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Hoch gepokert und alles verloren - Opel verlässt Bochum

Gesamter Standort in zwei Jahren geschlossen.
Gesamter Standort in zwei Jahren geschlossen. ©AP
Bochums Opelaner sind kampferprobt. Legendär wurde ihr wilder Streik gegen Stellenabbau im Herbst 2004. Doch jetzt stehen sie mit leeren Händen da. Am Freitag bestätigte das Unternehmen, dass nicht nur die Autoproduktion Ende 2014 ausläuft, sondern auch das Ersatzteillager mit 420 Arbeitsplätzen schließt. Damit ist der ganze Standort - einst ein Vorzeigeprojekt des Strukturwandels in der früheren Bergarbeiterstadt - in knapp zwei Jahren dicht. Die Zahl der Betroffenen erhöht sich auf rund 3.700 - eine Katastrophe für die ganze Region.

Legendäre Autos wie der “Kadett” oder der vielzitierte Opel “Manta” wurde hier gebaut. Mehr als 20.000 Menschen plus Zulieferern gab das Werk einst Arbeit. Jetzt sieht die Zukunft düster aus. “Ende 2014 bin ich 51 – das wird sehr schwer”, sagt ein Bochumer Opelaner.

Betriebsrat pokerte

Die Bochumer hatten im März als einziges Opel-Werk und mit großer Mehrheit die Pläne der Unternehmensleitung abgelehnt, die ein langsameres Auslaufen der Bochumer Produktion nicht 2014, sondern bis Ende 2016 und hohe Investitionen in Ersatzarbeitsplätze vorsahen.

Misstrauen gegen die Zusagen der Opel/GM-Spitze war dabei im Spiel und sicher auch ein gutes Stück Gepoker. Die Mitarbeiter vertrauten den Zusicherungen ihres Betriebsratschefs Rainer Einenkel, dass Bochum schon aus Produktionsgründen gar nicht Ende 2014 geschlossen werden könne. Denn Bochum baut den aktuellen Zafira, dessen Produktzyklus bis 2016 läuft. Eine Verlagerung der gesamten Produktion wäre viel zu teuer gewesen, glaubten die Bochumer.

“Keine Strafaktion”

Doch das Kalkül ging nicht auf und nach der Ablehnung aus Bochum drehte das Opel-Management den Stecker auf “Aus”. “Am 1. Jänner 2015 ist Opel weg aus Bochum”, heißt es aus dem Unternehmen. Die Zafira-Produktion wird verlagert – auch wenn dies teuer wird. Und das Ersatzteillager, das mit dem Sanierungsplan auf 600 Jobs erweitert und dauerhaft betrieben worden wäre, schließt Opel jetzt ganz. “Das ist keine Strafaktion”, beteuert ein Opel-Sprecher. Einen wirklichen Grund kann er aber für die Entscheidung auch nicht nennen – außer, dass das Lager der Vermarktung eines Werksteils im Weg gestanden hätte.

Als es zu spät war, hatten in den vergangenen Tagen noch viele Opelaner bei der IG Metall gefragt, ob sie erneut über den Opel-Plan abstimmen – also ihn doch noch annehmen – könnten. Doch jetzt wollte die Firmenspitze nicht mehr. Offenbar ist die Verlagerung einer ganzen Produktionsstraße plus Abfindungen für tausende Mitarbeiter aus Sicht des Managements immer noch günstiger als ein Werk mit nur 50-prozentiger Auslastung mitten in der Absatzkrise jahrelang weiter Autos bauen zu lassen.

Nokia als mahnendes Vorbild

Die Stadt steht mit der Entscheidung viel schneller als gedacht vor der Frage, was mit dem 170 Hektar großen Opel-Gelände in bester Lage mit Autobahnanschluss künftig passieren soll. Die Gründung einer Entwicklungsgesellschaft mit Stadt, Land und Opel-Unterstützung verzögert sich vorerst. Zweistellige Millionenbeträge sollen fließen, um neue Firmen auf die Grundstücke zu locken. Für Kinderspielplätze ist das Gelände wegen historischer Bodenbelastung jedenfalls nicht geeignet.

Der Blick auf die Entwicklung nach dem Abzug des einstigen Bochumer Groß-Arbeitgebers Nokia 2008 ist geeignet, die Opelaner um den Schlaf zu bringen. Auch dort gab es große Proteste und ein 53-Millionen-Euro-Hilfsprogramm – aber ohne wirklich durchschlagenden Erfolg. 4.000 Menschen hatten einst bei Nokia gearbeitet, bis heute sind ganze 1400 neue Jobs auf der ehemaligen Werksfläche wieder angesiedelt worden. “Hoffentlich sind wir erfolgreicher als Nokia”, sagt der Bochumer Opel-Sprecher.

(APA)

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