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„Ich bin noch genau der gleiche Rebell wie früher“

Walter Batruel, die menschgewordene „Blues Machine“, gewährt WANN & WO private Einblicke.
Walter Batruel, die menschgewordene „Blues Machine“, gewährt WANN & WO private Einblicke. ©Sams
Blues-Legende Walter Batruel spricht mit WANN & WO über seine unvergleichliche Laufbahn, die „Piraten von der Teufelsinsel“, brennende Baumhütten, Stripperinnen zum Geburtstag und #fridaysforfuture.

von Joachim Mangard/Wann & Wo

WANN & WO: Der „Rebell vom Alta Rhi“ – wie viel Rebellion steckt noch in dir?

Walter Batruel: Natürlich bin ich älter geworden, aber ich bin noch genau der gleiche Rebell wie früher. Zumindest glaube ich das, und wenn ich meine Frau frage, wird sie das sicher bestätigen. Inzwischen geht die Gesellschaft aber auch mit Menschen wie mir viel toleranter um. Auch ein Verdienst, den wir alten 68er uns erkämpft haben. Wenn es um die „Costa del Rhi“, unseren Platz am Alten Rhein, geht, sind wir aber seit rund 45 Jahren im Clinch mit den Schweizer Behörden.

WANN & WO: Von welchen Problemen reden wir hier?

Walter Batruel: Einerseits waren die Behörden, vor allem die Eidgenossen, wenig von unseren selbst gebauten Booten und Flößen angetan. Andererseits sorgten einige unserer „baulichen Maßnahmen“ für Stress. Als wir gezwungen wurden, unser großflächiges Baumhaus abzureißen, haben wir es kurzerhand angezündet und es als Filmkulisse für einen Super-8-Streifen verwendet.

WANN & WO: Reinhold Bilgeri erlernte ja dort quasi das Filmemachen – auch als Pirat?

Walter Batruel: Genau – gemeinsam mit ihm, Heli Burtscher und Armin Egle haben wir den Film „Die Piraten von der Teufelsinsel“ und weitere Projekte auf Celluloid gebannt. Die „Costa del Rhi“ war und ist ein unheimlich aufgeladener Ort der Inspiration.

WANN & WO: Zurück zur Musik: Wann hast du dich für eine professionelle Laufbahn entschieden?

Walter Batruel: Eigentlich recht früh. Zuerst hat mein Vater versucht, mich in verschiedenen Lehrberufen unterzubringen – vom Automechaniker zum Möbelbauer oder Elektriker. Darüber bin ich sehr froh, so konnte ich mein handwerkliches Geschick erlernen. Den Einstieg zur Musik erhielt ich über meine Mutter, die unbedingt wollte, dass ich Handorgel lerne. Dann kamen die Beatles und ich verbrachte jede freie Sekunde mitmeiner Gitarre, um meinen Idolen nachzueifern. Mit 17 entschied ich mich dann für ein Engagement bei den „Allumettes“, unserer ersten Band. Dann folgte die Zeit mit den Gamblers und wir haben unseren Traum vom Musikerleben in die Tat umgesetzt.

WANN & WO: Wie hat das damals recht „biedere“ Vorarlberg auf Rocker wie euch reagiert?

Walter Batruel: Unsere Eltern wurden angeprangert, dass sie so etwas zulassen würden. Mein Vater hat sich da aber immer raus gehalten. Schon allein wegen unserer Haarpracht standen wir oft vor verschlossenen Türen, außer beim Chinesen „Mufti“, dem war’s egal. Im Schlosscafé hat man uns gar nicht bedient. Dann ist einer von uns in den Löwen rüber, hat vier Bier geholt und die haben wir dann getrunken. Stress wollten sie ja auch nicht (schmunzelt).

WANN & WO: Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll?

Walter Batruel: Natürlich, da haben wir nichts ausgelassen. Ich kann mich noch gut an einen Gig in der Schweiz erinnern. Irgendein Engländer hat mir damals ein paar Pillen angeboten, dazu ein „Spez“. Spritzen waren aber immer tabu. Ich kann nur jedem Jungen sagen, dass Drogen nur ein kurzes Vergnügen darstellen, mit Konsequenzen, die ein ganzes Leben zerstören können.

WANN & WO: Hattet ihr nie Probleme mit den Gesetzeshütern?

Walter Batruel: Nie, wir waren immer brav (lacht). Einzig mit den Zollbeamten, da könnte ich viele Geschichten erzählen. Mit langen Haaren war man automatisch ein „Giftler“. Einmal wurden wir an der Schweizer Grenze mit dem Blues Mobil Stunden lang fest gehalten. Wir mussten das ganze Equipment ausladen und der Drogenhund, ein Schäfer, hat permanent angeschlagen. Die Zöllner wollten uns partout nicht glauben, dass der Hund sicher meine Schäferhündin roch. Gefunden haben sie natürlich nichts. Und das Gefängnis von innen gesehen habe ich nur bei ein paar Auftritten.

WANN & WO: Hast du ein Konzert besonders in Erinnerung?

