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Gute Ställe braucht das Pferd

HK Architekten erweiterten die Reithalle der Propstei St. Gerold um Garderoben und Freiställe für die Therapiepferde.

Zehn Therapiepferde stehen im Stall der Propstei St. Gerold. Die sensiblen Tiere bauen bei der Hippotherapie zu jedem, den sie am Rücken tragen, eine eigene Beziehung auf. Um gute Therapeuten zu sein, brauchen sie Erholung, Ruhe und Bewegung. Die alten Boxen konnten das nicht bieten, daher bauten ihnen HK Architekten offene Freiställe. Außerdem wurde die Zugangssituation zum Sandplatz mit neuem Empfang, Garderoben und barrierefreien Rampen stark aufgewertet.

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Die bestehende Reithalle wurde im Süden um ein Vordach, einen neuen Stall und einen großen Freibereich für die Pferde ergänzt.
Die neuen Quartiere der Pferde sind zoniert: Die Liegeplätze neben der Halle sind vollkommen umhaust, die anschließenden Fressplätze davor vom weit vorgezogenen Dach gedeckt. Sie gehen direkt in den Freibereich bei der Koppel über.

Wer St. Gerold betritt, wird ruhig und still. Seit über tausend Jahren bauten Menschen am Kloster, ihre Lebenserfahrung und ihr Wissen haben es geformt. Bereits 960 gründete der heilige Gerold die Benediktinerpropstei am Sonnenhang des Großen Walsertals. Romanik, Gotik, Renaissance, Barock und Klassizismus hinterließen ihre Spuren, 1958 war das Kloster einsturzgefährdet und halb leer, damals begann der charismatische Pater Nathanael Wirth es in einen Ort der Begegnung und Bildung umzuwandeln.

Am Boden des Reitplatzes liegt nun Sand, die Bande aus ungehobelter Fichte wurde erneuert, die erdberührenden Wände sind mit Lehm verputzt.

Seither wird es kontinuierlich behutsam saniert und an die neue Nutzung adaptiert. Östlich vom Haupthaus liegen die Propsteikirche mit Gnadenkapelle und Gedenkstätte des heiligen Gerold, rund um die Apsis sind die Toten zur ewigen Ruhe gebettet, Martin Rauch baute ihnen 1992 eine Friedhofsmauer aus Lehm. Im Westen gruppieren sich die Wirtschaftstrakte um das Geviert des Klostergartens in der Mitte, der alle nährt. Seit fast dreißig Jahren bearbeiten HK Architekten das denkmalgeschützte Ensemble. "Gemeinsam mit der Propsteileitung erarbeiten wir ein Konzept, welche Bauten in welcher Reihenfolge saniert werden sollen", sagt Projektleiter Christoph Dünser.

Das Flachdach des neuen Stalls dient nun dem Gasthaus als sonnigen Dachterasse mit Blick in den Biosphärenpark - einer Landschaft, die so schön ist, dass sie von der UNESCO ausgezeichnet wurde.
Rundum erneuert: Das Tor auf dem Reitplatz und die Brüstungen aus sägegrauer Fichte sind neu, Stahlkanten schützen das Holz vor Verbiss durch nervöse Pferde.

1997 wurde die Reithalle für die Hippotherapie errichtet, dann die Jugendherberge im Wirtschaftstrakt, zwischen 2014 und 2018 weitere Gästezimmer, Seminarräume, das neue Restaurant, im Jahr 2020 kehrten die Architekten zum Beginn zurück: sie sanierten die Reithalle. "Das Schöne an St. Gerold ist, dass es nicht ums Bauen, sondern ums Weiterbauen geht", so Dünser. Diesem Bestand muss man sich in Achtsamkeit und Demut nähern. "Verschwendung ist Sünde. Das Holz, das hier verbaut wird, kommt aus dem Baumbestand des Klosters."

Poleposition: Von diesem Podest aus lassen sich behinderte Menschen gut auf den Sattel heben, außerdem kann man hier das Geschehen am Reitplatz gut beobachten.

Die Reithalle zählt zu den schönsten ihrer Gattung. Der leichtfüßige Holzständerbau liegt an einem steilen Hang, der von der Klosterseite im Norden bis zur Pferdekoppel im Süden um etwa ein Geschoß abfällt. Sein Tragwerk ist eine konstruktive Meisterleistung. Frei überspannt es die 30 Meter lange, 15 Meter breite Halle, ein Stahlzugband und sechs räumlich angeordnete Druckstäbe unterstützen die Konstruktion.

