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Heiligabend 1945

Am 24.XII. 45 kehrte Lorenz King heim
Am 24.XII. 45 kehrte Lorenz King heim ©Rupp
Lorenz King - Heimkehr am 24.12.1945

Der 87jährige Hörbranzer Lorenz King wurde am 10.8.1923 geboren und musste 1941 im Alter von 18 Jahren zur Wehrmacht einrücken und wurde als Pionier ausgebildet. An der Eismeerfront war eine seiner Hauptaufgaben – gemeinsam mit anderen Pionieren – Bunker zu bauen.
Aber auch “gefährliche” Aufgaben waren zu erledigen:
“Als ich am Eismeer war, bekamen 11 Kameraden aus dem Regiment und ich den Befehl, die Erkennungsmarken der gefallenen Soldaten zwischen den Fronten einzusammeln. Wenn es möglich war, sollten wir auch die Toten bergen. Dies war ein sehr schwieriges Unterfangen, weil wir uns sehr langsam bewegen mussten, damit wir nicht entdeckt wurden. Diese Aktion wurde bald eingestellt, weil es zu viele Verluste gab.
Gefangennahme
Ab Oktober 1944 hatten wir den Befehl erhalten, uns über Norwegen zurück zu ziehen, da Finnland kapituliert hatte. Als der Rückzug zu Ende war, versprach man uns Soldaten Heimaturlaub. Wir wurden aber gleich wieder an die Front ins Rheinland weiterversetzt. Dort geriet ich mit einem anderen Kameraden am 2. Februar 1945 in die französische Gefangenschaft. Um 02.00 Uhr nachts lag ich gemeinsam mit einem Kameraden im Schützengraben. Als wir bemerkten, dass wir von den Alliierten umzingelt waren, schlug ich meinem Kameraden vor, unsere Waffen zu vergraben, ein weißes Taschentuch auf einen Stock zu binden und uns zu ergeben. Dadurch kamen wir in die Gefangenschaft. Dies rettete uns schließlich das Leben.”

Lorenz King kam zu einer französischen Bauernfamilie, wo es ihm gut erging:
“Der Bauernhof befand sich in der Nähe von Lyon. Ich war von Mitte Mai bis Dezember dort. Es waren sehr nette Leute. Sie haben mich sehr gut behandelt. Ich durfte bei der Bauernfamilie im Haus essen und am Sonntag mit in die Kirche. Ich habe aber nichts verstanden, weil es alles auf Französisch war. Ich hatte auch mein eigenes Zimmer. Es war oberhalb des Stalles. Es war eigentlich für Knechte gedacht. Ich musste mich nämlich um die Tiere kümmern.”

Mitte Dezember 1945 kam Lorenz King in ein Sammellager. Von dort wurde er – gemeinsam mit vielen anderen Österreichern in einen Zug (Viehwaggons) gebracht. In der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember 1945 gelangte dieser Zug über die Schweiz nach Feldkirch. King und die übrigen Vorarlberger hofften, nun schnell nach Hause zu kommen. Doch es erging der Befehl, dass alle Heimkehrer nach Innsbruck in das Entlassungslager Reichenau mitfahren müssen.

“Dort kamen wir in der Früh des 24. Dezember an. Die Heimkehrer drängten auf die Entlassung. Doch es hieß, dies sei nicht möglich, da viele Besatzungssoldaten im Weihnachtsurlaub seien. Plötzlich, es war etwa 15 Uhr, kam die Nachricht: Die Vorarlberger dürfen heim. Wir rannten ins Entlassungsbüro, wo wir alle unsere Entlassungspapiere erhielten. Darauf sausten wir zum Innsbrucker Hauptbahnhof und fuhren durch Vorarlberg. Ich stieg in Bregenz aus. Es war schon spät in der Nacht, etwa 23 Uhr 30. Auf dem Heimweg traf ich zwei weitere Heimkehrer, nämlich Erwin Gieselbrecht und Xaver Kohlhaupt, die beide leider schon verstorben sind.

Die Ankunft
Meine Familie wusste nicht, dass ich am 24.12. 1945 nach Hause kam, da der Termin verschoben worden war. Als ich nun vor meinem Elternhaus stand, war alles dunkel. Da dachte ich mir, dass alle in der Mette sind. So machte ich mich schnell auf den Weg zur Kirche. Auf dem unteren Kirchplatz angekommen, spielten einige Musiker mit Trompeten und Klarinetten auf dem Kirchturm ‚Stille Nacht’. Ich blieb stehen – das Lied berührte mich tief. Die Mette war gerade vorbei und die Menschen strömten auf den Friedhof. Dort ging ich nun auch hin. Am Grabe meines Vaters traf ich – noch während des Liedes – meine Angehörigen. Wir fielen uns in die Arme. In meiner alten, zerlumpten Wehrmachtsuniform stand ich armselig – aber sehr glücklich – inmitten meiner Angehörigen. Zu Hause angekommen, gab es noch viel zu erzählen, bevor ich mich nach etwa 1 Stunde erschöpft und müde ins Bett legte.
Ich war ohne jedes Gepäck nach Hause zurückgekehrt. So erhielt ich einen alten Anzug, mit dem ich am 25. Dezember als ‚Zivilist’ ins Hochamt gehen konnte. Das Erleben des Heiligen Abends 1945 prägte mich tief. Jedes Jahr besuchte ich nun die Mette und immer kamen die Gedanken an die glückliche Heimkehr an diesem besonderen Tag. Seit etwa 10 Jahren kann ich die Mette aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr besuchen. Die Zeit verbringe ich bei meiner großen, selbst gebauten Krippe, die – mittlerweile das ganze Jahr hindurch – bei mir zu Hause aufgestellt ist.
Weihnachten 1945 war ein Ereignis, das heute noch tief in mir ist.”

(Dieser Bericht basiert in seinen Kernaussagen auf einem Interview, das die ehemaligen Hörbranzer Hauptschüler Martin Mühlbacher und Nico Soddu im Frühjahr 2010 für das Buch-Projekt ‚1945. Ende und Neubeginn. Leiblachtaler Schüler fragen – Zeitzeugen erinnern sich’ mit Herrn Lorenz King durchführten.)
Bericht: Willi Rupp

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