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Historisch geringe Pleitewelle - Kreditschutzverband warnt

Durch staatliche Hilfspakete werden Unternehmen künstlich am Leben gehalten, kritisiert der Kreditschutzverband.
Durch staatliche Hilfspakete werden Unternehmen künstlich am Leben gehalten, kritisiert der Kreditschutzverband. ©APA/Themenbild
Der österreichischen Wirtschaft geht es deutlich schlechter als es die aktuellen Insolvenzzahlen vermuten lassen. Schuld sei ein "politischer Kunstgriff", warnt der Kreditschutzverband KSV1870.

Operative Ursachen sind in Österreich auch während der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg der Hauptgrund für insolvente Betriebe.

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Neun von zehn heimischen Unternehmen müssen sich mit den finanziellen Folgen der Pandemie beschäftigen, trotzdem ist die Corona-Krise in den vergangenen zwölf Monaten nicht zum Auslöser Nummer eins von Firmenpleiten mutiert – das sind weiterhin zu fast 40 Prozent operative Ursachen. Die Wirtschaftskrise selbst ist seit Beginn des ersten Lockdowns für knapp 14 Prozent aller insolventen Unternehmen verantwortlich. Zudem beschleunigt sie zum Teil auch Pleiten, deren finanzielle Miseren einen gänzlich anderen Ursprung haben. Aber: Sobald die staatlichen Fördermaßnahmen ein Ende finden und weitaus mehr Betriebe in massive finanzielle Turbulenzen geraten, werde die Pandemie als Pleitenursache steigen. Zu diesem Ergebnis gelangt die KSV1870 Ursachenanalyse von rund 1.300 Firmenpleiten seit Beginn des ersten Lockdowns.

Die Corona-Krise hat Österreichs Wirtschaft seit über einem Jahr fest im Griff – und der Trend des Vorjahres setzte sich zuletzt fort: In den vergangenen sechs Monaten wurden hierzulande um rund 60 Prozent weniger Firmenpleiten als vor der Krise gezählt. "Das auf den ersten Blick positive Ergebnis ist für die heimische Wirtschaft alles andere als erfreulich. Langfristig gesehen können dadurch weitaus gravierendere Probleme entstehen als dies zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin schon der Fall ist", erklärt MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz.

Covid-19 beschleunigt finanziellen Notstand

Unbeeindruckt von der anhaltenden Weltwirtschaftskrise sind operative Ursachen (39 Prozent) trotz eines kleinen Minus von 3,5 Prozent gegenüber 2019 nach wie vor der mit Abstand häufigste Auslöser einer Firmenpleite in Österreich. Zu den operativen Mängeln zählen Absatz- und Finanzierungsschwächen, eine schlechte Kostenstruktur aufgrund einer fehlerhaften Organisation, mangelndes Controlling und Fehler in der Auswahl oder Führung von Mitarbeitern. Auf Platz zwei rangieren mit 19
Prozent "Unbeherrschbare Umstände" – zu dieser Kategorie zählt auch die Corona-Krise mit knapp 14 Prozent. Darüber hinaus tritt die Pandemie zum Teil auch als Beschleuniger von Insolvenzen in Erscheinung, deren ursächliche Gründe eigentlich andere sind. "Es ist zu erwarten, dass der Faktor Corona ab jenem Moment steigen wird, in dem die staatlichen Hilfsgelder ein Ende finden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt müssen auch jene Unternehmen der finanziellen Realität ins Auge blicken, die aktuell künstlich am Leben gehalten werden", so Götze. Dann wird für viele Betriebe der Schuldenberg nicht mehr zu stemmen sein und es besteht vielerorts die Gefahr einer vollständigen Liquidation. Das auch deshalb, weil seitens der Unternehmen häufig zu lange mit einer Sanierung gewartet wird und in einem späten Stadium mitunter nicht einmal mehr die Gerichtskosten gedeckt werden können.

Rechtzeitige Sanierung als Ausweg

Der KSV1870 appelliert an finanziell gefährdete Unternehmen, sich frühzeitig mit den Möglichkeiten einer Sanierung zu beschäftigen, um eine vollständige Liquidation der Firma tunlichst zu vermeiden. "Am Ende des Tages muss das Hauptaugenmerk darauf gerichtet werden, möglichst viele Jobs zu retten, um die Existenzgrundlage der Menschen nicht zu gefährden", so Götze. Zusätzlich geht es auch darum, dass nicht noch mehr Betriebe in eine finanzielle Instabilität geraten, die aktuell auf wirtschaftlich gesunden Beinen stehen. Das würde aus volkswirtschaftlicher Sicht eine weitere nachhaltige Schwächung des gesamten Wirtschaftsstandortes Österreich bedeuten.

Gründungsfehler treiben Firmen in den Ruin

Ein Faktor, der nach wie vor zahlreiche Betriebe in die Insolvenz schlittern lässt, sind mit etwas mehr als 17 Prozent (gegenüber 20,9 Prozent in 2019) gravierende Gründungsfehler seitens der Unternehmer selbst. Hier sind vor allem fehlendes Branchen-Know-how, das Fehlen jeglicher Eignung als Unternehmer oder zu geringes Eigenkapital zu nennen. Knapp dahinter auf Position vier rangiert mit knapp 15 Prozent persönliches Verschulden bzw. Fahrlässigkeit. Zu dieser Kategorie zählen strafbare Handlungen, die Nachlässigkeit der Geschäftsführung oder zu hohe Entnahmen.

Strategische Fehler eher die Ausnahme

Im Gegensatz zu den Jahren zuvor sind strategische Ursachen mit knapp 6 Prozent im Moment etwas seltener (- 4,6 Prozent gegenüber 2019) der Auslöser für eine Firmenpleite. Als Hauptgrund ist hier eine mangelhafte oder zu späte Reaktion auf etwaige Marktveränderungen zu nennen. Darüber hinaus sind externe Vorkommnisse (knapp 4 Prozent) in Form von plötzlich auftretenden rechtlichen Änderungen, kurzfristig veränderten Finanzierungsrahmen oder einem zahlungsunfähigen Geschäftspartner weiterhin jene Ursachen, die in den seltensten Fällen zu einer Insolvenz führen.

Ausblick: Anstieg erst im 2. Halbjahr 2021 erwartet

Eines ist klar, so die KSV1870: Der österreichischen Wirtschaft geht es angesichts der anhaltenden Corona-Krise deutlich schlechter als es die aktuellen Insolvenzzahlen vermuten ließen. Dass es nach wie vor eine derart geringe Anzahl an Firmenpleiten gibt – im ersten Quartal 2021 wurde der niedrigste Wert an Firmenpleiten seit 1977 erzielt –, und sich darüber hinaus auch die Corona-bedingten Fälle in einem überschaubaren Ausmaß bewegen, ist nicht zuletzt den politischen Kunstgriffen ins heimische Insolvenzsystem geschuldet. Ein System, das seit vielen Jahrzehnten ein Erfolgsmodell sei – selbst im internationalen Vergleich. Aus heutiger Sicht geht der KSV1870 davon aus, dass sowohl die Zahl der Firmenpleiten als auch jene der Corona-bedingten Insolvenzen frühestens im Herbst 2021 steigen werden. Zudem sei es durchaus vorstellbar, dass am Ende des laufenden Jahres die Zahl der Firmenpleiten nicht dramatisch höher ausfallen könnte als im Vorjahr.

(Red.)

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