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Großer Aufholbedarf bei Mobilität in Österreich

In Sachen Mobilität gibt es in Österreich noch viel nachzuholen.
In Sachen Mobilität gibt es in Österreich noch viel nachzuholen. ©APA/dpa/Julian Stratenschulte
Ob bei Carsharing, E-Mobilität, Rad-Infrastruktur oder Verkehrsberuhigung - Österreich hat im Vergleich zu den Vorreitern in Europa noch einiges aufzuholen.

Das ist das Fazit einer Publikation des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ). Mangelnder Klimaschutz im Verkehrsbereich führt zu hohen Kosten. Der VCÖ fordert eine rasche Umsetzung wirksamer Maßnahmen, um auch die Klimaziele zu erreichen, hieß es am Donnerstag bei einem Online-Pressegespräch.

Österreich will Treibhausgasemissionen reduzieren

Österreichs Ziel für das Jahr 2030 ist eine Reduktion der Treibhausgasemissionen des Verkehrs auf 15,7 Millionen Tonnen, 2019 betrugen die Emissionen hier 24 Millionen Tonnen. "Es fehlen acht Millionen Tonnen", konstatierte VCÖ-Expertin Ulla Rasmussen. Um das Ziel zu erreichen, "braucht es neue Ideen und Maßnahmen". Die Klimaschäden in Österreich würden derzeit eine Milliarde Euro pro Jahr betragen, bis 2050 werden sie sich auf fünf bis zwölf Milliarden Euro summieren, sagte die Expertin. Dazu kommen die externen Kosten des Verkehrs, wie etwa Umwelt- und Gesundheitsschäden und Unfallfolgekosten, die nicht von den Verursachern bezahlt werden und die Allgemeinheit belasten. Bei einem Weiter wie bisher wird Österreich die Klimaziele klar verfehlen.

Verkehr ist größtes Klimaschutzproblem in Österreich

Der Verkehr ist Österreichs größtes Klimaschutzproblem. Die Emissionen waren sogar im Coronajahr 2020 um 55 Prozent höher als im Jahr 1990, wie eine Studie des WIFO zeigt. Im Jahr 2019 verursachte der Verkehrssektor um 10,2 Millionen Tonnen mehr CO2 als im Jahr 1990 und machte damit die zum Teil mit hohen Investitionen erzielten Einsparungen der anderen Sektoren wieder zunichte. Im EU-Vergleich hat der Verkehr in Österreich pro Kopf den dritthöchsten CO2-Ausstoß. Ohne internationalen Flugverkehr lag Österreich vor Covid-19 mit 2,76 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr um 49 Prozent über dem EU-27 Durchschnitt, berichtete VCÖ-Experte Michael Schwendinger. "Kleinere, kosmetische Maßnahmen reichen nicht, es braucht mutige Politik", forderte Schwendinger.

Für die Studie hat sicher der VCÖ internationale Best-Practice-Beispiele angesehen. Die gute Nachricht ist, "das Rad muss nicht neu erfunden werden", konstatierte Schwendinger. "International werden viele Maßnahmen umgesetzt. Österreich kann davon profitieren, wenn wir uns an den Besten orientieren", sagte er.

So wäre beispielsweise ein Carsharing-Gesetz nach deutschem Vorbild, um dieses Potenzial besser nutzten zu können, von Vorteil. Dieses schafft in Deutschland die Ermächtigung, Abstellplätze für Carsharing und Parkgebührenbefreiung von Abstellplätzen zu ermöglichen. Innerhalb Deutschlands ist Bremen ein Vorreiter, in Belgien Gent. Die Weiterentwicklung von Carsharing ist Mobility as a Service (MaaS). MaaS bietet ein umfangreiches und vielfältiges Mobilitätsangebot, ohne ein eigenes Auto besitzen zu müssen. Routenplanung, Buchung und Abrechnung von Öffentlichem Verkehr und Sharing-Angeboten (Auto, Fahrrad, E-Bike, Scooter) erfolgt über eine App. Vorreiter bei MaaS sind Finnland und Schweden.

