Grundbuch: Breite Front gegen Karls Pläne

Auch in den Reihen der ÖVP fanden sich viele Kritiker – die schwarzen Bundesländer Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg oder die von Christoph Leitl geführte Wirtschaftskammer lehnten den Entwurf ab.
Vorwurf der “verdeckten Steuer”
Hauptkritikpunkte sind die steigenden Eintragungsgebühren für die meisten Schenkungen und Erbschaften von Immobilien, zu enge Ausnahmen für Familien und Betriebsübergaben – aber auch eine neue Strafbestimmung für fehlerhafte Angaben. In einigen Stellungnahmen wird der – von Karl zurückgewiesene – Vorwurf der “verdeckten Steuer” bekräftigt.
Repariert wird die Regelung, weil der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sie mit Wirkung 1. Jänner 2013 aufgehoben hat. Er achtete es als verfassungswidrig, dass unterschiedliche Bemessungsgrundlagen angewandt werden: Für Käufe der Verkehrswert (also Kaufpreis), für Schenkungen und Erbschaften der meist viel niedrigere (dreifache) Einheitswert. Karls Entwurf sieht vor, prinzipiell auch bei unentgeltlicher Übertragung auf den Verkehrswert umzustellen. Beim Einheitswert bleibt man nur bei wenigen Ausnahmen – u.a. bei bäuerlichen Übergaben bzw. Vererbung oder Schenkung in der Familie bei bestehendem gemeinsamem Haushalt und “dringendem Wohnbedürfnis”.
Verstoß gegen Menschenrechtskonvention?
Außerdem soll künftig Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet werden, wenn eine Partei “unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um eine weit unter dem Wert liegende” oder ermäßigte Bemessungsgrundlage “zu erschleichen”. Bei Verurteilung droht dann auch noch die Verdoppelung der Eintragungsgebühr – was die Kritiker als Verstoß gegen das in der Menschenrechtskonvention festgehaltene Verbot der Doppelbestrafung sehen.
Einige Kritiker verlangen überhaupt ein anderes Berechnungssystem – nicht nach dem Wert der Liegenschaft, sondern nach dem verursachten Verwaltungsaufwand. Gebühren sollten “nur den Aufwand des Gerichts abdecken”, fordert die Wirtschaftskammer. Das sei hier nicht mehr der Fall – also handle es sich “de facto” nicht um eine Gebühr, “sondern um Steuern”. Dabei werde die Justiz bereits zu einem “außerordentlichen hohen Maß” – fast 110 Prozent – durch Gerichtsgebühren finanziert. Dass diese seit Jahren überproportional steigen, sei “schädlich” für den Wirtschaftsstandort.
Vorarlberg: “Nicht akzeptabel”
Mit Karls Entwurf würden Erbschafts- und Schenkungssteuer wieder eingeführt, kritisieren der Haus- und Grundbesitzerbund und der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK). Der ÖGB hält es hingegen für “zukunftsfähig und beispielgebend”, auf den Verkehrswert umzustellen.
Dem von Reinhold Mitterlehner (V) geführten Familienministerium sind die Ausnahmen im Entwurf von Justizministerin Beatrix Karl (V) zur Grundbuchsgebühr “zu eng gefasst”: Die Weitergabe einer Wohnung an Kinder mit eigenen Haushalt werde nicht begünstigt, auch nicht an Enkel, wird in der Begutachtungs-Stellungnahme kritisiert.
Das Land Tirol bezweifelt, dass Karls Entwurf sachgerecht und verfassungskonform ist – und widerspricht, wie auch Vorarlberg, Niederösterreich und die Wirtschaftskammer der Darstellung Karls, dass sich beim Erben und Schenken in der Familie nichts ändern werde. Die nötigen Voraussetzungen für die Begünstigung – dringendes Wohnbedürfnis, gemeinsamer Haushalt – würden nur selten erfüllt. In den meisten Fällen werde die Eintragungsgebühr massiv steigen. “Das sei “für uns nicht akzeptabel”, teilt Vorarlberg mit.
Niederösterreich lässt die Darstellung Karls nicht gelten, wonach die Novelle aufwandsneutral ist, weil in manchen Fällen die Eintragungsgebühr auch sinken werde. Es sei “für den einzelnen betroffenen Bürger nicht wesentlich, dass der Bund insgesamt keine Mehreinnahmen erwartet”.
Die Finanzprokuratur weist darauf hin, dass bei den Ausnahmen unterschiedliche Familienbegriffe verwendet werden und Geschwister nicht drunterfallen. Insgesamt bleibe “praktisch kein Anwendungsbereich” übrig, kritisiert die Arbeiterkammer. Bei geerbten Liegenschaften werde die Ermäßigung “fast nie” greifen, konstatiert die Notariatskammer. Die Industriellenvereinigung verlangt eine Begünstigung für sämtliche Übertragungen in der Familie in gerader Linie.
Der Rechnungshof mahnt genauere Darstellungen über die finanziellen Auswirkungen ein. Es sei durch keinerlei Kalkulation bewiesen, dass die Neuerungen – wie behauptet – weitgehend aufkommensneutral sein dürften.
Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hält es für “fraglich”, ob mit Karls Entwurf der vom VfGH eingeräumte Gestaltungsspielraum nicht überschritten wird. Denn teilweise bleibe man beim Einheitswert, den der VfGH – weil er jahrzehntelange nicht angepasst wurde – als nicht tauglich erachtet. Für die Finanzprokuratur ist es “bedenklich”, dass in der Schätzung des Verkehrswertes “auf die freie Überzeugung des Kostenbeamten” im Gericht abgestellt wird. Da sei der Ermessensspielraum zu weit ausgedehnt.
Gebührenlawine für Bürger befürchtet
Erhöht werden die Kosten nicht nur durch die höhere Gebühr, sondern auch, weil künftig die Bürger selbst (bzw. Notare oder Anwälte) den Verkehrswert ermitteln müssen – und dabei auch noch unter Druck sind, weil für falsche Angaben eine Anzeige droht. Den Laien werde es aber kaum möglich sein, den bei einem Verkauf zu erzielenden Preis zu bestimmen – also werde nur die teure Alternative eines Sachverständigengutachtens bleiben, kritisierten die Arbeiterkammer und das Land Tirol. Vorarlberg erachtet die Strafregelung für “überschießend: Wir befürchten, dass künftig immer die Staatsanwaltschaft verständigt wird, wenn sich die Angaben der Partei als unrichtig erweisen.”
Steigen wird auch der Verwaltungsaufwand für die Justiz. Denn bisher können Bürger bzw. Notare oder Rechtsanwälte die Eintragungsgebühr selbst gemeinsam mit der Grunderwerbssteuer über FinanzOnline ermitteln und gemeinsam auf ein Konto überweisen. Dass dies “entkoppelt” wird, werde zur Mehrbelastung auch der Gerichte führen, stellt der Rechnungshof fest. Das Gesetz werde “nicht unerheblichen Personalmehrbedarf” bei den Gerichten auslösen, warnt die Richtervereinigung. Das neue Verfahren zur Ermittlung des Verkehrswertes überfordere die Kostenbeamten kapazitätsmäßig, “vor allem aber auch sachlich völlig”.
(APA)