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Hebeins großer Bluff

Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber.
Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Gastkommentar von Johannes Huber. „Autofreie City“ ist eine starke Ansage. Kurzfristig könnten die Grünen damit sogar punkten. Obwohl nichts dahintersteckt.

Auch die Grünen sind nicht blöd. Sie wissen, wie man Schlagzeile macht: Die Botschaft muss stimmen, der Inhalt ist egal. Also schritt Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) zur Aktion und vereinbarte mit Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) etwas, was unter dem Titel „Autofreie City“ prompt durch alle Medien ging. Soziale, digitale, klassische, einfach alle. Klingt ja wirklich „historisch“ (Hebein).

Und natürlich: Rote, pinke und blaue Politiker werden die Grünen beneiden. Unabhängig vom Inhalt wären sie froh, wenn sie auch einmal eine Geschichte liefern könnten, die symbolisch voll ihrer Kernkompetenz entspricht. Die Grünen stehen jedenfalls für Klimaschutz und gegen Autoverkehr. Und im vorliegenden Fall ist es ihnen gelungen, das zumindest vordergründig zu unterstreichen.

Im Hinblick auf die Gemeinderatswahl im Oktober könnte die Aktion durchaus Stimmen bringen. Anhänger der Grünen, die enttäuscht darüber sind, dass sie auf Bundesebene an der Seite der ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz gar so wenig aufzeigen, sind möglicherweise beruhigt. Es geht ja doch, wenn man will, hat Hebein nun gezeigt.

Konkret: Sie hat ihren Koalitionspartner, die sonst so selbstbewusste SPÖ von Bürgermeister Michel Ludwig, bei der „autofreien City“ überrumpelt: Ludwig und Co. hatten nichts mitzureden und sind damit auch blamiert worden. Signal: Sie sind gar nicht so mächtig, wie sie immer tun.

Das wiederum könnte den Grünen zum Verhängnis werden: Was sie auf der einen Seite an Stimmen gewinnen, riskieren sie auf einer anderen. Nachdem sie so mit der SPÖ umgesprungen sind, kann man ihnen zutrauen, dass sie nach der Gemeinderatswahl mit der ÖVP und einer weiteren Partei das „rote Wien“ kippen. Das mag viele freuen. Gerade Linke, die den Grünen durchaus zugetan wären, muss das jedoch irritieren.

Doch zurück zur „autofreien City“, die in Wirklichkeit ein ziemlich großer Bluff ist: Durchgangsverkehr gibt es schon heue nicht mehr in der Inneren Stadt. Wenn, dann fahren Besucher diverser Luxusgeschäfte rein. Ihnen (und allen anderen) wird das weiterhin möglich sein, wenn sie eine Garage aufsuchen.

Im Grunde genommen ist das Untergeschoss des 1. Bezirks ja eine einzige Garage: Unterm Stephansplatz gibt es eine, unterm Hof, dem Hohen Markt, der Freyung und bald auch unterm Neuen Markt. Allein sie weisen 2000 Stellplätze auf. Und das sind noch lange nicht alle, die Garagenliste geht über die erwähnten Beispiele hinaus. Die Preise sind halt krass: Vier Euro pro Stunde sind normal. Andererseits: Wenn das Parken auf der Straße künftig nicht mehr möglich ist, wird die Zufahrt zur Innenstadt unter diesen Umständen eher nur betuchten Autofahrern vorbehalten sein. Der Masse bleiben U-Bahn, Rad fahren und Zufußgehen. Auch nicht schlecht (im Gegenteil), ab sofort aber eben immer auch ein feiner, sozialer Unterschied.

Wenn schon gerecht und vor allem ökologisch, hätte sich Hebein ein Vorbild an Italien nehmen können: In Florenz zum Beispiel darf man mit dem Auto ausschließlich mit einer Berechtigung in die City. Und sonst gar nicht. Weder zu einer Garage noch zu sonst irgendetwas. Basta. Aber eine solche Lösung hätte mehr Substanz als eine bloße Schlagzeile gehabt. Und das war für die Gemeinendratswahl offenbar vollkommen überflüssig.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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