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Grüne verstärken Druck auf ÖVP

Stefan Kaineder von den Grünen hat einen Wunsch mit Blick auf Sebastian Kurz.
Stefan Kaineder von den Grünen hat einen Wunsch mit Blick auf Sebastian Kurz. ©APA/Barbara Gindl (Symbolbild)
Eine Ablöse von Sebastian Kurz als Bundeskanzler: Das war am Freitag die Forderung der Grünen. "Die ÖVP ist aufgerufen, eine untadelige Person zu finden, die dieses Amt ausführen kann", meinte Klubobfreu Sigrid Maurer.
Kickl-Ansicht zu etwaiger Koalition
Misstrauensantrag: Grüne entscheidend

Indes schloss Bundespräsident Alexander Van der Bellen seinen Gesprächsreigen mit den Parteichefs ab, wollte danach aber dem Parlament bei der Entscheidung über die Zukunft der Regierung nicht vorgreifen.

Van der Bellen schloss Ratschläge aus

In einem Statement an die Bevölkerung nach den Gesprächen mit den Parteichefs verwies das Staatsoberhaupt darauf, dass der Nationalrat bei der Abstimmung über den angekündigten Misstrauensantrag gegen den Kanzler entscheide, "wie es weitergeht". Ratschläge werde er nicht erteilen, aber für Stabilität sorgen. Van der Bellen garantierte, dass es nicht passieren werde, dass die Republik aus dem Gleichgewicht komme. Dafür werde die Verfassung sorgen. Es handle sich allenfalls um eine Regierungskrise, aber sicher nicht um eine Staatskrise.

Im Raum stünden schwerwiegende Verdachtsmomente, so der Bundespräsident, der von einem Sittenbild sprach, das der Demokratie nicht gut tue. An die Parteien richtete das Staatsoberhaupt einen Appell. In dieser Phase sei es wichtig, dass alle handelnden Personen zuerst an das Wohl Österreichs denken: "Denken sie jetzt nicht daran, was sie kurzfristig für ihre Partei herausholen können."

Kickl wollte Rücktritt von Kurz

Van der Bellen hatte zuvor die Parteiengespräche am Freitag mit den NEOS und den Freiheitlichen abgeschlossen. FPÖ-Chef Herbert Kickl erteilte dabei sowohl der Duldung einer rot-grün-pinken Regierung als auch einem Expertenkabinett eine deutliche Absage und forderte den Rücktritt von Kanzler Kurz. Auch NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger verlangte dies, habe der Regierungschef doch wieder einmal eine Krise im Land verursacht. Am Zug sieht Meinl-Reisinger daher die ÖVP.

Nicht nur van der Bellen, auch Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler befand sich am Freitag in Gesprächen mit allen Fraktionen. Zur am Donnerstag erfolgten Festlegung der ÖVP auf Kurz meinte er, dies sei dem Regierungspartner unbenommen. Die ÖVP als staatstragende Partei habe aber mehrere Möglichkeiten der Personalauswahl, bei der nicht jahrelang schwere Gerichtsverfahren drohten. Maurer sah das ähnlich. Es stünden schwere Vorwürfe, etwa Korruption und der Missbrauch von 1,3 Mio. Euro an Steuergeld im Raum. Kurz werde künftig ständig damit beschäftigt sein, diese Vorwürfe zurückzuweisen. "Es ist ganz klar, dass so jemand nicht mehr amtsfähig ist", sagte sie.

"Offensichtlich weigert sich die ÖVP"

Dass die ÖVP niemanden anderen nominiere, löst für sie die nunmehrigen Gespräche aus. "Offensichtlich weigert sich die ÖVP, eine solche untadelige Person bereitzustellen, deswegen reden wir mit den anderen Parteien", sagte Maurer. Ob die Grünen also beim Misstrauensantrag der Opposition am Dienstag mitgehen werden, wenn Kurz nicht ausgetauscht wird, ließ sie offen.

ÖVP befürwortete Fortsetzung von Regierungsarbeit

Die ÖVP hatte sich in einer Sitzung mit den Landesparteiobleuten Donnerstagabend zu Kurz bekannt und sich für eine Fortsetzung des türkis-grünen Regierungsarbeit mit Kurz als Kanzler ausgesprochen. Kommuniziert wurde das aber nur von Tirols Landeshauptmann Günther Platter und Parlamentsklubobmann August Wöginger. Von drei Landeshauptleuten gab es zudem kritische Bemerkungen. So kritisierte etwa Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer den Umgang mit der Justiz: "Ich habe in den letzten Monaten mehrmals betont, dass ich nichts davon halte, wenn die Justiz zur Zielscheibe von politischen Attacken wird. Ich habe großes Vertrauen in die Justiz und bin auch davon überzeugt, dass man sie jetzt in Ruhe arbeiten lassen soll", hieß es in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte am Donnerstag die Vorwürfe bereits als "schwerwiegend" bezeichnet, sein steirischer Amtskollege Hermann Schützenhöfer befand: "Die Härte der Vorwürfe ist unfassbar. Sie hat eine Dimension erreicht, die an die Grenzen des Möglichen heranreicht." Beide betonten jedoch ebenfalls, hinter Kurz zu stehen.

Medien brachten Chats von Schmid

Aus den Korruptionsermittlungen rund um Kurz und sein enges Umfeld sind am Freitag weitere Details an die Öffentlichkeit gedrungen. Mehrere Medien veröffentlichten neuerlich Chats des damaligen Generalsekretärs im Finanzministerium Thomas Schmid. Darin spricht Schmid etwa davon, im Wahlkampf 2017 Druck auf die Wirtschaftsforschungsinstitute IHS und WIFO oder den damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling ausüben zu wollen, weil diese nicht auf Kurz' Linie waren.