Schlafsaal: Hier befinden sich die Liegeplätze der Pferde.

Nach 25 Jahren starker Beanspruchung hatte die Halle Wartungsschäden, das Holz war angeknabbert, die Lehmschicht am Boden bewährte sich nicht. "Die Architektur muss so sein, dass der Mensch und das Tier sich wohlfühlen", sagt Pater Martin. "Im Gegensatz zum Therapeuten machen Pferde keinen Druck. Es ist faszinierend, was dabei an Heilung passieren kann." Zehn Therapiepferde sind in St. Gerold eingestellt, das älteste ist 36 Jahre alt, die Hippotherapie verlangt den sensiblen Tieren viel ab. "Sie brauchen Ruhe, Erholungsflächen und müssen sich frei bewegen können."

Loge: Vom neuen Seminarraum aus sieht man durch zwei Fenster auf den Reitplatz.

Die Boxenhaltung tat ihnen nicht gut, im Nordosten baute man also an den Reitplatz neue Freiställe an, darüber befinden sich Seminarraum, Büro und Garderoben. Diese liegen auf Klosterniveau und sind an Boden, Wän - den und Decke mit gemasertem Eschenholz verkleidet. Das wirkt sehr edel, durch zwei Fenster sieht man wie von einer Kanzel in die Halle. Sand liegt am Boden des Reitplatzes, Stahlschienen schützen die Holzkanten vor Verbiss. Kinderzeichnungen mit Pferden hängen zwischen dem Zaumzeug an den Wänden, es riecht nach Holz. In der Halle herrscht eine ruhige, konzentrierte Atmosphäre. Still drehen die Pferde mit ihren Patienten und Patientinnen am Rücken an der Hand der Hippotherapeutinnen ihre Runden.

Gesund: "Die Architektur muss so sein, dass der Mensch und das Tier sich wohlfühlen", sagt Pater Martin. Viel Licht, Ausblick, eine gute Akustik, Wände aus unbehandeltem Holz und Lehm sorgen dafür.

Die Halle setzt im Süden auf Geländeniveau auf, ist also bergend in den Hang gegraben, die Fläche über den Banden aus gehobelter Fichte mit Lehm verputzt, auf drei Seiten fällt durch die Glasfassade Licht, es blendet nicht. Eine Rampe führt auf ein kleines Podest in Pferderückenhöhe. So lassen sich Patient(inn)en mit Behinderung gut auf den Sattel setzen, eine kleine Bank für alle, die zuschauen wollen, gibt es auch. Die neuen Pferdequartiere nebenan sind zoniert: Die Liegeplätze ins Erdreich gebettet, daran angrenzend – unter einem vorgezogenen Dach mit Oberlicht – die Fressstände. Die davorliegende Freifläche zum ständigen Auslauf lässt sich zur angrenzenden Blumenwiese hin öffnen. Das Flachdach des Freistalls wird zur Terrasse für das neue Restaurant, es beschenkt die Menschen mit Plätzen an Sonne, Koppel und Natur.

Daten und Fakten

Objekt Reithalle Sanierung, St. Gerold
Bauherr Kloster Einsiedeln – Propstei St. Gerold
Architektur Hermann Kaufmann + Partner ZT, Schwarzach, www.hkarchitekten.at
Statik Merz Kley Partner, Dornbirn www.mkp-ing.com
Fachplanung Bauphysik WSS, Frastanz; Heizung, Klima, Sanitär: E-Plus, Egg; Elektro: Norbert Steiner, Nüziders; Entwässe - rung M+G, Feldkirch; Geotechnik: Dönz, Schruns; Vermessung: AVD ZT, Dornbirn
Planung 05/2019–11/2020
Ausführung 10/2020–04/2021
Grundstück 12.057 m²
Nutzfläche 866 m² (inklusive Reithalle und überdachtem Auslauf)
Bauweise Sanierung der Innenräume erfolgte nach einheimischer Handwerkstradition mit hochwertigen regionalen Materialien.
Ausführung Baumeister: Tomaselli Gabriel, Nüzi - ders; Zimmerer: Heiseler, Sonntag; Fenster: Manfred Bischof, Thüringer - berg; Tischler Sattelkammer: Günter Konzett, Fontanella; Seminarraum: Gottlieb Kaufmann, Blons; Holztüren: Elmar Dünser, Thüringerberg

Text: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer, Roland Wehinger

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