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Hier regiert die FPÖ

©APA/ROLAND SCHLAGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Wie mächtig Strache und Co. wirklich sind, merkt man an der Sprache von Kurz und Ludwig.

Klar, streng genommen sind die Freiheitlichen sowohl auf Bundesebene als auch in Wien nur zweite: Im einen Fall stellen nicht sie den Kanzler, sondern die ÖVP. Und im anderen Fall kommt der Bürgermeister nicht aus ihren Reihen, sondern aus sozialdemokratischen. Schaut man genauer hin, stellt man jedoch fest, dass sie regieren. Und zwar in dem Sinne, dass sie bestimmend sind.

Eine Kostprobe hat man diese Woche auf der Bundesebene bekommen: FPÖ-Chef, Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat in einem Interview mit der „Kronenzeitung“ einen Begriff der „Identitären“ aufgegriffen und davon gesprochen, dass es einen „Bevölkerungsaustausch“ gebe. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) meidet die „Identitären“ und lehnt den Begriff daher ab. Allerdings nicht, ohne einen anderen in die Debatte einzubringen: „Massenmigration“.

Googelt man das, stellt man fest, dass dieses Wort auch nicht gerade von Vertretern der politischen Mitte, geschweige denn Linken verwendet wird. Im Gegenteil. Und Kurz lieferte in einem Interview in der „ZiB2“ gleich auch eine Darstellung mit, die für Außenstehende die „Massenmigration“ so bedrohlich macht wie einen „Bevölkerungsaustausch“: Kurz stellt die Wanderungsbewegungen so dar, als würden hauptsächlich Afrikaner, Syrer, Afghanen und Iraker zu uns kommen.

Das ist sachlich falsch, machen diese Leute heute doch etwa nur ein Zehntel der Zuwanderer nach Österreich aus. Aber Fakten spielen in diesem Zusammenhang exakt keine Rolle: Hier geht es um Gefühle bzw. darum, dass sehr viele Österreicher seit der Flüchtlingskrise 2015 zutiefst verunsichert sind, wenn es um Flucht und Migration geht. Allein schon der Gedanke daran macht ihnen Angst.

Wie einst Jörg Haider hat Heinz-Christian Strache das in den vergangenen Jahren begriffen und politisch ausgeschlachtet, indem er vor einem Untergang des Abendlandes warnte und einen Zuwanderungsstopp forderte. Wobei eines zum anderen führte: Wenn man den Menschen einredet, dass ihre Heimat verschwinden könnte, werden sie wohl auch der Meinung sein, dass man die Grenzen dicht machen muss.

Das ist im Hinblick auf die EU-Wahlen sehr wahrscheinlich noch immer so wirkungsvoll, dass Kurz Strache das Feld nicht alleine überlassen möchte. Mit etwas anderen Worten kopiert er diesen vielmehr: Strache spricht von einem „Bevölkerungsaustausch“, er von einer anhaltenden „Massenmigration“. Ziel: Die Mehrheit der verängstigten Leute möge bei der EU-Wahl schwarz bzw. türkis wählen. Bei der Nationalratswahl 2017 haben sie das getan.

Im Hinblick auf die Wiener Gemeinderatswahl tritt auch die SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig als Reaktion der Strache-FPÖ auf: Wie Kurz bedient sie sich dabei nur etwas anderer Worte. Der „Wien-Bonus“ ist im Grunde genommen jedoch nichts anderes als eine positive Version freiheitlicher Fremdenpolitik: Er ist insofern gegen Zuwanderer aus dem In- und Ausland gerichtet, als er Personen, die schon länger in der Stadt leben, bei Wohnungs- und Jobvergaben bevorzugt. Das SPÖ-Kalkül ist klar: Verunsicherten Wählern soll vermittelt werden, dass ihr Wien nicht gefährdet ist, sondern noch immer ihnen gehört.

Ohne FPÖ würde Kurz nicht von „Massenmigration“ und Ludwig nicht von einem „Wien-Bonus“ reden. Das heißt im Umkehrschluss: Ohne Kurz und Ludwig würde die FPÖ möglicherweise sowohl den Kanzler als auch den Bürgermeister der Bundeshauptstadt stellen. Dann hätte sie auch formal das Sagen. Doch das kann ja noch werden, zumal sich Ludwig im kommenden Jahr in einer Gemeinderatswahl erst behaupten muss.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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