Chatverläufe zwischen Schmid und Kurz, bei denen etwa der ehemalige ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner alles andere als gut wegkommt, lassen laut Staatsanwaltschaft auf eine langjährige Freundschaft schließen. Der Kontakt zwischen Kurz und Schmid sei seit 2014 nie abgerissen. Den Ermittlungen zufolge soll Schmid im Finanzministerium in der Causa um mutmaßlich geschönter Umfragen, die - so der Verdacht der Anklagebehörde - mit Scheinrechnungen bezahlt wurden, eine zentrale Rolle gespielt haben.

Immer wieder hätten die beiden angeregt über Kurz' Vorgänger als Parteichef Mitterlehner diskutiert, berichteten die "Salzburger Nachrichten" und die "Kleine Zeitung". Als Mitterlehner 2019 sein Buch "Haltung" veröffentlichte, tauschten sich Schmid und Kurz darüber aus. Schmid schrieb demnach: "Diese alten Deppen sind so unerträglich! Keiner musste sich jemals einer Bundeswahl stellen und den Schwachsinn der Vorgänger erklären! Du hast das alles erfolgreich geschafft und wir durften dabei mitarbeiten Mitterlehner ist ein Linksdilettant und ein riesen oasch!! Ich hasse ihn Bussi Thomas". Und Kurz, damals Kanzler der türkis-blauen Regierung, antwortet: "Danke Thomas Super war dass Spindi heute ausgerückt ist. Das stört den Arsch sicher am meisten..."

Grünen-Landesrat Kaineder führt "einfachste Lösung" an

Die Grünen in den Bundesländern vergrößern den Druck auf die ÖVP und Sebastian Kurz. Oberösterreichs Grünen-Landesrat Stefan Kaineder möchte, dass Kurz "einen Schritt zur Seite macht", um zusammen mit der Staatsanwaltschaft Klarheit mit Blick auf die Korruptionsvorwürfe zu schaffen. Das wäre die "einfachste Lösung" und die Regierung könnte weiterarbeiten wie bisher, sagte er im Gespräch mit der APA.

Grünen: Kaineder sieht "Schockstarre" bei ÖVP

Er rechne damit, dass die ÖVP aus "ihrer Schockstarre" aufwache und im Interesse des Staatswohls entsprechend agiere. "Wegen der Schwere der Anschuldigungen "ist ein Weiter wie bisher schlichtweg unmöglich", befand Kaineder.

Olga Voglauer, die Landessprecherin der Grünen in Kärnten und stellvertretende Klubobfrau der Grünen im Nationalrat, bezog am Freitag gegenüber der APA erneut deutlich Stellung zur Causa: "Die Entwicklung ist, nachdem jetzt auch der Mutterakt mit 400 Seiten einsichtig ist, dass der Vorwurf der Korruption deutlich verhärtet ist. Hier wurde Steuergeld abgezweigt, das ist Fakt."

"Da wird die ÖVP Verantwortung übernehmen müssen"

Ein weiter so könne es nicht geben: "Hier sind involvierte Personen weiter in führenden Funktionen. Da wird die ÖVP Verantwortung übernehmen müssen. Dass an diesem Team weiter festgehalten wird, geht nicht, da kann sie sich nicht aus der Verantwortung ziehen." Das Problem sei eindeutig der Kanzler selbst.

"Aus unserer Sicht muss die ÖVP eine handlungsfähige Person nominieren, ich sehe nicht, dass man so weitermachen kann." Kurz sei der instabile Faktor, sagte Voglauer. "Die ÖVP braucht jemand Neuen, der die ÖVP in die Zukunft führt. Kurz hat erst seinen Parteichef Mitterlehner weggeputscht und jetzt quasi die dritte Regierung an die Klippe geführt."

Fischer beurteilte Kurz

Auch die Landesspitzenvertreterin der Tiroler Grünen, Gabriele Fischer, hielt Kurz "als ersten Mann im Staat" weder für "handlungsfähig noch tragbar". Dafür wiegten die Vorwürfe "einfach zu schwer". Kurz habe "in den letzten vier Jahren für viel Instabilität gesorgt". Zwei Regierungen seien vorzeitig aufgelöst worden, die dritte Regierung stehe "wegen der seit einem Jahr andauernden immer neuen Ermittlungsergebnissen an der Kippe", schrieb Soziallandesrätin Fischer in einer Stellungnahme auf APA-Anfrage. Die ÖVP solle "nationale Verantwortung über die blinde Gefolgschaft stellen", empfahl sie und unterstrich: Sollte die ÖVP "diesen Weg der Verantwortung ausschlagen, dann werden Alternativen unumgänglich".

Daniel Zadra, Teil der Vorarlberger Grünen-Doppelspitze und Klubobmann im Landtag, erklärte am Freitag gegenüber der APA, die Amtsbeschädigung durch Kurz sei so massiv, dass die ÖVP nun "staatspolitische Verantwortung" übernehmen müsse. "Es wäre nun wirklich Aufgabe der ÖVP, dafür zu sorgen, dass der Bundeskanzler einen Schritt auf die Seite macht", so Zadra. Bis zur Aufklärung der Vorwürfe - immerhin gehe es um Verbrechen - müsse eine andere, untadelige Person die Amtsgeschäfte übernehmen, nur dann könne es eine Fortsetzung der Regierungsarbeit geben. "Die Verantwortung liegt nun einzig und allein bei der ÖVP", spielte Zadra den Ball zurück, "Es kann nicht sein, dass wegen einer einzigen Person die ganze Republik in Geiselhaft genommen wird - das muss doch auch der ÖVP klar sein".

(APA/Red)

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