich“ – gemeinsam mit Bund, Gemeinden und Trägern für eine fairere Bezahlung ein. Dazu werden Veranstaltungen zu steuerlichen, sozial- und versicherungsrechtlichen Themen organisiert. Eine zusätzliche Datenerhebung soll Handlungsempfehlungen, Zeitrahmen und Kosten für Verbesserungen liefern. Um Menschen in Kunst und Kultur grundlegende Kenntnisse in Projektmanagement, Recht und Fördermöglichkeiten zu vermitteln, wird der Ausbau von Beratungen in Kooperation mit bestehenden Institutionen erwogen.
Produktionsprozesse unterstützen
Die Stärkung der räumlichen und strukturellen Bedingungen soll die Produktionsbedingungen für Kunstschaffende verbessern. Atelierförderungen werden fortgeführt, Entwicklungsareale unterstützt und die digitale Infrastruktur ausgebaut. Zudem wird die Neukonzeption von „Residency“-Programmen für internationale Kunstschaffende angestrebt. Längerfristige Förderinstrumente wie Stipendien werden ausgeweitet.
Evaluierung und Aktualisierung der Förderinstrumente
Ein Evaluierungsprozess soll die Förderinstrumente an aktuelle Bedürfnisse anpassen und Empfehlungen zur Aktualisierung entwickeln. Dabei werden Veränderungen in der Kultur- und Kunstlandschaft sowie in den einzelnen Sparten berücksichtigt. Der Ausbau digitaler und analoger Kommunikationswege mit Fokus auf digitalen Kanälen sowie die Digitalisierung der Fördereinreichungen sollen den Zugang erleichtern.
Kulturelles und immaterielles Erbe
Die Landesregierung trägt aktiv dazu bei, die kulturellen Traditionen und das Erbe der Region lebendig zu halten und für zukünftige Generationen zu bewahren. Sie bekennt sich zum Erhalt und zur Pflege von baukulturellem Erbe und baulichen Kulturgütern. Um bauliche Kulturgüter in Vorarlberg zu erhalten, wird ein ressortübergreifender Kulturlandschaftsfonds eingerichtet.
Jugendkultur und junge Talente
Das Erfolgsmodell „Freie Fahrt zur Kultur“ für Schulen und Kindergärten, das seit kurzem in Kooperation mit dem Fürstentum Liechtenstein und dem Kanton St.Gallen angeboten wird, bleibt erhalten. Dies stärkt den niederschwelligen Zugang zu Museen. Zudem soll ein zusätzliches Förderinstrument zur spezifischen Stärkung junger Talente geprüft werden. Double Check bleibt weiterhin ein enger Partner.
Kulturelle Teilhabe und Zugänge schaffen
Die Unterstützung von Kunst- und Kulturformaten, die einen niederschwelligen, barrierefreien und unentgeltlichen Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen, wird fortgesetzt. Neue Begegnungs- und Erfahrungsformate und die Ergebnisse der (Nicht-)Publikumsforschung werden auf die darin empfohlenen Maßnahmen geprüft. Besonderen Wert legen wir auf das ehrenamtliche Engagement.
Film und Kino
Um die Film- und Kinolandschaft möglichst zu erhalten, braucht es eine nachhaltige Struktur. Hierfür wurde ein breiter Prozess gestartet, der diese Entwicklung in die Zukunft begleiten soll.
Industriegeschichte
Vorarlberg bekennt sich zu einer dezentralen Darstellung seiner Industriegeschichte mit Bezug auf die einzelnen Regionen.
Sichtbarkeit von Klein- und Themenmuseen unterstützen
Klein- und Themenmuseen sind wichtige kulturelle Schätze Vorarlbergs, die das reiche Erbe und die Vielfalt unseres Landes bewahren und präsentieren. Wir setzen uns dafür ein, diese Museen in ihrer Entwicklung verstärkt zu unterstützen.
Wichtige Punkte im Überblick
- Arbeitsprogramm: 100 Seiten; Schwerpunkt auf regionale Kulturförderung und Identität
- Fair Pay: Keine konkrete Zusage zur Umsetzung; Datenstudie geplant
- Produktionsbedingungen: Atelierförderungen bestehen, Bedarf an mehr Raumangebot
- Jugendkultur: Keine neuen Fördermodelle; Forderung nach Vernetzung und barrierefreiem Zugang
- Fördersysteme: Überarbeitung geplant; Einbindung der Kulturszene unklar
- Industriemuseum: Dezentral in bestehende Museen integriert
(VOL.AT)