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Hoffnung für eingezwängte Passagiere

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Flugsicherheitsbehörde will wegen Thrombose-Risiko Mindestabstand bei Sitzen. Fluggesellschaften geben Gesundheitstipps für Passagiere.

Manchmal erinnern die Unterhaltungsprogramme an Bord von Langstreckenfliegern an Gymnastikvideos. Die Fusszehen soll man im Kreis bewegen, die Oberschenkel anheben oder die Waden leicht massieren. Auch lockere Kleidung und genügend Flüssigkeitszufuhr werden empfohlen. Die Tipps haben einen ernsten Hintergrund: Gerade mit engen Sitzen auf Langstreckenflügen steigt bei Bewegungsmangel das Risiko von Blutgerinnseln, die schlimmsten Fall tödlich enden können.Die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA will deswegen einen Mindestabstand bei Sitzen einführen.

Immer größer – immer dicker
Den Experten, die mit strengen Augen neue Flugzeugtypen zulassen, bereitet besonders eine Entwicklung Sorgen: Die Bevölkerung und damit auch Passagiere werden im Schnitt immer grösser und immer dicker. Damit haben sie in der manchmal sehr beengten Touristenklasse weniger Bewegungsfreiheit. „So entstehen Thrombosen“, sagt EASA-Sprecherin Elisabeth Schöffmann. Studien zufolge steigt das Risiko nach Flugreisen um das Zwei- bis Vierfache, wobei die Gefahr parallel zur Flugdauer zunimmt. Die genaue Ursache dafür ist zwar unbekannt, Forscher machen aber meist die enge Sitzhaltung und Bewegungsmangel verantwortlich. Bei anfälligen Menschen spielen vermutlich auch die sauerstoffarme Umgebung und der niedrige Luftdruck eine Rolle. Bei einer Thrombose können sich in den Beinvenen Blutgerinnsel bilden. Löst sich ein Gerinnsel, kann es ein Blutgefäss in der Lunge verstopfen. Diese so genannte Embolie ist lebensgefährlich. Seit den 90er Jahren ist das Problem unter dem Namen „Touristenklasse-Syndrom“ bekannt, auch wenn Fluggesellschaften oft darauf hinweisen, dass Passagiere in den gehobenen Klassen ebenfalls betroffen sein können. Bislang gibt es für Flugzeughersteller zumindest auf europäischer Ebene keine konkreten Vorschriften für einen Mindestabstand.

90 Sekunden
Der ergibt sich nur indirekt: Egal ob eine Maschine 200 oder 500 Passagiere hat – in einem Notfall müssen sie innerhalb von 90 Sekunden im Freien sein. Besteht ein Hersteller diesen Test nicht, muss er das Kabinendesign verändern oder bekommt keine Zulassung für seinen neuen Typ. Airbus gelang es im März, 873 Passagiere und Besatzungsmitglieder aus dem neuen Superjumbo A380 innerhalb von 78 Sekunden in Sicherheit zu bringen. Genaue Zahlen für einen guten Mindestabstand zwischen den Sitzen will die EASA noch nicht machen. Die Behörde ist nach eigenen Angaben in Gesprächen mit Flugzeugherstellern und prüft mögliche Vorschriften intern. EASA-Sprecher Daniel Höltgen gibt sich aber optimistisch: „Wir rechnen damit, dass schon im nächsten Jahr eine Abstandsregelung kommt“, sagt er in einem „Bild“-Interview.

Angenehme Zentimeter
Viele Passagiere würden dies begrüssen, denn der Sitzabstand ist bislang in der Touristenklasse oft alles andere als üppig: Manchmal beträgt er nur 71 Zentimeter. Die Lufthansa bietet nach eigenen Angaben auf Langstreckenflügen zwischen 79 und 89 Zentimeter. Bei Singapore Airlines können Passagiere zumindest auf Ultralangstrecken-Flügen zwischen Südostasien und den USA ihre Beine mit einem Abstand von 94 Zentimetern bequem ausstrecken. Beide Fluggesellschaften investieren in neue Sitze für die Economy Class, mit denen Passagiere auch mehr Kniefreiheit haben sollen. Und die chinesische Cathay Pacific wirbt mit neuen Sitzen, die beim Zurückklappen der Lehne den Hintermann nicht mehr einzwängen.

Viele Fragen noch offen
Wie viele Zentimeter künftig als Mindestabstand in Maschinen gelten sollen, ist laut EASA genauso unklar wie die Frage, ob der Standard nur für neue Flugzeuge gelten soll oder auch für bereits ausgelieferte Maschinen. Keine Rücksicht will die Behörde darauf nehmen, ob eine Maschine auf kurzen oder langen Verbindungen unterwegs ist. „Wie das Flugzeug eingesetzt wird, ist für uns nicht relevant“, betont Sprecherin Schöffmann. Ein Billigflieger, der mit kurzen Flügen zwischen Deutschland und England pendelt, wäre genauso betroffen wie Ferienflieger, die mehrere Stunden Richtung Türkei oder Kanaren unterwegs sind. Sollte die EASA strenge Richtlinien für einen Mindestabstand verabschieden, müssten manche Fluggesellschaften die Anzahl ihrer Sitze in einer Maschine verringern. Passagiere würden die Änderungen nicht nur beim Komfort bemerken. Weil jeder Sitz für die Gesellschaften Geld bedeutet, würden die Tickets vermutlich teurer werden.

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