Österreich: Großer Aufholbedarf auch bei Rad-Infrastruktur

Großen Aufholbedarf hat Österreich bei der Rad-Infrastruktur. Nicht erst seit Corona steigen immer mehr Österreicher auf das Rad um. In den Ballungsräumen sind Radschnellwege als möglichst kreuzungsfreie Verbindung vom Umland in die Städte nötig. Vorbild ist hier die Großstadtregion Kopenhagen, wo es zwölf Radschnellwege mit einer Gesamtlänge von rund 200 Kilometern gibt, weitere 650 Kilometer werden errichtet. Viele Pendlerinnen und Pendler nutzen die Verbindungen. Radschnellwege gibt es unter anderem auch im Großraum London und im deutschen Ruhrgebiet. In den Niederlanden gibt es bereits seit den 1990er-Jahren Fahrradstraßen. Österreich hinkt dem deutlich hinterher.

Als weiteres Beispiel führte der VCÖ E-Pkw an. Da ist Norwegen Spitzenreiter, wo bereits mehr als die Hälfte der im Vorjahr neuzugelassenen Pkw nur Strom tanken. In der EU ist die Niederlande Spitzenreiter mit einem E-Pkw-Anteil im Jahr 2020 von 20 Prozent. "In beiden Staaten kostet nicht nur Diesel und Benzin deutlich mehr als in Österreich, auch die Zulassungssteuer beim Autokauf ist höher", berichtet Schwendinger. In Österreich waren zuletzt nur sechs Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge E-Autos. Insbesondere Lkw-Flotten sollen elektrifiziert werden, je mehr Fahrzeuge genutzt werden, desto mehr rentiert sich das.

VCÖ forder Ökologisierung der Pendlerpauschale

Der VCÖ forderte außerdem eine Ökologisierung der Pendlerpauschale. Dies wurde beispielsweise bereits in der Schweiz, Belgien und den Niederlanden umgesetzt. In der Schweiz können Fahrgäste des Öffentlichen Verkehrs die Kosten zur Gänze von der Steuer absetzen, wer hingegen mit dem Auto pendelt, nur maximal bis zu den Kosten des Öffentlichen Verkehrs. In Belgien gibt es pro Fahrrad-Kilometer 23 Cent Pendelpauschale, zusätzlich können Unternehmen eine Unterstützung von ebenfalls 23 Cent steuerfrei dazuzahlen. In den Niederlanden gibt es die Pendelpauschale nur für die Nutzung des Öffentlichen Verkehrs.

Als weitere Maßnahme wurden striktere Tempolimits angeführt, die sowohl die Verkehrssicherheit erhöhen, als auch das Klima schützten und Geld sparen. Die Staaten mit der höchsten Verkehrssicherheit in Europa haben auf Freilandstraßen und Autobahnen niedrigere Tempolimits als Österreich. Der Rechnungshof hat zuletzt darauf hingewiesen, dass laut Umweltbundesamt mit niedrigeren Tempolimits auf Freilandstraßen und Autobahnen der CO2-Ausstoß um 828.000 Tonnen pro Jahr gesenkt werden kann. Der Spritverbrauch würde um rund 330 Millionen Liter pro Jahr sinken, was bei aktuellen Preisen die jährlichen Spritkosten um rund 400 Millionen Euro pro Jahr verringern würde.

Gelungene Mobiliätsprojekte in Österreich

Doch auch in Österreich gibt es Beispiele für gelungene Moblitätsprojekte. Am Mittwoch wurde im Ministerrat die Mitfinanzierung der regionalen Teile des 1-2-3-Klimatickets beschlossen und 100 Millionen Euro für die Bundesländer freigegeben. "Das ist ein sehr wichtiger Schritt und ein attraktives Angebot", sagte Schwendinger. Allerdings brauche es rasch die Gesamtumsetzung, also neben dem österreichweiten Ticket auch günstige für alle Bundesländer. Als weiteres Best-Practice-Beispiel aus Österreich nannte der Experte die Wiedereinführung der Nachtzug-Verbindungen. "Hier war Österreich Vorreiter, andere Staaten springen nun auf", sagte Schwendinger.

(APA/Red)

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