Sehr besorgt äußert sich der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) zum Entwurf des neuen ORF-Gesetzes und der geplanten Digitalnovelle und warnt vor einer medienpolitischen Fehlentwicklung.
VÖZ sieht Medienvielfalt bedroht
"Aufgrund der dominanten Marktposition des ORF in vielen Bereichen - insbesondere als Marktführer im Digitalbereich - droht bei einer ungebremsten Ausweitung seiner digitalen Möglichkeiten ein massiver Einschnitt in der heimischen Medienvielfalt", sagt VÖZ-Präsident Markus Mair. "Bei der Gesetzwerdung sind die politischen Akteure dazu angehalten, die gesamte österreichische Medienlandschaft im Auge zu behalten und für einen fairen Interessenausgleich zu sorgen." Vor diesem Hintergrund fordern der VÖZ und seine Mitglieder weitere Gespräche im Zuge des Begutachtungsverfahrens ein. Dabei werde man nach Kräften eine drohende weitere Wettbewerbsverzerrung auf dem Medienmarkt durch entsprechende Vorschläge und Maßnahmen zu verhindern suchen, wie der VÖZ-Präsident versichert. "Denn aufgrund der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage steht die Medienvielfalt in Österreich auf dem Spiel - dessen müssen sich die politischen Akteure bewusst sein", so Mair abschließend.
NEOS: ORF-Gesetz verschärft die Krise der Medien
"Das ist keine Reform, das ist eine vergebene Chance", sagt NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter in einer ersten Reaktion auf die Präsentation des neuen ORF-Gesetzes. "So bekämpft die Regierung die schwere Krise, in der sich Österreichs Medien und damit unsere Demokratie befinden, nicht, so verschärft sie sie nur noch."
Henrike Brandstötter: "Kernauftrag des ORF ... die Regierenden glücklich zu machen"
Für ein neues ORF-Gesetz hätte man zwingend den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag schärfen und neu definieren müssen, damit der ORF den großen Herausforderungen unserer Zeit adäquat begegnen kann, so Brandstötter. "Doch die Regierung hat sich gegen eine Gremienreform entschieden, gegen die Abschaffung der Landesabgabe, gegen die Abschaffung des Anhörungsrechts der Landeshauptleute. Sie meint also weiterhin, dass der Kernauftrag des ORF ist, die Regierenden glücklich zu machen. Kernauftrag des ORF ist aber, qualitätsvolle Information zu liefern. Und das ist nur möglich, wenn der Einfluss der Parteien im ORF endlich ein Ende hat und die Bundesregierung auch tiefgreifende Reformen anpackt, die weit über die Finanzierungsfrage und die Anzahl der Meldungen auf der Blauen Seite hinausgehen. Wir entscheiden jetzt, ob wir in zehn Jahren noch gesellschaftlich relevante öffentlich-rechtliche Medien haben. Mit den Ansätzen dieser Regierung wird das sehr, sehr schwierig."
"Fass ohne Boden"
Schon im Vorfeld hatte "STANDARD"-Geschäftsführer Alexander Mitteräcker im Interview mit dem "Kurier" davor gewarnt, dass der ORF "zu einer Massenvernichtungswaffe für den österreichischen Medienmarkt werden könnte". Mitteräcker gab zu bedenken, dass der ORF den Onlinemarkt schon dominieren würde und was die Wettbewerbssituation betrifft, sei "ein deutliches Ungleichgewicht vorhanden". Zudem hielt Mitteräcker fest: "Der ORF entwickelt sich meiner Meinung nach finanziell gesehen zum Fass ohne Boden."
Auch VÖP kritisiert die Regierungspläne
Kritik an der ORF-Digitalisierungsnovelle gab es auch vom VÖP, dem Verband Österreichischer Privatsender. „Wir anerkennen die Bemühungen der Medienministerin um eine ausgeglichene Lösung.“, hält Christian Stögmüller, VÖP-Präsident und Geschäftsführer von Life Radio, fest. „Dennoch stellt sich das Ergebnis für uns sehr dramatisch dar: Der ORF erhält mit der geplanten Gesetzesänderung das Geld und alle Freiheiten, um den privaten Rundfunkmarkt noch stärker an den Rand zu drängen.“ Denn bis auf einige wenige Zugeständnisse wurden die Forderungen der Privatsender nach Ausgleichsmaßnahmen zum Schutz des Wettbewerbs nicht umgesetzt. Bernhard Albrecht, Geschäftsführer von ATV, bezweifelt die Wirksamkeit der geplanten Kontrollmechanismen: „Der Erlös aus dem ORF-Beitrag wird weit über dem bisherigen Erlös aus Programmentgelten liegen. Umso wichtiger ist es, dass es eine Kontrolle der ORF-Finanzgebarung gibt, die mindestens so effektiv ist wie jene der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs von ARD und ZDF in Deutschland.“
Markus Breitenecker, stellvertretender VÖP-Präsident und Geschäftsführer von PULS4 und PULS24, kommentiert: „Der ORF sollte mit seinem Verhalten am Markt nicht die privaten Anbieter übermäßig konkurrenzieren dürfen, sondern er soll den Medienstandort aktiv fördern. Dazu gehört neben dem Bereich Content auch, dass der marktschädigende Druck des ORF im Werbemarkt durch gesetzlichen Eingriff reduziert wird. Die Umstellung und Ausweitung der ORF-Finanzierung bietet dafür eine Chance und ist eine EU-rechtliche Notwendigkeit.“
Alexander Winheim von ServusTV, zweiter stellvertretender VÖP-Vorsitzender, ergänzt: „Das Gesetzespaket stärkt den ORF und schwächt alle anderen Medien in Österreich. Wir fordern wirksame Gegenmaßnahmen, die die Finanzierbarkeit von privatem TV und Radio für die Zukunft besser absichern - allem voran ein Ende der intransparenten und marktschädigenden Durchrechnungszeiträume für ORF-Werbung.“
„Es ist für mich völlig unverständlich, dass der ORF ungebremst mit seinem kommerziellen Programmangebot weitermachen kann, sich im Online-Bereich ausbreiten darf und für all das sogar noch mehr Geld erhält. So wird die wirtschaftliche Lebensgrundlage frei finanzierter Medien in Österreich zerstört.“, kommentiert Gottfried Bichler, Geschäftsführer von Antenne Steiermark, Antenne Kärnten und Radio Flamingo.
„Ich verstehe nicht, warum der ORF in seinen Social-Media-Aktivitäten unbeschränkt bleibt. Die ORF-Reichweite in der jungen Zielgruppe ist ohnehin sehr hoch. Soll er gesellschaftsschädigende Plattformen nun auch noch fördern, indem er ihnen seine Qualitätsinhalte zur Verfügung stellt?“, hinterfragt Ralph Meier-Tanos, Geschäftsführer von Radio 88.6.
„Die Situation der Privatsender ist aufgrund des wirtschaftlichen Drucks durch die großen internationalen Plattformen ohnehin extrem schwierig. Die vorgeschlagenen Maßnahmen erhöhen diesen Druck, anstatt den Medienmarkt zu entlasten. Die vorgesehene Reduktion der ORF-Radiowerbezeit wird keinen spürbaren positiven Effekt haben, sie fällt einfach zu gering aus.“, so Alexander Wagner, Geschäftsführer von Radio Energy.
(VOL.AT)