Walter Batruel: Da gab es unzählige, egal ob in Mallorca, Dornbirn oder New Orleans. Ich kann mich aber noch gut an einen Gig in Winterthur erinnern, wir waren die Vorgruppe von Status Quo. Die Band kam dann ohne Equipment daher und spielte über unsere Anlage. Heute fungiert die alte Box, die ich aus einem Schrank gezimmert hatte, als Bar in meinen eigenen Privaträumen.

WANN & WO: Wie ist deine „Blues Machine“ entstanden?

Walter Batruel: Irgendwann habe ich gemerkt, dass es mit den verschiedenen, ständig wechselnden Band-Formationen nicht so gut funktioniert. Also habe ich angefangen zu tüfteln und die „Blues Machine“ als Ein-Mann-Band konzipiert, inklusive verschiedener Instrumente wie Schlagzeug, Gitarre, Harmonika, usw. – die kleinste Bigband der Welt war geboren und wir haben ganz Europa damit bereist. Inzwischen habe ich eine kleinere Version davon, die immer noch im Einsatz ist, zuletzt bei der „Langen Nacht der Musik“ in Bregenz.

WANN & WO: Du warst ja immer unterwegs, wie hast du deine Frau Ulli kennengelernt?

Walter Batruel: Damals im Club 70 in Bregenz. Sie war von Anfang an dabei und hat mich mit all meinen Marotten akzeptiert. Und am längsten durchgehalten, bis heute. Sie hat aber auch gewusst, worauf sie sich einlässt.

WANN & WO: Stimmt es, dass sie dir zum Geburtstag eine Stripperin gemietet hat?

Walter Batruel: Zu einem runden Jahrestag von mir hat sie das wirklich. Das größte Problem hatte damit aber interessanterweise die Schwiegermama (schmunzelt).

WANN & WO: Was hat sich für euch verändert, als eure Tochter auf die Welt kam?

Walter Batruel: Ich war mir meiner Verantwortung als Vater von Anfang an bewusst und habe dann aber angefangen, für die Wäscherei Troll im ganzen Land Hotelwäsche auszufahren. Ich wollte meiner Familie einfach Sicherheit geben. Dabei konnte ich aber meine Zeit frei einteilen und die Musik blieb damit nicht auf der Strecke.

WANN & WO: Wie ist sie aufgewachsen?

Walter Batruel: Ich glaube, wir haben ihr eine wundervolle Kindheit ermöglicht, mit viel Natur, inklusive Übernachtungen an der „Costa del Rhi“. Das Rebellen-Gen hat sie aber nicht von mir, sie war immer ein unheimlich liebes und unkompliziertes Kind. Und ist inzwischen selbst zweifache Mutter.

WANN & WO: Wie ist deine Freundschaft zu deinem Wegbegleiter und Roadie Django entstanden?

Walter Batruel: Angefangen hat es in Götzis, vor rund 40 Jahren. Ich hatte dort ein Zimmer und als ich mir damals einen Verstärker angeschaut habe, saß Manfred alias Django dort. Er ist dann mit mir mitgekommen und seitdem eigentlich immer dabei (schmunzelt). Und inzwischen zählt er zur Familie.

WANN & WO: Wie geht es dir gesundheitlich?

Walter Batruel: Für meine 72 Jahre bin ich noch bestens in Schuss, auch was meine Haarpracht betrifft (schmunzelt). Ich habe gerade eine Magenverkleinerung hinter mir und rund 20 Kilo abgenommen. Ich kann glücklich sein, dass es mir gut geht. Viele meiner Wegbegleiter haben den letzten Gang bereits beschritten. Das Rauchen ist mir noch als Laster verblieben, ich habe auch schon mehrere Male versucht, damit aufzuhören.

WANN & WO: Apropos letzter Gang – 1971 verwehrte die Vorarlberger Landesregierung die zweite Auflage des Flint-Festivals.

Walter Batruel: Das war eine Riesensauerei. Das Establishment, damals in Form der Landesregierung um Herbert Keßler, konnte mit dem Festival, das im Vorjahr schon ein großer Erfolg gewesen war, nichts anfangen. Neben Auftritten unserer Band lasen Künstler und Autoren wie Michael Köhlmeier selbst verfasste Protesttexte. Also wurde es kurzerhand unterbunden, und das Gelände unter Naturschutz gestellt. Wir haben dann das Festival in Form eines Sarges auf der Autobahntrasse zu Grabe getragen.

WANN & WO: Wie stehst du zur #fridaysforfuture-Bewegung. Sollte die Jugend mehr auf die Straße?

Walter Batruel: Das ist sehr zu begrüßen, es geht ja um ihre Zukunft. Wir kommen, so wie es ausschaut, noch einmal davon. Unsere Kinder und Jugendliche haben alles Recht der Welt, ihren Planeten einzufordern. Wenn ich Menschen wie Präsident Trump an der Spitze von Großmächten sehe, wird mir Angst und Bange.

WANN & WO: Wie stehst du generell zur Politik?

Walter Batruel: In Deutschland gefallen mir die Grünen ganz gut. Unsere Generation war geprägt von Widerstand, egal ob weltweit als Kind der Woodstock-Bewegung oder in Vorarlberg, wenn ich an die „Fußach“-Affäre denke, oder „Flint lebt“. Es ist schön zu sehen, dass der Geist der Rebellion auch bei unseren Jugendlichen viel präsenter ist, als so manch einer glauben würde.

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