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Große Geschichten und berührende Erlebnisse

Festspielpräsident Hans-Peter Metzler freut sich auf den Festspielsommer.

Herr Präsident, unter der neuen Intendantin Lilli Paasikivi steht der 79. Festspielsommer ganz im Zeichen des Geschichtenerzählens — was bedeutet dieses Leitmotiv für die Ausrichtung des Festivals?

Metzler Geschichten begleiten uns ein Leben lang – sie berühren, verbinden, eröffnen neue Blickwinkel. Für mich persönlich ist das Erzählen von Geschichten ein zutiefst menschlicher Akt. Und was könnte ein Festspiel besser leisten, als genau das zu ermöglichen: große, bewegende, überraschende Geschichten auf die Bühne zu bringen? Lilli Paasikivi hat mit diesem Leitmotiv eine Richtung vorgegeben, die mir sehr nahe ist. Es geht nicht um abstrakte Konzepte, sondern um Erlebnisse, die unter die Haut gehen. Ob auf der Seebühne, im Festspielhaus oder auf der Werkstattbühne – überall spüren wir heuer: Hier wird etwas erzählt, das uns angeht. Und genau das wünsche ich mir von einem gelungenen Sommerfestival: dass es den Menschen etwas mitgibt, das über den Applaus hinauswirkt.

Welche künstlerischen und dramaturgischen Impulse versprechen Sie sich von George Enescus Œdipe, dieser monumentalen Tragédie lyrique?

Metzler Œdipe ist ein musikalisches Monument – und zugleich ein Werk voller Menschlichkeit und existenzieller Tiefe. Dass Lilli Paasikivi ausgerechnet mit diesem Meisterwerk ihre erste Seebühnenproduktion verantwortet, zeigt Mut und Vision. Ich verspreche mir davon einen starken künstlerischen Impuls für die Festspiele: Œdipe stellt das Menschliche ins Zentrum, nicht das Spektakel. Dramaturgisch ist es ein kluger Schritt – weil die Oper weit über die bekannte Ödipus-Geschichte hinausgeht: Sie erzählt ein ganzes Leben, mit allen Schuldfragen, Zweifeln, Schicksalsschlägen. Es ist ein Werk, das den großen Bogen spannt – musikalisch wie inhaltlich. Und wir werden wunderbare Stimmen hören. Ich bin überzeugt: Das wird ein Ereignis.

Der „Freischütz” auf der Seebühne war 2024 der Publikumsliebling und kehrt 2025 mit fast gleicher Konzeption zurück. Wie groß war die Erleichterung, dass die Aufführung am See so gut funktioniert hat?

Metzler Natürlich war da Erleichterung – aber vor allem war da große Freude. Der Freischütz ist ein Werk voller Zauber und Abgründe, und gerade diese emotionale Vielschichtigkeit hat auf der Seebühne ganz wunderbar funktioniert. Wir wussten, dass wir mit dieser Produktion – in der Ästhetik, in der Bildsprache, in der Musikalität – auch ein gewisses Risiko eingehen. Umso schöner war es zu sehen, wie stark das Publikum darauf reagiert hat. Die Nachfrage war überwältigend, die Begeisterung spürbar. Dass wir 2025 noch einmal in diese Welt zurückkehren, ist ein Geschenk – und zugleich eine Bestätigung für den eingeschlagenen Weg: Wir wollen bewegende Oper in großer Dimension zeigen, ohne ins Beliebige abzugleiten. Der Freischütz hat das eindrucksvoll bewiesen.

Neben den großen Opernproduktionen gibt es auf der Werkstattbühne Uraufführungen und Gastspiele — wie wichtig ist Ihnen diese Experimentierplattform im Spannungsfeld von Tradition und Innovation?

