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Hundert Migrantinnen in Wien-Döbling mitten im Sprachkurs umgesiedelt

Das AMS Wien-Währing sah sich kürzlich mit einem ungewöhnlichen Protest konfrontiert. Dutzende Migrantinnen waren aufmarschiert, um dagegen zu protestieren, dass sie mitten in ihren Sprachkursen umgesiedelt wurden - in ein anderes Schulungszentrum in einem anderen Bezirk, mit neuen Trainern.

Die betroffenen Frauen wollten die Behörde mit Briefen und Unterschriftenlisten – “Wir sind zufrieden”, “Lassen Sie uns hier weiterlernen” – umstimmen. Die Kurse wurden dennoch von einem Tag auf den anderen abgebrochen. Das AMS begründete dies mit “kurzfristig nicht behebbaren infrastrukturellen Mängeln” im “Zentrum Döbling”.

Praktisch ohne Vorwarnung stornierte das AMS die laufenden Kurse im “Zentrum Döbling”, die es selbst im Rahmen der “Integrationsoffensive Deutsch 08” an diese Erwachsenenbildungseinrichtung vergeben hatte. Einen Monat nach dem Start des Unterfangens, bei dem es um mehr als hundert lernwillige Frauen geht. Am 14. Februar langte im Zentrum Döbling ein Fax mit dem Hinweis ein, “auf Grund baurechtlicher Aspekte” und der “nicht vorgabemäßigen räumlichen wie technischen Infrastruktur” würden die Schulungen tags darauf beendet.

Auf Anfrage der Zentrumsleiterin wurden beim Arbeitsmarktservice bauliche Mängel ins Treffen geführt, wie zu kleiner Informationsraum, ein Durchgangszimmer, Räume durch Vorhänge und nicht Türen getrennt und zuletzt nicht-ergonomische Sitze. Mängel, die sich hätten beheben lassen, hätte das AMS vorher darauf hingewiesen, so die Leiterin des “Zentrum Döbling”. Allerdings habe es keine Reklamation gegeben – zwei Kontrollteams, die zu Kursbeginn erschienen, hätten nichts beanstandet.

Demgegenüber sagte ein AMS-Sprecher auf Anfrage, in den Räumen wäre “wegen kurzfristig nicht behebbarer Mängel” der Kurserfolg “nicht gewährleistet” gewesen. Wenn die infrastrukturellen Standards nicht erfüllt seien, dann könne ein Kurs abgebrochen werden; auch eine Kündigungsfrist bestehe nicht. Über die Abgeltung der bisher aufgelaufenen Kosten an das “Zentrum Döbling” wollte der Sprecher keine Angaben machen. Über das neue Schulungszentrum der betroffenen Frauen wisse er nicht Bescheid.

Am 15. Februar wurden den Kursteilnehmerinnen von AMS-Vertretern Briefe in die Hand gedrückt, wo zu lesen stand, dass sie ab Montag in einem anderen Zentrum im 17. Bezirk zu erscheinen hätten. Sonst würden sie die Arbeitslosenunterstützung verlieren. Die Migrantinnen protestierten lauthals, 30 signierten eine Unterschriftenliste unter dem Motto “Wir wollen bleiben”. 70 Frauen marschierten los – zum AMS Währung und zum AMS Landstraße. Einige gaben unterdessen Protestbriefe ab: “Wir haben uns gerade integriert. Es passt uns alles.” Oder: “Wir bitten Ihnen, das Sie uns nicht woanders schicken” – denn die Frauen stammen durchwegs aus Döbling.

Erst Mitte Dezember des Vorjahres war die Behörde an das zertifizierte private Sprachinstitut herangetreten mit dem Ersuchen, 100 Deutsch-Kursteilnehmerinnen im Rahmen der “Integrationsoffensive Deutsch 08” zu übernehmen. Das kleine “Zentrum Döbling” legte Projektprofil, Finanzplan und erforderliche Nachweise über bisherige Kurse vor. Binnen drei Wochen wurden weitere Räumlichkeiten gemietet, Trainer getestet und nach den AMS-Vorgaben ausgewählt. Am 14. Jänner starteten die ersten fünf Kurse, am 11. Februar fünf weitere. Am 14. Februar flatterte die Kündigung ins Zentrum, mit Wirkung vom 15.

Zurück bleibt das “Zentrum Döbling”, das vom AMS noch kein Geld für die einen Monat lang durchgeführten Kurse – verbunden mit Trainer- und Umbaukosten – erhalten hat. 100.000 Euro waren dem Vernehmen nach vom AMS für diese Schulungsmaßnahme in Döbling veranschlagt, die nun in Hernals weitergeführt wird. Zurück blieben auch hundert verstörte Frauen, die neue Kurse anfangen müssen, obwohl sie beteuerten: “Wir sind zufrieden, sowohl von den Räumlichkeiten als auch von den Lehrern.” Eine Betroffene meinte: “Wir dachten, so etwas gibt es nur in unserem Heimatland.” Wenigstens ihren laufenden Kurs hätten die Frauen abschließen wollen.

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