Metzler Mir ist diese Plattform enorm wichtig – sie ist so etwas wie die Entwicklungsabteilung der Festspiele. Auf der Werkstattbühne darf experimentiert, hinterfragt und neu gedacht werden. Hier entstehen Zugänge, die vielleicht morgen schon in die großen Häuser hineinwirken. Es ist für mich ein wesentlicher Teil unseres Selbstverständnisses, neben den großen Opern am See auch Räume für Innovation zu schaffen. Die Uraufführungen und Gastspiele auf der Werkstattbühne bringen frische Stimmen, ungewöhnliche Formate und oft auch unbequeme Themen ins Spiel. Und das gehört dazu: Die Bregenzer Festspiele sind nicht nur Bewahrer von Tradition, sondern auch Impulsgeber. Diese Balance ist entscheidend – und sie ist ein Zeichen künstlerischer Lebendigkeit.

Die Festspiele bieten heuer fast 80 Veranstaltungen innerhalb von fünf Wochen an. Welches Konzept steckt hinter der logistischen und dramaturgischen Vernetzung der verschiedenen Sparten?

Metzler Hinter dieser Vielfalt steckt kein Zufall, sondern ein fein aufeinander abgestimmtes Konzept. Wir denken die Festspiele als großes Ganzes – auch wenn jede Sparte, jede Produktion ihre eigene Handschrift trägt. Die über 80 Veranstaltungen sind dramaturgisch so vernetzt, dass sie miteinander in Resonanz treten: Themen spiegeln sich, ästhetische Linien ziehen sich durch das Programm, und es entstehen für das Publikum immer wieder neue Verbindungen zwischen Oper, Schauspiel, Musiktheater, Konzert und zeitgenössischer Performance. Natürlich ist das auch eine enorme logistische Leistung – und ich bin unserem Team dankbar, wie professionell und leidenschaftlich diese Komplexität Jahr für Jahr gemeistert wird. Aber entscheidend ist: Am Ende entsteht kein Patchwork, sondern ein Festival, das als künstlerische Erzählung erlebt werden kann – facettenreich, mutig und mit klarer Handschrift.

Wie sehen Sie die künstlerische Zusammenarbeit zwischen Festspielpräsident und Intendantin in Bezug auf strategische Ziele wie Internationalisierung, Publikumsentwicklung und künstlerische Profilierung?

Metzler Die Zusammenarbeit mit Lilli Paasikivi ist von großem gegenseitigen Vertrauen und Respekt geprägt. Wir teilen die Überzeugung, dass ein Festival wie die Bregenzer Festspiele künstlerisch exzellent sein muss – aber auch strategisch klar positioniert. Internationalisierung, Publikumsentwicklung und Profilbildung sind dabei keine getrennten Aufgaben, sondern eng miteinander verflochten: Wer international ausstrahlen will, braucht ein unverwechselbares künstlerisches Profil – und wer neue Publikumsgruppen ansprechen möchte, muss kulturelle Relevanz mit sinnlicher Kraft verbinden. Lilli bringt dafür genau die richtige Mischung aus künstlerischer Vision, internationaler Erfahrung und neugieriger Offenheit mit. Als Präsident verstehe ich meine Rolle darin, diese strategischen Linien zu stärken, Brücken zu bauen – etwa zu politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Partnern – und die Festspiele als Ganzes in ihrer Entwicklung voranzubringen. Es geht um Teamwork auf hohem Niveau – und darum, gemeinsam die Zukunft zu gestalten.

Welche Botschaft möchten Sie dem Publikum für den Festspielsommer 2025 mit auf den Weg geben — und welche persönlichen Höhepunkte erwarten Sie selbst in dieser Saison?

Metzler Meine Botschaft an unser Publikum lautet: Lassen Sie sich ein – auf große Geschichten, auf neue Perspektiven, auf berührende Erlebnisse. Der Festspielsommer 2025 lädt ein, mit wachem Herzen zu hören, zu sehen, zu staunen. Wir leben in bewegten Zeiten – umso wichtiger sind Momente der Schönheit, der Reflexion und der gemeinsamen Erfahrung. Dafür stehen die Bregenzer Festspiele. Persönlich freue ich mich auf vieles: auf die monumentale Kraft von Œdipe, auf überraschende Formate auf der Werkstattbühne – aber am meisten freue ich mich auf diesen besonderen Moment, wenn das Licht auf der Seebühne angeht – und für einen Augenblick alles möglich scheint. Das ist Magie. Und das wünsche ich jedem einzelnen Gast in diesem Sommer.

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